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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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zuckungen auszuruhen, einen Augenblick in das sanfte Helldunkel, womit
Cäsar de Cock das Publikum vor seiner "Waldgegend" fesselt. Es ergreift
uns in dieser heißen, staubigen Atmosphäre mit unendlichem Fernweh -- und
wir ersehnen das Fortunatshütlein, uns gleich dorthin zu wünschen: leider
müssen wir uns jedoch begnügen die Stufen dieser feinen grauen Töne, in die er
auch seine "Reisigpflückenden Frauen" gekleidet, erfrischt und dankbar wieder
und wieder zu verfolgen. Sein "Haidefeld" das hier und dort rosenroth er¬
glüht, weil es in Liebe und Blüthe steht, wie das glückliche Paar, das da¬
rin wandelt, setzt diesen beruhigenden Eindruck fort. Wir finden ihn noch
einmal in August Ortmann's prächtigem "Walddunkel", in welches uns die
mit smaragdgrünem Moos überzogenen Steinkissen, die mächtigen im Kaut-
reliek modellirten Stämme weiter und weiter verlocken möchten, zöge uns
nicht eben Paul Huck, der einen Gewittersturm über die Ruinen des Schlosses
von Pierrefonds hinwegführt, zu dessen Füßen ein Walddorf lagert, noch
mächtiger an. Er ist ein Athlet unter den Landschaftern, immer herculisch
und großartig, wenn er, wie nur zu selten geschieht, seinen Griffel zur Zeich¬
nung eines Epos ansetzt. Sein düstergrauer Sturm hallt dann noch in einem
frischen mächtigen Farbenecho wieder, da der dunkle bewegte Bergwald in
dem Scharlachrocke einer hübschen Dirne, die ihr weißes Tuch zum Schutz
gegen die Schlossen über den Kopf flattern läßt, und ihr Hündchen zur Eile
treibt, den glücklichsten Gegensatz findet. -- Und in dieser modernen Nachbar¬
schaft begegnen wir unserem entschiedenen Lieblinge Breton, sür den wir,
stolz genug, kein besseres Lob wissen, als dieß: er könnte ein Deutscher sein,
so rechtschaffen und gemüthvoll muthet uns Alles an, was er bringt, und
doch ist er in Kühnheit und Sicherheit gerade Franzose genug. Bald ist es
eine Schaar müder Mäherinnnen, die der Feldwächter von der Tagesarbeit
heim beruft, und die rasch gebückt, noch ein paar Aehren für sich auflesen, bald
sind es nur drei oder vier Gestalten die im Kleefelde beim Abendroth glück¬
bringende Vierblätter suchen; bald ein Mädchen im Mohnfelde, das mit Mut¬
tersinn die Brut in einem verlassenen Neste füttert. Auch er ist Realist --
aber ein echter! nur liegt sein Ideal nicht im Eccentrischen und Unerfa߬
baren, aber wo er verweilt, da ist gut sein. Wie keusch, wie frei von aller
Coquetterie spielt das Licht um seine Gestalten, die vielleicht eben deshalb,
wie von einer Glorie umflossen sind. Hier wird die Poesie Fülle der Wirk¬
lichkeit, lebendig wie vor dem Blicke des Sonntagkindes, und unsers alten
Meister's Dürer schönes Wort:" "Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur,
-- wer sie herausreißen kann, der hat sie", findet in Breton Bestätigung.
Diesmal gibt er zwei Bäuerinnen, die Erdäpfel aus einem staubigen Korbe
in einen Sack schütten. Ihr Anblick genügt, um uns mit Verdruß vor all
den pretensiösen Verbildungen und Farbenmarktschreiereien abzuwenden, die


zuckungen auszuruhen, einen Augenblick in das sanfte Helldunkel, womit
Cäsar de Cock das Publikum vor seiner „Waldgegend" fesselt. Es ergreift
uns in dieser heißen, staubigen Atmosphäre mit unendlichem Fernweh — und
wir ersehnen das Fortunatshütlein, uns gleich dorthin zu wünschen: leider
müssen wir uns jedoch begnügen die Stufen dieser feinen grauen Töne, in die er
auch seine „Reisigpflückenden Frauen" gekleidet, erfrischt und dankbar wieder
und wieder zu verfolgen. Sein „Haidefeld" das hier und dort rosenroth er¬
glüht, weil es in Liebe und Blüthe steht, wie das glückliche Paar, das da¬
rin wandelt, setzt diesen beruhigenden Eindruck fort. Wir finden ihn noch
einmal in August Ortmann's prächtigem „Walddunkel", in welches uns die
mit smaragdgrünem Moos überzogenen Steinkissen, die mächtigen im Kaut-
reliek modellirten Stämme weiter und weiter verlocken möchten, zöge uns
nicht eben Paul Huck, der einen Gewittersturm über die Ruinen des Schlosses
von Pierrefonds hinwegführt, zu dessen Füßen ein Walddorf lagert, noch
mächtiger an. Er ist ein Athlet unter den Landschaftern, immer herculisch
und großartig, wenn er, wie nur zu selten geschieht, seinen Griffel zur Zeich¬
nung eines Epos ansetzt. Sein düstergrauer Sturm hallt dann noch in einem
frischen mächtigen Farbenecho wieder, da der dunkle bewegte Bergwald in
dem Scharlachrocke einer hübschen Dirne, die ihr weißes Tuch zum Schutz
gegen die Schlossen über den Kopf flattern läßt, und ihr Hündchen zur Eile
treibt, den glücklichsten Gegensatz findet. — Und in dieser modernen Nachbar¬
schaft begegnen wir unserem entschiedenen Lieblinge Breton, sür den wir,
stolz genug, kein besseres Lob wissen, als dieß: er könnte ein Deutscher sein,
so rechtschaffen und gemüthvoll muthet uns Alles an, was er bringt, und
doch ist er in Kühnheit und Sicherheit gerade Franzose genug. Bald ist es
eine Schaar müder Mäherinnnen, die der Feldwächter von der Tagesarbeit
heim beruft, und die rasch gebückt, noch ein paar Aehren für sich auflesen, bald
sind es nur drei oder vier Gestalten die im Kleefelde beim Abendroth glück¬
bringende Vierblätter suchen; bald ein Mädchen im Mohnfelde, das mit Mut¬
tersinn die Brut in einem verlassenen Neste füttert. Auch er ist Realist —
aber ein echter! nur liegt sein Ideal nicht im Eccentrischen und Unerfa߬
baren, aber wo er verweilt, da ist gut sein. Wie keusch, wie frei von aller
Coquetterie spielt das Licht um seine Gestalten, die vielleicht eben deshalb,
wie von einer Glorie umflossen sind. Hier wird die Poesie Fülle der Wirk¬
lichkeit, lebendig wie vor dem Blicke des Sonntagkindes, und unsers alten
Meister's Dürer schönes Wort:" „Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur,
— wer sie herausreißen kann, der hat sie", findet in Breton Bestätigung.
Diesmal gibt er zwei Bäuerinnen, die Erdäpfel aus einem staubigen Korbe
in einen Sack schütten. Ihr Anblick genügt, um uns mit Verdruß vor all
den pretensiösen Verbildungen und Farbenmarktschreiereien abzuwenden, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/314>, abgerufen am 04.07.2024.