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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Bundesversammlung selbst niedergesetzt und am 12. April 1862 nach Ham¬
burg berufen, um als Speeialcommission eine nochmalige Prüfung der ge¬
nannten Vorschläge vorzunehmen. Obgleich diese Arbeiten ein reiches Material
zur Beurtheilung aller auf die Küstenvertheidigung und speciell die Küsten¬
befestigung bezüglichen Verhältnisse lieferten, so konnte die Verwirklichung
der aufgestellten Projecte doch nicht erzielt werden, da die Verhandlungen
der Speeialcommission sehr bald den Boden der rein militärischen Suppo-
sitionen verließen und die Seperatinteressen einzelner Küstenstaaten in den
Vordergrund zogen.

So strebte namentlich Hannover dahin, den von ihm mit schwerem Gelde
künstlich geschaffenen, aber wegen der geringen Tiefe, der Verschlickung und
der gewundenen Eingangsschleuse zum Kriegshafen für schwere Schiffe doch
nicht geeigneten Hafen Geestemünde zum Bundeskriegshafen der Nordsee zu
machen und sich die 1'/- Millionen zur Einrichtung desselben von Bundeswegen
zusichern zu lassen. Die Mehrheit der Regierungen war, aus Besorgniß
vor preußischen "Machtgelüsten" diesen Wünschen geneigt, obgleich Preußen
seinen Kriegshafen an der Jahde, der von allen genannten Mängeln frei ist,
und dessen Vollendung damals für das Jahr 1864 in Aussicht stand, mit
weit geringeren Kosten anbot. Es geschah das zu derselben Zeit, wo man über
die Erbauung eines Werkes bei der Jungfernbrücke in der Wesermündung
(für S--600.000 Thlr.) und ebenso über Aufstellung einer Nordseeflotille von
6 Panzerfahrzeugen und 3 Kanonenbooten nur mit Mühe schlüssig geworden
war und verfügt hatte. daß die Ostseeflottille nur 2 Panzerfahrzeuge erhalten
sollte. Früher, vor dem Aufkommen der Panzerschiffe hatte man, wie wir in
einem früheren Artikel erwähnten, sogar nur hölzerne Schraubenkanonenboote
erbauen wollen, 70 für die Ostsee (davon 20 für die preußische, 40 für die pom-
mersche, 10 für die mecklenburgische und Mische Küste) und 40 mit 2000 Mann
Besatzung für die Nordsee (10 für die Elbe, 10 für die Weser, 15 für die
Jahde, 6 für den Dollart d. h. Emden). und zwar 10 solche zu 3, 20 zu 2,
10 zu 1 Geschütz, letztere bei 4 Fuß Tiefgang, während von der Gesammtzcchl,
110, überhaupt 20 Boote je 3 Geschütze, 30 je 2 Geschütze, 40 je 1 Geschütz
führen und bei einer Gesammtstärkevon 200Geschützen 3 Mill. Thlr. kosten sollten.
Nun hat sich zwar seitdem und namentlich im letzten dänischen Kriege gezeigt
daß Kanonenboote dieser Art nicht so viel Schnelligkeit und Fähigkeit zu Offen¬
sivstößen haben, als man früher annahm, aber wir glauben doch, daß man
gegenwärtig den Werth dieser Fahrzeuge im allgemeinen zu sehr unter¬
schätzt. Gerade auf ihrem eigentlichen Terrain, in den Watten der deutschen
Nordseeküsten mit ihrer wechselnden und stets geringen Wassertiefe, werden
sie gegenüber tiefer gehenden Schiffen eine große Ueberlegenheit zeigen, wäh¬
rend im letzten dänischen Kriege, der nur Actionen in tiefem Fahrwasser bot.


Bundesversammlung selbst niedergesetzt und am 12. April 1862 nach Ham¬
burg berufen, um als Speeialcommission eine nochmalige Prüfung der ge¬
nannten Vorschläge vorzunehmen. Obgleich diese Arbeiten ein reiches Material
zur Beurtheilung aller auf die Küstenvertheidigung und speciell die Küsten¬
befestigung bezüglichen Verhältnisse lieferten, so konnte die Verwirklichung
der aufgestellten Projecte doch nicht erzielt werden, da die Verhandlungen
der Speeialcommission sehr bald den Boden der rein militärischen Suppo-
sitionen verließen und die Seperatinteressen einzelner Küstenstaaten in den
Vordergrund zogen.

So strebte namentlich Hannover dahin, den von ihm mit schwerem Gelde
künstlich geschaffenen, aber wegen der geringen Tiefe, der Verschlickung und
der gewundenen Eingangsschleuse zum Kriegshafen für schwere Schiffe doch
nicht geeigneten Hafen Geestemünde zum Bundeskriegshafen der Nordsee zu
machen und sich die 1'/- Millionen zur Einrichtung desselben von Bundeswegen
zusichern zu lassen. Die Mehrheit der Regierungen war, aus Besorgniß
vor preußischen „Machtgelüsten" diesen Wünschen geneigt, obgleich Preußen
seinen Kriegshafen an der Jahde, der von allen genannten Mängeln frei ist,
und dessen Vollendung damals für das Jahr 1864 in Aussicht stand, mit
weit geringeren Kosten anbot. Es geschah das zu derselben Zeit, wo man über
die Erbauung eines Werkes bei der Jungfernbrücke in der Wesermündung
(für S—600.000 Thlr.) und ebenso über Aufstellung einer Nordseeflotille von
6 Panzerfahrzeugen und 3 Kanonenbooten nur mit Mühe schlüssig geworden
war und verfügt hatte. daß die Ostseeflottille nur 2 Panzerfahrzeuge erhalten
sollte. Früher, vor dem Aufkommen der Panzerschiffe hatte man, wie wir in
einem früheren Artikel erwähnten, sogar nur hölzerne Schraubenkanonenboote
erbauen wollen, 70 für die Ostsee (davon 20 für die preußische, 40 für die pom-
mersche, 10 für die mecklenburgische und Mische Küste) und 40 mit 2000 Mann
Besatzung für die Nordsee (10 für die Elbe, 10 für die Weser, 15 für die
Jahde, 6 für den Dollart d. h. Emden). und zwar 10 solche zu 3, 20 zu 2,
10 zu 1 Geschütz, letztere bei 4 Fuß Tiefgang, während von der Gesammtzcchl,
110, überhaupt 20 Boote je 3 Geschütze, 30 je 2 Geschütze, 40 je 1 Geschütz
führen und bei einer Gesammtstärkevon 200Geschützen 3 Mill. Thlr. kosten sollten.
Nun hat sich zwar seitdem und namentlich im letzten dänischen Kriege gezeigt
daß Kanonenboote dieser Art nicht so viel Schnelligkeit und Fähigkeit zu Offen¬
sivstößen haben, als man früher annahm, aber wir glauben doch, daß man
gegenwärtig den Werth dieser Fahrzeuge im allgemeinen zu sehr unter¬
schätzt. Gerade auf ihrem eigentlichen Terrain, in den Watten der deutschen
Nordseeküsten mit ihrer wechselnden und stets geringen Wassertiefe, werden
sie gegenüber tiefer gehenden Schiffen eine große Ueberlegenheit zeigen, wäh¬
rend im letzten dänischen Kriege, der nur Actionen in tiefem Fahrwasser bot.


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[0023] Bundesversammlung selbst niedergesetzt und am 12. April 1862 nach Ham¬ burg berufen, um als Speeialcommission eine nochmalige Prüfung der ge¬ nannten Vorschläge vorzunehmen. Obgleich diese Arbeiten ein reiches Material zur Beurtheilung aller auf die Küstenvertheidigung und speciell die Küsten¬ befestigung bezüglichen Verhältnisse lieferten, so konnte die Verwirklichung der aufgestellten Projecte doch nicht erzielt werden, da die Verhandlungen der Speeialcommission sehr bald den Boden der rein militärischen Suppo- sitionen verließen und die Seperatinteressen einzelner Küstenstaaten in den Vordergrund zogen. So strebte namentlich Hannover dahin, den von ihm mit schwerem Gelde künstlich geschaffenen, aber wegen der geringen Tiefe, der Verschlickung und der gewundenen Eingangsschleuse zum Kriegshafen für schwere Schiffe doch nicht geeigneten Hafen Geestemünde zum Bundeskriegshafen der Nordsee zu machen und sich die 1'/- Millionen zur Einrichtung desselben von Bundeswegen zusichern zu lassen. Die Mehrheit der Regierungen war, aus Besorgniß vor preußischen „Machtgelüsten" diesen Wünschen geneigt, obgleich Preußen seinen Kriegshafen an der Jahde, der von allen genannten Mängeln frei ist, und dessen Vollendung damals für das Jahr 1864 in Aussicht stand, mit weit geringeren Kosten anbot. Es geschah das zu derselben Zeit, wo man über die Erbauung eines Werkes bei der Jungfernbrücke in der Wesermündung (für S—600.000 Thlr.) und ebenso über Aufstellung einer Nordseeflotille von 6 Panzerfahrzeugen und 3 Kanonenbooten nur mit Mühe schlüssig geworden war und verfügt hatte. daß die Ostseeflottille nur 2 Panzerfahrzeuge erhalten sollte. Früher, vor dem Aufkommen der Panzerschiffe hatte man, wie wir in einem früheren Artikel erwähnten, sogar nur hölzerne Schraubenkanonenboote erbauen wollen, 70 für die Ostsee (davon 20 für die preußische, 40 für die pom- mersche, 10 für die mecklenburgische und Mische Küste) und 40 mit 2000 Mann Besatzung für die Nordsee (10 für die Elbe, 10 für die Weser, 15 für die Jahde, 6 für den Dollart d. h. Emden). und zwar 10 solche zu 3, 20 zu 2, 10 zu 1 Geschütz, letztere bei 4 Fuß Tiefgang, während von der Gesammtzcchl, 110, überhaupt 20 Boote je 3 Geschütze, 30 je 2 Geschütze, 40 je 1 Geschütz führen und bei einer Gesammtstärkevon 200Geschützen 3 Mill. Thlr. kosten sollten. Nun hat sich zwar seitdem und namentlich im letzten dänischen Kriege gezeigt daß Kanonenboote dieser Art nicht so viel Schnelligkeit und Fähigkeit zu Offen¬ sivstößen haben, als man früher annahm, aber wir glauben doch, daß man gegenwärtig den Werth dieser Fahrzeuge im allgemeinen zu sehr unter¬ schätzt. Gerade auf ihrem eigentlichen Terrain, in den Watten der deutschen Nordseeküsten mit ihrer wechselnden und stets geringen Wassertiefe, werden sie gegenüber tiefer gehenden Schiffen eine große Ueberlegenheit zeigen, wäh¬ rend im letzten dänischen Kriege, der nur Actionen in tiefem Fahrwasser bot.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/23>, abgerufen am 30.06.2024.