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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Finnland und die Finnländer.
I.

Sieben Millionen finnländischer Tonnen mit Seen, 25 Millionen Ton¬
nen mit Sümpfen und niedrigem Walde bedeckt -- noch nicht 4^ Millio¬
nen Tonnen Wiesen und Ackerland! Diese Ziffern, welche sich in jedem Con-
versationslexion finden und doch nur wenig bekannt sind, enthalten die Grund¬
züge der Charakteristik Finnlands, eines fast sieben Tausend Quadratmeilen
großen, zwischen dem 60 und 70° nördlicher Breite und 39 und 50° östlicher
Länge belegenen Landes, dessen Name im westlichen Europa so selten ge¬
nannt wird, daß er für die Mehrzahl unserer Leser kaum mit einem bestimm¬
ten Begriff verbunden sein wird. Selbst der Allwissenheit der europäischen
Zeitungsliteratur, welche den Anspruch erhebt, von Allem irgend Wichtigen
und Menschenwürdigen Kunde zu bringen, scheint die stille Abgeschiedenheit
dieses nordischen Landes zu spotten; aus Finnland wird höchstens alle paar Jahr
berichtet, daß eine allgemeine Mißerndte die spärliche Bevölkerung zu dectmiren
drohe -- während der letzten sechs Jahren hat es außerdem zweimal geheißen,
der Landtag sei eröffnet und nach einiger Zeit wieder geschlossen worden.
Nur in den skandinavischen Ländern weiß man besser Bescheid; der Däne
oder Schwede, der von dem nordischen Einheitsstaat der Zukunft schwärmt,
hat stets einen Seufzer für das verlorene Großfürstenthum am bottnischen
Meerbusen übrig und die Zeitungsblätter von Stockholm, Kopenhagen und
Upsala verfolgen den Entwickelungsgang der Dinge in Helsingfors und Abo
mit einem Eifer, der selbst der Begeisterung spottet, mit welcher die Deut¬
schen der 40er und 50er Jahre den Geschicken des "verlassenen Bruderstam¬
mes" nördlich von der Elbe zusahen. Finnland repräsentirt die Ostmark der
scandinavischen Welt, wie das Ostseeland die der Deutschen Culturwelt, nur


ren Anikel): Dagegen genügt die relative Sicherung auch jetzt nach diesen Versuchen noch
immer vollkommen. Abgesehen davon, daß es bisjetzt noch kein Schiff gibt, welches gezogene
K00Plunder zu tragen vermöchte, daß also fremden Panzerschiffen gegenüber auch die eng.
lischen Forts fast absolut und unverwundbar sind, so ist vor Allem das Verhältniß der
Distanz zu beachten. Und da finde" wir. daß bei jenen Versuchen die Zertrümmerung der
Platte auf nur 200 Yards (300 Schritt) erfolgte: bei 800 Yards würde selbst der K00
Pfünder nicht im Stande sein, jene Platten erheblich zu beschädigen, und auf eine Entfer¬
nung, wie sie beim Seegefecht von Rügen beibehalten wurde, sind unsere sämmtlichen Panzer¬
schiffe als völlig schußfest zu betrachten, sodaß die in der Presse mehrfach auftauchenden
Zweifel an der Nützlichkeit der Panzerung überhaupt unbegründet sind. Ein Panzerschiff, das
wie die unsrigen schnell genug ist. um stets vom Gegner in der wünschenswerthen Distanz
bleiben zu können, wird immer im Stande sein die feindlichen Holzschiffe und schwach ge-
panzerten Schisse in den Grund zu bohren, während es selbst unverwundbar bleibt. -- Auch
der preußische vu Pfünder düifte bei Anwendung besseren Pulvers und Verwendung von Ge¬
schossen mit schärferer, längerer Spitze (wie die Armstrongs sie haben), den fremden Geschütz,
Systemen gewachsen sein.
Finnland und die Finnländer.
I.

Sieben Millionen finnländischer Tonnen mit Seen, 25 Millionen Ton¬
nen mit Sümpfen und niedrigem Walde bedeckt — noch nicht 4^ Millio¬
nen Tonnen Wiesen und Ackerland! Diese Ziffern, welche sich in jedem Con-
versationslexion finden und doch nur wenig bekannt sind, enthalten die Grund¬
züge der Charakteristik Finnlands, eines fast sieben Tausend Quadratmeilen
großen, zwischen dem 60 und 70° nördlicher Breite und 39 und 50° östlicher
Länge belegenen Landes, dessen Name im westlichen Europa so selten ge¬
nannt wird, daß er für die Mehrzahl unserer Leser kaum mit einem bestimm¬
ten Begriff verbunden sein wird. Selbst der Allwissenheit der europäischen
Zeitungsliteratur, welche den Anspruch erhebt, von Allem irgend Wichtigen
und Menschenwürdigen Kunde zu bringen, scheint die stille Abgeschiedenheit
dieses nordischen Landes zu spotten; aus Finnland wird höchstens alle paar Jahr
berichtet, daß eine allgemeine Mißerndte die spärliche Bevölkerung zu dectmiren
drohe — während der letzten sechs Jahren hat es außerdem zweimal geheißen,
der Landtag sei eröffnet und nach einiger Zeit wieder geschlossen worden.
Nur in den skandinavischen Ländern weiß man besser Bescheid; der Däne
oder Schwede, der von dem nordischen Einheitsstaat der Zukunft schwärmt,
hat stets einen Seufzer für das verlorene Großfürstenthum am bottnischen
Meerbusen übrig und die Zeitungsblätter von Stockholm, Kopenhagen und
Upsala verfolgen den Entwickelungsgang der Dinge in Helsingfors und Abo
mit einem Eifer, der selbst der Begeisterung spottet, mit welcher die Deut¬
schen der 40er und 50er Jahre den Geschicken des „verlassenen Bruderstam¬
mes" nördlich von der Elbe zusahen. Finnland repräsentirt die Ostmark der
scandinavischen Welt, wie das Ostseeland die der Deutschen Culturwelt, nur


ren Anikel): Dagegen genügt die relative Sicherung auch jetzt nach diesen Versuchen noch
immer vollkommen. Abgesehen davon, daß es bisjetzt noch kein Schiff gibt, welches gezogene
K00Plunder zu tragen vermöchte, daß also fremden Panzerschiffen gegenüber auch die eng.
lischen Forts fast absolut und unverwundbar sind, so ist vor Allem das Verhältniß der
Distanz zu beachten. Und da finde» wir. daß bei jenen Versuchen die Zertrümmerung der
Platte auf nur 200 Yards (300 Schritt) erfolgte: bei 800 Yards würde selbst der K00
Pfünder nicht im Stande sein, jene Platten erheblich zu beschädigen, und auf eine Entfer¬
nung, wie sie beim Seegefecht von Rügen beibehalten wurde, sind unsere sämmtlichen Panzer¬
schiffe als völlig schußfest zu betrachten, sodaß die in der Presse mehrfach auftauchenden
Zweifel an der Nützlichkeit der Panzerung überhaupt unbegründet sind. Ein Panzerschiff, das
wie die unsrigen schnell genug ist. um stets vom Gegner in der wünschenswerthen Distanz
bleiben zu können, wird immer im Stande sein die feindlichen Holzschiffe und schwach ge-
panzerten Schisse in den Grund zu bohren, während es selbst unverwundbar bleibt. — Auch
der preußische vu Pfünder düifte bei Anwendung besseren Pulvers und Verwendung von Ge¬
schossen mit schärferer, längerer Spitze (wie die Armstrongs sie haben), den fremden Geschütz,
Systemen gewachsen sein.
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[0238] Finnland und die Finnländer. I. Sieben Millionen finnländischer Tonnen mit Seen, 25 Millionen Ton¬ nen mit Sümpfen und niedrigem Walde bedeckt — noch nicht 4^ Millio¬ nen Tonnen Wiesen und Ackerland! Diese Ziffern, welche sich in jedem Con- versationslexion finden und doch nur wenig bekannt sind, enthalten die Grund¬ züge der Charakteristik Finnlands, eines fast sieben Tausend Quadratmeilen großen, zwischen dem 60 und 70° nördlicher Breite und 39 und 50° östlicher Länge belegenen Landes, dessen Name im westlichen Europa so selten ge¬ nannt wird, daß er für die Mehrzahl unserer Leser kaum mit einem bestimm¬ ten Begriff verbunden sein wird. Selbst der Allwissenheit der europäischen Zeitungsliteratur, welche den Anspruch erhebt, von Allem irgend Wichtigen und Menschenwürdigen Kunde zu bringen, scheint die stille Abgeschiedenheit dieses nordischen Landes zu spotten; aus Finnland wird höchstens alle paar Jahr berichtet, daß eine allgemeine Mißerndte die spärliche Bevölkerung zu dectmiren drohe — während der letzten sechs Jahren hat es außerdem zweimal geheißen, der Landtag sei eröffnet und nach einiger Zeit wieder geschlossen worden. Nur in den skandinavischen Ländern weiß man besser Bescheid; der Däne oder Schwede, der von dem nordischen Einheitsstaat der Zukunft schwärmt, hat stets einen Seufzer für das verlorene Großfürstenthum am bottnischen Meerbusen übrig und die Zeitungsblätter von Stockholm, Kopenhagen und Upsala verfolgen den Entwickelungsgang der Dinge in Helsingfors und Abo mit einem Eifer, der selbst der Begeisterung spottet, mit welcher die Deut¬ schen der 40er und 50er Jahre den Geschicken des „verlassenen Bruderstam¬ mes" nördlich von der Elbe zusahen. Finnland repräsentirt die Ostmark der scandinavischen Welt, wie das Ostseeland die der Deutschen Culturwelt, nur ren Anikel): Dagegen genügt die relative Sicherung auch jetzt nach diesen Versuchen noch immer vollkommen. Abgesehen davon, daß es bisjetzt noch kein Schiff gibt, welches gezogene K00Plunder zu tragen vermöchte, daß also fremden Panzerschiffen gegenüber auch die eng. lischen Forts fast absolut und unverwundbar sind, so ist vor Allem das Verhältniß der Distanz zu beachten. Und da finde» wir. daß bei jenen Versuchen die Zertrümmerung der Platte auf nur 200 Yards (300 Schritt) erfolgte: bei 800 Yards würde selbst der K00 Pfünder nicht im Stande sein, jene Platten erheblich zu beschädigen, und auf eine Entfer¬ nung, wie sie beim Seegefecht von Rügen beibehalten wurde, sind unsere sämmtlichen Panzer¬ schiffe als völlig schußfest zu betrachten, sodaß die in der Presse mehrfach auftauchenden Zweifel an der Nützlichkeit der Panzerung überhaupt unbegründet sind. Ein Panzerschiff, das wie die unsrigen schnell genug ist. um stets vom Gegner in der wünschenswerthen Distanz bleiben zu können, wird immer im Stande sein die feindlichen Holzschiffe und schwach ge- panzerten Schisse in den Grund zu bohren, während es selbst unverwundbar bleibt. — Auch der preußische vu Pfünder düifte bei Anwendung besseren Pulvers und Verwendung von Ge¬ schossen mit schärferer, längerer Spitze (wie die Armstrongs sie haben), den fremden Geschütz, Systemen gewachsen sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/238>, abgerufen am 02.07.2024.