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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Das Land trägt fast ausnahmslos den Charakter einer felsigen Hoch¬
ebene, die mit granitnen, wellenförmig gestalteten Rundhöckern bedeckt ist;
der felsige Untergrund tritt entweder nackt zu Tage, oder er ist mit einer
Sandschicht überzogen, welche kaum tief genug ist, um die Nadelhölzer zu
nähren, welche rings das Land bedecken, hie und da durch freundlichere, hell¬
schimmernde Birken unterbrochen. Mag der Reisende von Osten nach Westen,
oder von Süden nach Norden seinen Weg nehmen, der Charakter der Land¬
schaft bleibt wesentlich derselbe; allenthalben wechseln waldbedeckte Höhenzüge,
die sich nirgend zu eigentlichen Gebirgen erheben, mit Hochebenen, über welchen
riesenhafte erratische Felsblöcke, nicht selten die Höhe mehrerer Stockwerke
erreichend, wechseln -- diese den Vorder-, jene den Hintergrund des Bildes
bildend. In der Mitte des Landes erhebt sich der s. g. Landesrücken, ein
Höhenzug. der sich von Lappland her nach Süden erstreckt, bald die Grenze
gegen die benachbarten russischen Gouvernements bildend, bald den 45° nördl.
Breite (die Landesmitte) berührend: seine höchste Erhebung beträgt noch nicht
600 Fuß, durchschnittlich begnügt es sich damit, bis zu 300 Fuß anzusteigen.
Von Wichtigkeit ist dieser Höhenzug durch seine südwärts gesendeten Zweige,
welche die Grenzscheide der fünf großen finnländischen See- und Wasfersysteme
bilden. Das wichtigste derselben liegt im Osten und besteht aus den Haupt¬
heer Ennovesi und salina, welche mit ungezählten kleineren Binnenwassern
in Verbindung stehen; nach Osten hin ist der Saimasee durch den sich zum
weltberühmten Jmatra-Wasserfall ausbreitenden Woxen mit dem Ladogasee
verbunden, nach Süden durch den vor etwa 12 Jahren fertig gewordenen
Saimakanal mit dem höllischen Meerbusen. Anfang und Ende dieses Kanals
sind durch zwei Städte bezeichnet. Wiborg und Willmannsstrandt.

Der Saimasee ist die Lieblingsstätte der finnischen Poesie, und ebenso vielfach
besungen und beschrieben, wieder Lago maggiore oder der Lac Lemar. Einen
Flächenraum von 33 Quadratmeilen bedeckend, 240 Fuß über dem Meeres¬
spiegel belegen, vereinigt er all' die wilden Reize, welche im Norden die
landwirthschaftliche Schönheit ausmachen. Seine Ufer geben an Unregelmä¬
ßigkeit und Zerrissenheit den romantischesten Parthien des finnischen Meerbu¬
sens nichts nach, die Scheeren. welche aus seiner klaren Fluth herausragen,
blicken ebenso wild und düster drein, wie die Klippen von Sweaborg oder
Stockholm, der weiße Stamm der Birke, über welche sich im Sommer ein
lichtgrüner Blätterschleier ausbreitet, kann im Hain Odins nicht lieblicher
glänzen, wie am Ufer dieses inselreichen Sees; die erratischen Blöcke, welche
hier von gigantischer Faust über einander gehäuft sind, übertreffen selbst die
mächtigen Granitriesen zwischen Wiborg und Jmatra, obgleich schon diese
die Trovantigruppen von Wallis und Solothurn um ein Beträchtliches über¬
ragen. Und damit sind die Reize dieses Zaubersees noch nicht erschöpft;


Das Land trägt fast ausnahmslos den Charakter einer felsigen Hoch¬
ebene, die mit granitnen, wellenförmig gestalteten Rundhöckern bedeckt ist;
der felsige Untergrund tritt entweder nackt zu Tage, oder er ist mit einer
Sandschicht überzogen, welche kaum tief genug ist, um die Nadelhölzer zu
nähren, welche rings das Land bedecken, hie und da durch freundlichere, hell¬
schimmernde Birken unterbrochen. Mag der Reisende von Osten nach Westen,
oder von Süden nach Norden seinen Weg nehmen, der Charakter der Land¬
schaft bleibt wesentlich derselbe; allenthalben wechseln waldbedeckte Höhenzüge,
die sich nirgend zu eigentlichen Gebirgen erheben, mit Hochebenen, über welchen
riesenhafte erratische Felsblöcke, nicht selten die Höhe mehrerer Stockwerke
erreichend, wechseln — diese den Vorder-, jene den Hintergrund des Bildes
bildend. In der Mitte des Landes erhebt sich der s. g. Landesrücken, ein
Höhenzug. der sich von Lappland her nach Süden erstreckt, bald die Grenze
gegen die benachbarten russischen Gouvernements bildend, bald den 45° nördl.
Breite (die Landesmitte) berührend: seine höchste Erhebung beträgt noch nicht
600 Fuß, durchschnittlich begnügt es sich damit, bis zu 300 Fuß anzusteigen.
Von Wichtigkeit ist dieser Höhenzug durch seine südwärts gesendeten Zweige,
welche die Grenzscheide der fünf großen finnländischen See- und Wasfersysteme
bilden. Das wichtigste derselben liegt im Osten und besteht aus den Haupt¬
heer Ennovesi und salina, welche mit ungezählten kleineren Binnenwassern
in Verbindung stehen; nach Osten hin ist der Saimasee durch den sich zum
weltberühmten Jmatra-Wasserfall ausbreitenden Woxen mit dem Ladogasee
verbunden, nach Süden durch den vor etwa 12 Jahren fertig gewordenen
Saimakanal mit dem höllischen Meerbusen. Anfang und Ende dieses Kanals
sind durch zwei Städte bezeichnet. Wiborg und Willmannsstrandt.

Der Saimasee ist die Lieblingsstätte der finnischen Poesie, und ebenso vielfach
besungen und beschrieben, wieder Lago maggiore oder der Lac Lemar. Einen
Flächenraum von 33 Quadratmeilen bedeckend, 240 Fuß über dem Meeres¬
spiegel belegen, vereinigt er all' die wilden Reize, welche im Norden die
landwirthschaftliche Schönheit ausmachen. Seine Ufer geben an Unregelmä¬
ßigkeit und Zerrissenheit den romantischesten Parthien des finnischen Meerbu¬
sens nichts nach, die Scheeren. welche aus seiner klaren Fluth herausragen,
blicken ebenso wild und düster drein, wie die Klippen von Sweaborg oder
Stockholm, der weiße Stamm der Birke, über welche sich im Sommer ein
lichtgrüner Blätterschleier ausbreitet, kann im Hain Odins nicht lieblicher
glänzen, wie am Ufer dieses inselreichen Sees; die erratischen Blöcke, welche
hier von gigantischer Faust über einander gehäuft sind, übertreffen selbst die
mächtigen Granitriesen zwischen Wiborg und Jmatra, obgleich schon diese
die Trovantigruppen von Wallis und Solothurn um ein Beträchtliches über¬
ragen. Und damit sind die Reize dieses Zaubersees noch nicht erschöpft;


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[0242] Das Land trägt fast ausnahmslos den Charakter einer felsigen Hoch¬ ebene, die mit granitnen, wellenförmig gestalteten Rundhöckern bedeckt ist; der felsige Untergrund tritt entweder nackt zu Tage, oder er ist mit einer Sandschicht überzogen, welche kaum tief genug ist, um die Nadelhölzer zu nähren, welche rings das Land bedecken, hie und da durch freundlichere, hell¬ schimmernde Birken unterbrochen. Mag der Reisende von Osten nach Westen, oder von Süden nach Norden seinen Weg nehmen, der Charakter der Land¬ schaft bleibt wesentlich derselbe; allenthalben wechseln waldbedeckte Höhenzüge, die sich nirgend zu eigentlichen Gebirgen erheben, mit Hochebenen, über welchen riesenhafte erratische Felsblöcke, nicht selten die Höhe mehrerer Stockwerke erreichend, wechseln — diese den Vorder-, jene den Hintergrund des Bildes bildend. In der Mitte des Landes erhebt sich der s. g. Landesrücken, ein Höhenzug. der sich von Lappland her nach Süden erstreckt, bald die Grenze gegen die benachbarten russischen Gouvernements bildend, bald den 45° nördl. Breite (die Landesmitte) berührend: seine höchste Erhebung beträgt noch nicht 600 Fuß, durchschnittlich begnügt es sich damit, bis zu 300 Fuß anzusteigen. Von Wichtigkeit ist dieser Höhenzug durch seine südwärts gesendeten Zweige, welche die Grenzscheide der fünf großen finnländischen See- und Wasfersysteme bilden. Das wichtigste derselben liegt im Osten und besteht aus den Haupt¬ heer Ennovesi und salina, welche mit ungezählten kleineren Binnenwassern in Verbindung stehen; nach Osten hin ist der Saimasee durch den sich zum weltberühmten Jmatra-Wasserfall ausbreitenden Woxen mit dem Ladogasee verbunden, nach Süden durch den vor etwa 12 Jahren fertig gewordenen Saimakanal mit dem höllischen Meerbusen. Anfang und Ende dieses Kanals sind durch zwei Städte bezeichnet. Wiborg und Willmannsstrandt. Der Saimasee ist die Lieblingsstätte der finnischen Poesie, und ebenso vielfach besungen und beschrieben, wieder Lago maggiore oder der Lac Lemar. Einen Flächenraum von 33 Quadratmeilen bedeckend, 240 Fuß über dem Meeres¬ spiegel belegen, vereinigt er all' die wilden Reize, welche im Norden die landwirthschaftliche Schönheit ausmachen. Seine Ufer geben an Unregelmä¬ ßigkeit und Zerrissenheit den romantischesten Parthien des finnischen Meerbu¬ sens nichts nach, die Scheeren. welche aus seiner klaren Fluth herausragen, blicken ebenso wild und düster drein, wie die Klippen von Sweaborg oder Stockholm, der weiße Stamm der Birke, über welche sich im Sommer ein lichtgrüner Blätterschleier ausbreitet, kann im Hain Odins nicht lieblicher glänzen, wie am Ufer dieses inselreichen Sees; die erratischen Blöcke, welche hier von gigantischer Faust über einander gehäuft sind, übertreffen selbst die mächtigen Granitriesen zwischen Wiborg und Jmatra, obgleich schon diese die Trovantigruppen von Wallis und Solothurn um ein Beträchtliches über¬ ragen. Und damit sind die Reize dieses Zaubersees noch nicht erschöpft;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/242>, abgerufen am 02.07.2024.