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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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umgekehrt die großen Schiffe durch ihre Schnelligkeit und die Fähigkeit, ihre
GeschüKe auch bei Seegang ruhig zu bedienen, entschieden das Uebergewicht
hatten und die Kanonenboote an den Küsten fest legten. Anders ist es bei
einem Angriff feindlicher Schiffe auf unserm rügenschen Binnengewässer oder
unsern Nordseeküsten, namentlich wenn die Kanonenboote von Offizieren geführt
werden, die seit den neuerdings ausgeführten Vermessungen an dieser Küste
eine vollkommene Kenntniß aller jener vielverschlungenen Canäle haben, welche
sich zwischen den Inseln, dem Festlande und den für den Feind so gefähr¬
lichen Sandbänken hinziehen. Hier gilt immer noch, was man früher an den
Kanonenbooten gerühmt hat: da, wo es sich um die genaue Kenntniß des
Eintritts von Ebbe und Fluth handelt oder um die Benutzung der tieferen
Rillen wird selbst der beste feindliche Seeoffizier bei aller Vorsicht seine leich¬
testen Schiffe oft aufsitzen und dem Vertheidiger zur Beute werden sehen.
Die deutschen Kanonenboote aber, bei Fluth über die Bänke wegdampfend,
bei Ebbe sich in die tieferen Canäle zurückziehend werden ihm dermaßen zu thun
machen, daß er von dem Gedanken ablassen muß, seine eigentlichen Landungs¬
boote auszusetzen. Ueberdies ist der Feind gezwungen, nur bei Fluthzeit zu
operiren: sobald die Ebbe eintritt, haben seine Operationen ein Ende und
etwa gekantete Truppen würden von seiner Flotte abgeschnitten sein. Gute
mit schweren gezogenen Geschützen bewaffnete Kanonenboote können selbst der
außenliegenden Flotte manchen Schaden thun.

Man denke sich z. B. eine feindliche Fregatte, oder wenn die Ka¬
nonenboote je einen 300Pfünder führen, selbst ein Panzerschiff, von mehreren
Kanonenbooten angegriffen. Die schwere Fregatte bietet eine große, leicht zu
treffende Zielscheibe dar, während ihre Gegner mit dem niedrigen Rumpfe
schwer zu treffen sind, wenn sie sich in gehöriger Distanz halten: das Feuer
des großen Schiffs ist excentrisch, während das seiner Gegner concentrisch ist
und leicht wird es dem letzteren möglich sein, ein paar Granaten in der
Wasserlinie so richtig anzubringen, daß das große Schiff gezwungen ist,
den Kampf aufzugeben. Das beste praktische Beispiel hierfür liefert das See¬
gefecht von Helgoland aus dem Jahre 1864. wo unsere Kanonenboote "Blitz"
und "Basilisk" ohne Schaden zu nehmen die dänischen Schiffe beschossen und
mit ihren Sprenggeschossen die beiden dänischen 44Kanonenfregatten "Ricks
Incl" und "Jylland" (Jütland) so beschädigten, daß die erstere den Kampf
ganz abbrechen mußte. Vor allen Dingen ist aber für diese Aufgabe bet der
Küstenvertheidigung. Panzerschiffen gegenüber, ein ganz schweres Kaliber nö¬
thig. Neuerdings hat man in England ein kleines Kanonenboot, die
"Staunch", gebaut, das im Bug einen 300-Pfänder trägt und bei seiner
niedrigen Lage über Wasser, obwohl es nicht gepanzert ist, dennoch Panzer¬
schiffen sehr gefährlich werden kann. Während wir für den auswärtigen


umgekehrt die großen Schiffe durch ihre Schnelligkeit und die Fähigkeit, ihre
GeschüKe auch bei Seegang ruhig zu bedienen, entschieden das Uebergewicht
hatten und die Kanonenboote an den Küsten fest legten. Anders ist es bei
einem Angriff feindlicher Schiffe auf unserm rügenschen Binnengewässer oder
unsern Nordseeküsten, namentlich wenn die Kanonenboote von Offizieren geführt
werden, die seit den neuerdings ausgeführten Vermessungen an dieser Küste
eine vollkommene Kenntniß aller jener vielverschlungenen Canäle haben, welche
sich zwischen den Inseln, dem Festlande und den für den Feind so gefähr¬
lichen Sandbänken hinziehen. Hier gilt immer noch, was man früher an den
Kanonenbooten gerühmt hat: da, wo es sich um die genaue Kenntniß des
Eintritts von Ebbe und Fluth handelt oder um die Benutzung der tieferen
Rillen wird selbst der beste feindliche Seeoffizier bei aller Vorsicht seine leich¬
testen Schiffe oft aufsitzen und dem Vertheidiger zur Beute werden sehen.
Die deutschen Kanonenboote aber, bei Fluth über die Bänke wegdampfend,
bei Ebbe sich in die tieferen Canäle zurückziehend werden ihm dermaßen zu thun
machen, daß er von dem Gedanken ablassen muß, seine eigentlichen Landungs¬
boote auszusetzen. Ueberdies ist der Feind gezwungen, nur bei Fluthzeit zu
operiren: sobald die Ebbe eintritt, haben seine Operationen ein Ende und
etwa gekantete Truppen würden von seiner Flotte abgeschnitten sein. Gute
mit schweren gezogenen Geschützen bewaffnete Kanonenboote können selbst der
außenliegenden Flotte manchen Schaden thun.

Man denke sich z. B. eine feindliche Fregatte, oder wenn die Ka¬
nonenboote je einen 300Pfünder führen, selbst ein Panzerschiff, von mehreren
Kanonenbooten angegriffen. Die schwere Fregatte bietet eine große, leicht zu
treffende Zielscheibe dar, während ihre Gegner mit dem niedrigen Rumpfe
schwer zu treffen sind, wenn sie sich in gehöriger Distanz halten: das Feuer
des großen Schiffs ist excentrisch, während das seiner Gegner concentrisch ist
und leicht wird es dem letzteren möglich sein, ein paar Granaten in der
Wasserlinie so richtig anzubringen, daß das große Schiff gezwungen ist,
den Kampf aufzugeben. Das beste praktische Beispiel hierfür liefert das See¬
gefecht von Helgoland aus dem Jahre 1864. wo unsere Kanonenboote „Blitz"
und „Basilisk" ohne Schaden zu nehmen die dänischen Schiffe beschossen und
mit ihren Sprenggeschossen die beiden dänischen 44Kanonenfregatten „Ricks
Incl" und „Jylland" (Jütland) so beschädigten, daß die erstere den Kampf
ganz abbrechen mußte. Vor allen Dingen ist aber für diese Aufgabe bet der
Küstenvertheidigung. Panzerschiffen gegenüber, ein ganz schweres Kaliber nö¬
thig. Neuerdings hat man in England ein kleines Kanonenboot, die
„Staunch", gebaut, das im Bug einen 300-Pfänder trägt und bei seiner
niedrigen Lage über Wasser, obwohl es nicht gepanzert ist, dennoch Panzer¬
schiffen sehr gefährlich werden kann. Während wir für den auswärtigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/24>, abgerufen am 30.06.2024.