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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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sein Fischreichthum macht ihn zum Paradies des parelischen Bauern, seine
Seehunde zum Lieblingsplatz des Jägers, der in Finnland immer mit dem
Ruder ebensogut umzugehen weiß, wie mit der Flinte -- der Schiffer lobt
ihn wegen seiner Tiefe und Reinheit. Trotzdem, daß dieser prächtige Binnen¬
see kaum 8 Meilen von der Seeküste entfernt ist und durch seinen Zusam¬
menhang mit dem gesammten Ennovesisystem dazu prädestinier erscheint, das
Herz des Landes mit der beutereichen Küste zu verbinden ist die Herstellung
eines Kanals erst im Jahre 1844 in Angriff genommen, erst 18S7 zum Ab¬
schluß gebracht worden. -- Sehr viel bekannter als dieser Kanal, dessen An¬
legung für die gewerbliche Entwickelung Finnlands eine neue Aera eröffnet hat,
ist der Katarakt des Woxen, zu dem alljährlich Tausende von nordischen
Reisenden wallfahrten, um ein Wasserschauspiel zu sehen, wie es selbst die
Schweiz nicht bietet. Der 32 Fuß breite Strom fällt in einer Breite von
30 Schritt und einer Länge von 2200 F., 94 F.. wobei er 33 Fuß senkrecht
stürzt. Dieser "Jmatra" bildet neben dem Satmasee den größten Stolz
Finnlands; der an seinen Ufern erbaute Gasthof ist Staatseigenthum und
wird vom finländischen Senat verpachtet. Der Pavillon, von dem aus das
merkwürdige Wasserschauspiel beobachtet wird, erhebt sich 100 Fuß über dem
Wasser.

Von den vier übrigen Seesystemen, die dem salina sämmtlich an Schön¬
heit und Wichtigkeit nachstehen, sind noch zwei mit dem Meere verbunden;
Pyhäjärwi, der durch den Kuno-Elf in den bottnischen Busen ausmündet,
und Päijänne durch den Kymmene-Eis mit dem finnischen Golf in Verbindung
gesetzt. Ueber diesen Kymmene-Eis hatte die russische Regierung während des
orientalischen Krieges eine riesige Floßbrücke geschlagen, welche den Truppen¬
transport erleichtern sollte; da das Land die Kosten der Erhaltung dieses Baues
nicht aufbringen konnte, dem Finländer Wasser überhaupt das liebste und ge¬
läufigste Element ist, ist derselbe in den letzten Jahren wieder abgetragen worden.

Fichtenwälder, Seen, Sümpfe, wellenförmige Hügel, mit erratischen
Blöcken übersäete Felsplateaus, die entweder völlig nackt daliegen oder mit
einer dünnen Erdschicht bedeckt sind, hatten wir als die Hauptmerkmale der
finnländischen Landschaft kennen gelernt. Zwischen ihnen zerstreut liegen
spärliche Kornfelder, magere Wiesen, welche sich nur für Wochen mit einer
mäßigen Vegetation bedecken und nur spärliche Viehzucht ermöglichen. In
diesem Lande, dessen Bestimmung Menschen zu dauerndem Aufenthalt zu
dienen von Alters her disputabel ist, leben 1"/, Millionen Finnen und
180,000 Schweden; jene bilden die ländliche Bevölkerung und einen Theil
des Bürgerstandes, diese den Adel, die Geistlichkeit und die hööhere Buor-
geoisie. Außerdem finden sich im hohen Norden einige Tausend Lappen. imSüden
eingewanderte Deutsche und Russen. Wenig mehr als der zehnte Theil der


sein Fischreichthum macht ihn zum Paradies des parelischen Bauern, seine
Seehunde zum Lieblingsplatz des Jägers, der in Finnland immer mit dem
Ruder ebensogut umzugehen weiß, wie mit der Flinte — der Schiffer lobt
ihn wegen seiner Tiefe und Reinheit. Trotzdem, daß dieser prächtige Binnen¬
see kaum 8 Meilen von der Seeküste entfernt ist und durch seinen Zusam¬
menhang mit dem gesammten Ennovesisystem dazu prädestinier erscheint, das
Herz des Landes mit der beutereichen Küste zu verbinden ist die Herstellung
eines Kanals erst im Jahre 1844 in Angriff genommen, erst 18S7 zum Ab¬
schluß gebracht worden. — Sehr viel bekannter als dieser Kanal, dessen An¬
legung für die gewerbliche Entwickelung Finnlands eine neue Aera eröffnet hat,
ist der Katarakt des Woxen, zu dem alljährlich Tausende von nordischen
Reisenden wallfahrten, um ein Wasserschauspiel zu sehen, wie es selbst die
Schweiz nicht bietet. Der 32 Fuß breite Strom fällt in einer Breite von
30 Schritt und einer Länge von 2200 F., 94 F.. wobei er 33 Fuß senkrecht
stürzt. Dieser „Jmatra" bildet neben dem Satmasee den größten Stolz
Finnlands; der an seinen Ufern erbaute Gasthof ist Staatseigenthum und
wird vom finländischen Senat verpachtet. Der Pavillon, von dem aus das
merkwürdige Wasserschauspiel beobachtet wird, erhebt sich 100 Fuß über dem
Wasser.

Von den vier übrigen Seesystemen, die dem salina sämmtlich an Schön¬
heit und Wichtigkeit nachstehen, sind noch zwei mit dem Meere verbunden;
Pyhäjärwi, der durch den Kuno-Elf in den bottnischen Busen ausmündet,
und Päijänne durch den Kymmene-Eis mit dem finnischen Golf in Verbindung
gesetzt. Ueber diesen Kymmene-Eis hatte die russische Regierung während des
orientalischen Krieges eine riesige Floßbrücke geschlagen, welche den Truppen¬
transport erleichtern sollte; da das Land die Kosten der Erhaltung dieses Baues
nicht aufbringen konnte, dem Finländer Wasser überhaupt das liebste und ge¬
läufigste Element ist, ist derselbe in den letzten Jahren wieder abgetragen worden.

Fichtenwälder, Seen, Sümpfe, wellenförmige Hügel, mit erratischen
Blöcken übersäete Felsplateaus, die entweder völlig nackt daliegen oder mit
einer dünnen Erdschicht bedeckt sind, hatten wir als die Hauptmerkmale der
finnländischen Landschaft kennen gelernt. Zwischen ihnen zerstreut liegen
spärliche Kornfelder, magere Wiesen, welche sich nur für Wochen mit einer
mäßigen Vegetation bedecken und nur spärliche Viehzucht ermöglichen. In
diesem Lande, dessen Bestimmung Menschen zu dauerndem Aufenthalt zu
dienen von Alters her disputabel ist, leben 1»/, Millionen Finnen und
180,000 Schweden; jene bilden die ländliche Bevölkerung und einen Theil
des Bürgerstandes, diese den Adel, die Geistlichkeit und die hööhere Buor-
geoisie. Außerdem finden sich im hohen Norden einige Tausend Lappen. imSüden
eingewanderte Deutsche und Russen. Wenig mehr als der zehnte Theil der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/243>, abgerufen am 02.07.2024.