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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Als Eschwege hessisch wurde, begann alsbald die Territorialhoheit des
Landesfürsten sich auszubilden, was anfangs bei den Freiheiten, welche die
Stadt genoß, nicht ohne gewaltsames Eingreifen geschah. So sehen wir um
1282 den landgräflichen Vogt Werner von Besse in offener Fehde mit der
Aebtissin auf dem Cyriaxberge, die er in ihren hoheitlichen Rechten bedrängte.
Unter die landesherrlichen Rechte gehörte damals vorzugsweise nur die He¬
gung des Gerichts, worauf aber die Stadtgemeinde durch ihre Consuln den
entschiedendsten Einfluß behauptete, dann militärische Besetzung der Stadt,
Heeresfolge und Beede; die Regalien des Zolls und der Münze blieben dem
Stifte. Dazu kam noch die Bestellung des Stadtrathes und als Landgraf
Hermann die bisherigen Freiheiten weiter antastete, empörte sich die Bürger¬
schaft und huldigte, wie wir sahen, dem Thüringer. Der Kaiserhof auf dem
Cyriaxberge mochte zerfallen sein und eine Feste hatte die Stadt noch nicht,
die selbst eine erweiterte Burg mit Mauern, Thürmen und Graben war.
1389 begann der neue Herr zu bauen, nachdem ihm die Bürgerschaft dazu
einen Platz überlassen und er versprach ihr, weil sie ihm erlaubt hätte, eine
Burg zu bauen, sie bei ihren Gnaden, Ehren, Würden, Freiheiten und
Rechten, die sie von Alters bei den Herren von Hessen gehabt, zu belassen,
sie nicht zu beschweren und ohne ihre ausdrückliche Genehmigung kein Gut
zu seiner Burg zu kaufen und an sich zu bringen*). Die fürstlichen Vögte
erhielten im Laufe der Zeit immer größeren Wirkungskreis, sowie die Be¬
sitzungen des Landgrafen von Hessen in dieser Gegend sich erweiterten, und
wurden zuletzt Landvögte der Landschaft an der Werra**).

Neben den Vögten und Amtleuten erschienen als landgräfliche Ministe¬
rialen zu Eschwege die Burgmänner, welche die militärische Besatzung der
Stadt waren, in ihren Burghäusern zerstreut in der Stadt umher, doch
meistens an und auf dem Cyriacusberge wohnten und eine geschlossene Cor¬
poration bildeten. Es gehörten dazu fast nur Rittergeschlechter, welche in
der Umgegend ansässig und begütert waren, z. B. die von der Ane, von
Beyneburg, von Buttlar, von Diebe, von Eschwege, von Hundelshausen,
von Hendel, von Leichberg, von Netra, von Völkershausen :e.

In dem alten Rechtsbuche der Stadt waren Statuten und Rechtsge¬
wohnheiten eingetragen. Der Eschweger Schöppenstuhl stand in Ansetzn und
es holten nicht selten dort als bei einem Oberhofe andere Gerichte sich Raths.

Die alte Mutterkirche ist Se. Dionysii am Markte, ein schönes Werk
gothischer Baukunst; 1340 wurden die Filialkirchen Se. Catharinae und Se.
Godoehardi auch zu Pfarrkirchen erhoben.




-) An der Stelle dieser Burg steht jetzt das fürstliche Schloß.
Allendorf, Altenstein, Witzenhausen, Ludwigstein, Rüderide, Bilstein, Germeride,
Eschwege, Wanfried, Bischhausen, Beyneburg, Waldcappel, Sontra, Vach, Kveuzburg und
die Herrschaft Schmalkalden u. a.
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Als Eschwege hessisch wurde, begann alsbald die Territorialhoheit des
Landesfürsten sich auszubilden, was anfangs bei den Freiheiten, welche die
Stadt genoß, nicht ohne gewaltsames Eingreifen geschah. So sehen wir um
1282 den landgräflichen Vogt Werner von Besse in offener Fehde mit der
Aebtissin auf dem Cyriaxberge, die er in ihren hoheitlichen Rechten bedrängte.
Unter die landesherrlichen Rechte gehörte damals vorzugsweise nur die He¬
gung des Gerichts, worauf aber die Stadtgemeinde durch ihre Consuln den
entschiedendsten Einfluß behauptete, dann militärische Besetzung der Stadt,
Heeresfolge und Beede; die Regalien des Zolls und der Münze blieben dem
Stifte. Dazu kam noch die Bestellung des Stadtrathes und als Landgraf
Hermann die bisherigen Freiheiten weiter antastete, empörte sich die Bürger¬
schaft und huldigte, wie wir sahen, dem Thüringer. Der Kaiserhof auf dem
Cyriaxberge mochte zerfallen sein und eine Feste hatte die Stadt noch nicht,
die selbst eine erweiterte Burg mit Mauern, Thürmen und Graben war.
1389 begann der neue Herr zu bauen, nachdem ihm die Bürgerschaft dazu
einen Platz überlassen und er versprach ihr, weil sie ihm erlaubt hätte, eine
Burg zu bauen, sie bei ihren Gnaden, Ehren, Würden, Freiheiten und
Rechten, die sie von Alters bei den Herren von Hessen gehabt, zu belassen,
sie nicht zu beschweren und ohne ihre ausdrückliche Genehmigung kein Gut
zu seiner Burg zu kaufen und an sich zu bringen*). Die fürstlichen Vögte
erhielten im Laufe der Zeit immer größeren Wirkungskreis, sowie die Be¬
sitzungen des Landgrafen von Hessen in dieser Gegend sich erweiterten, und
wurden zuletzt Landvögte der Landschaft an der Werra**).

Neben den Vögten und Amtleuten erschienen als landgräfliche Ministe¬
rialen zu Eschwege die Burgmänner, welche die militärische Besatzung der
Stadt waren, in ihren Burghäusern zerstreut in der Stadt umher, doch
meistens an und auf dem Cyriacusberge wohnten und eine geschlossene Cor¬
poration bildeten. Es gehörten dazu fast nur Rittergeschlechter, welche in
der Umgegend ansässig und begütert waren, z. B. die von der Ane, von
Beyneburg, von Buttlar, von Diebe, von Eschwege, von Hundelshausen,
von Hendel, von Leichberg, von Netra, von Völkershausen :e.

In dem alten Rechtsbuche der Stadt waren Statuten und Rechtsge¬
wohnheiten eingetragen. Der Eschweger Schöppenstuhl stand in Ansetzn und
es holten nicht selten dort als bei einem Oberhofe andere Gerichte sich Raths.

Die alte Mutterkirche ist Se. Dionysii am Markte, ein schönes Werk
gothischer Baukunst; 1340 wurden die Filialkirchen Se. Catharinae und Se.
Godoehardi auch zu Pfarrkirchen erhoben.




-) An der Stelle dieser Burg steht jetzt das fürstliche Schloß.
Allendorf, Altenstein, Witzenhausen, Ludwigstein, Rüderide, Bilstein, Germeride,
Eschwege, Wanfried, Bischhausen, Beyneburg, Waldcappel, Sontra, Vach, Kveuzburg und
die Herrschaft Schmalkalden u. a.
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[0331] Als Eschwege hessisch wurde, begann alsbald die Territorialhoheit des Landesfürsten sich auszubilden, was anfangs bei den Freiheiten, welche die Stadt genoß, nicht ohne gewaltsames Eingreifen geschah. So sehen wir um 1282 den landgräflichen Vogt Werner von Besse in offener Fehde mit der Aebtissin auf dem Cyriaxberge, die er in ihren hoheitlichen Rechten bedrängte. Unter die landesherrlichen Rechte gehörte damals vorzugsweise nur die He¬ gung des Gerichts, worauf aber die Stadtgemeinde durch ihre Consuln den entschiedendsten Einfluß behauptete, dann militärische Besetzung der Stadt, Heeresfolge und Beede; die Regalien des Zolls und der Münze blieben dem Stifte. Dazu kam noch die Bestellung des Stadtrathes und als Landgraf Hermann die bisherigen Freiheiten weiter antastete, empörte sich die Bürger¬ schaft und huldigte, wie wir sahen, dem Thüringer. Der Kaiserhof auf dem Cyriaxberge mochte zerfallen sein und eine Feste hatte die Stadt noch nicht, die selbst eine erweiterte Burg mit Mauern, Thürmen und Graben war. 1389 begann der neue Herr zu bauen, nachdem ihm die Bürgerschaft dazu einen Platz überlassen und er versprach ihr, weil sie ihm erlaubt hätte, eine Burg zu bauen, sie bei ihren Gnaden, Ehren, Würden, Freiheiten und Rechten, die sie von Alters bei den Herren von Hessen gehabt, zu belassen, sie nicht zu beschweren und ohne ihre ausdrückliche Genehmigung kein Gut zu seiner Burg zu kaufen und an sich zu bringen*). Die fürstlichen Vögte erhielten im Laufe der Zeit immer größeren Wirkungskreis, sowie die Be¬ sitzungen des Landgrafen von Hessen in dieser Gegend sich erweiterten, und wurden zuletzt Landvögte der Landschaft an der Werra**). Neben den Vögten und Amtleuten erschienen als landgräfliche Ministe¬ rialen zu Eschwege die Burgmänner, welche die militärische Besatzung der Stadt waren, in ihren Burghäusern zerstreut in der Stadt umher, doch meistens an und auf dem Cyriacusberge wohnten und eine geschlossene Cor¬ poration bildeten. Es gehörten dazu fast nur Rittergeschlechter, welche in der Umgegend ansässig und begütert waren, z. B. die von der Ane, von Beyneburg, von Buttlar, von Diebe, von Eschwege, von Hundelshausen, von Hendel, von Leichberg, von Netra, von Völkershausen :e. In dem alten Rechtsbuche der Stadt waren Statuten und Rechtsge¬ wohnheiten eingetragen. Der Eschweger Schöppenstuhl stand in Ansetzn und es holten nicht selten dort als bei einem Oberhofe andere Gerichte sich Raths. Die alte Mutterkirche ist Se. Dionysii am Markte, ein schönes Werk gothischer Baukunst; 1340 wurden die Filialkirchen Se. Catharinae und Se. Godoehardi auch zu Pfarrkirchen erhoben. -) An der Stelle dieser Burg steht jetzt das fürstliche Schloß. Allendorf, Altenstein, Witzenhausen, Ludwigstein, Rüderide, Bilstein, Germeride, Eschwege, Wanfried, Bischhausen, Beyneburg, Waldcappel, Sontra, Vach, Kveuzburg und die Herrschaft Schmalkalden u. a. 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/331>, abgerufen am 26.06.2024.