Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.Panorama auf seiner Leinwand schon deutlich wiedergespiegelt. Aber hinter Freilich aber liegt das Seltene in der Kunst nie im seltsamen! Das Panorama auf seiner Leinwand schon deutlich wiedergespiegelt. Aber hinter Freilich aber liegt das Seltene in der Kunst nie im seltsamen! Das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287021"/> <p xml:id="ID_782" prev="#ID_781"> Panorama auf seiner Leinwand schon deutlich wiedergespiegelt. Aber hinter<lb/> ihm auf dem Felsen kauert ein plumper und grausamer Kritiker, ein brauner<lb/> Petz, — „der mich zwei Stunden lang, unverrückt anstarrte, dann aber<lb/> brummend davon schlich, weil er mich offenbar nicht verstanden hatte." Frei¬<lb/> lich dünkt uns, die Kunst habe an der Wahrheit des Wahrscheinlichen noch<lb/> immer Stoff genug. Seine Dorfgeschichten, wie diesmal auch die „Abreise<lb/> der Conseribirten" erinnern in Eleganz des Stils an Auerbach, ohne jedoch<lb/> so oft ins Jdealisiren zu verfallen. Weiche aber streng correcte Linien, feine<lb/> Farbe, schöne Gruppen, endlich die Poesie seiner immer neuen, romantischen<lb/> und pittoresken Motive, fleißiges Naturstudium, welches ihm die Beherrschung<lb/> der Lichteffecte im höchsten Grade angeeignet hat, bedingen den Adel seiner<lb/> Gestalten. Ich erinnere nur an sein „liernles-vous im Mondlichte am Brun¬<lb/> nen", auf der Weltausstellung, an seinen „Mondschein im Walde von Fon¬<lb/> taineblau", den der Kaiser selbst erworben, endlich an seinen „Rennthier-<lb/> jciger bei Mondlichtschein in Lappland" die ihm früher die Medaille errun-<lb/> gen. Fast möchte ich ihm wegen Zartheit der Farbe. Eleganz der Pinsel-<lb/> führung und feiner geistreichen Composition Paul Leyendecker an die<lb/> Seite stellen, der ebenfalls deutschen Ursprungs, aber Schüler Gerüme's,<lb/> ein zwar noch junges Talent ist aber durch seine „Traumdeutung Josephs"<lb/> 1866 vortheilhaft debütirte. Er hat überdies den Tact, die Strengen durch<lb/> Wahl klassischer Süjets zufrieden zu stellen. Sein Genius gab ihm ein. den<lb/> Kallimachos zu malen, wie er über einen Gottesacker schreitend das erste<lb/> Modell des reichen und üppigen korinthischen Säulenknaufes in dem von<lb/> einer Felsplatte bedeckten Korbe findet, durch welchen schön geschweifte Akan-<lb/> thusblätter sich schlängeln, deren Ton mit dem intensiven Blaugrün des<lb/> Mantels, eine prächtige Farbensecunde angibt. — An diesem geschmackvoll<lb/> behandelten Anekdotenmotive zeigt sich, daß der Künstler sich nicht zu schä¬<lb/> men braucht, wenn er malt, was er schaut und erblickt, statt lediglich der<lb/> Intuition zu fröhnen- Das Auge in unmittelbarer Begegnung mit Wirk¬<lb/> lichem — das ist ja recht eigentlich der Künstler am Künstler.</p><lb/> <p xml:id="ID_783" next="#ID_784"> Freilich aber liegt das Seltene in der Kunst nie im seltsamen! Das<lb/> möchten wir vor Allem Herrn Gerüme zurufen, der hierin von seinem Schü¬<lb/> ler Maaß und richtige Wahl lernen sollte. Wir bestreiten ihm nach ästhe¬<lb/> tischem Gesetz ganz das Recht, uns die Schatten von Körpern, welche wir<lb/> nicht sehen, vorzuführen, um so mehr, wenn er einen Gegenstand, wie die<lb/> Kreuzigung berührt. In der That sehen wir, barock genug, rechts auf dem<lb/> Hügel Golgatha's drei phantastische Schattensilhouetten, die wir nach langem<lb/> Examen endlich als von den Kreuzen. welche die Missethäter neben dem Er¬<lb/> löser getragen,' herrührend erkennen müssen, die der Künstler aber in die<lb/> Phantasiewelt außerhalb des Bildrahmens verlegte. Dasselbe verfehlt, ein-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Panorama auf seiner Leinwand schon deutlich wiedergespiegelt. Aber hinter
ihm auf dem Felsen kauert ein plumper und grausamer Kritiker, ein brauner
Petz, — „der mich zwei Stunden lang, unverrückt anstarrte, dann aber
brummend davon schlich, weil er mich offenbar nicht verstanden hatte." Frei¬
lich dünkt uns, die Kunst habe an der Wahrheit des Wahrscheinlichen noch
immer Stoff genug. Seine Dorfgeschichten, wie diesmal auch die „Abreise
der Conseribirten" erinnern in Eleganz des Stils an Auerbach, ohne jedoch
so oft ins Jdealisiren zu verfallen. Weiche aber streng correcte Linien, feine
Farbe, schöne Gruppen, endlich die Poesie seiner immer neuen, romantischen
und pittoresken Motive, fleißiges Naturstudium, welches ihm die Beherrschung
der Lichteffecte im höchsten Grade angeeignet hat, bedingen den Adel seiner
Gestalten. Ich erinnere nur an sein „liernles-vous im Mondlichte am Brun¬
nen", auf der Weltausstellung, an seinen „Mondschein im Walde von Fon¬
taineblau", den der Kaiser selbst erworben, endlich an seinen „Rennthier-
jciger bei Mondlichtschein in Lappland" die ihm früher die Medaille errun-
gen. Fast möchte ich ihm wegen Zartheit der Farbe. Eleganz der Pinsel-
führung und feiner geistreichen Composition Paul Leyendecker an die
Seite stellen, der ebenfalls deutschen Ursprungs, aber Schüler Gerüme's,
ein zwar noch junges Talent ist aber durch seine „Traumdeutung Josephs"
1866 vortheilhaft debütirte. Er hat überdies den Tact, die Strengen durch
Wahl klassischer Süjets zufrieden zu stellen. Sein Genius gab ihm ein. den
Kallimachos zu malen, wie er über einen Gottesacker schreitend das erste
Modell des reichen und üppigen korinthischen Säulenknaufes in dem von
einer Felsplatte bedeckten Korbe findet, durch welchen schön geschweifte Akan-
thusblätter sich schlängeln, deren Ton mit dem intensiven Blaugrün des
Mantels, eine prächtige Farbensecunde angibt. — An diesem geschmackvoll
behandelten Anekdotenmotive zeigt sich, daß der Künstler sich nicht zu schä¬
men braucht, wenn er malt, was er schaut und erblickt, statt lediglich der
Intuition zu fröhnen- Das Auge in unmittelbarer Begegnung mit Wirk¬
lichem — das ist ja recht eigentlich der Künstler am Künstler.
Freilich aber liegt das Seltene in der Kunst nie im seltsamen! Das
möchten wir vor Allem Herrn Gerüme zurufen, der hierin von seinem Schü¬
ler Maaß und richtige Wahl lernen sollte. Wir bestreiten ihm nach ästhe¬
tischem Gesetz ganz das Recht, uns die Schatten von Körpern, welche wir
nicht sehen, vorzuführen, um so mehr, wenn er einen Gegenstand, wie die
Kreuzigung berührt. In der That sehen wir, barock genug, rechts auf dem
Hügel Golgatha's drei phantastische Schattensilhouetten, die wir nach langem
Examen endlich als von den Kreuzen. welche die Missethäter neben dem Er¬
löser getragen,' herrührend erkennen müssen, die der Künstler aber in die
Phantasiewelt außerhalb des Bildrahmens verlegte. Dasselbe verfehlt, ein-
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