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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Bei diesen Aussichten kann uns nicht wundern, daß Kiel seit den we¬
nigen Jahren der preußischen Besitznahme schon einen ganz gewaltigen Auf¬
schwung genommen hat, daß das Grundeigenthum um 40"/" im Werthe
gestiegen ist, und daß allenthalben gebaut wird-- genießt ja doch die Stadt
mehr als jede andere in Schleswig-Holstein die Vortheile der neuen Verhält¬
nisse, indem es zum Krystallisationspunkt der Seemacht eines großen Hinter¬
landes von 30 Millionen Einwohnern geworden ist. Schon jetzt sind hier
fast alle Behörden und "Theile" der Marine vereinigt: hier ist der Sitz des
Flottenstationscommcmdos mit der Flottenstammdivision (allen nicht einge¬
schifften Matrosen), der Werftdivision (Schiffsbau- und Maschinenwesen), dem
Seebataillon und dem Stäbe der Seeartillerie, von welcher die 2. und 3.
Compagnie in Friedrichsort liegen; und ebenso ist hier die Marineschule,
das Marinebekleidungsmagazin, ein Marinedepot, die Behörden für den
Hafenbau, das Artilleriedepot für die Hafenbefestigungen, die Festungsbau-
direction (Friedrichsort), und die blauen sauberen Jungen unsrer aufblühen¬
den norddeutschen Marine geben dem an sich stillen Ort angenehme Belebung.

So wird denn Kiel in Zukunft in den verschiedensten Beziehungen eine
hervorragende Stelle einnehmen: als Universitätsstadt, als Sitz des Ober¬
präsidiums der Provinz und des Divisionscommandos, als Handelshafen,
als Hauptsitz der Kriegsmarine und als Centrum großartiger nautisch-indu¬
strieller Anlagen. Wenn man die reizende hohlwegartige Landstraße in der
Richtung des Kirchhofs hinauskommt, die zwischen üppigen Gärten mit le¬
bendigen Hecken und Feldsteinböschungen unter hohen Lindenwipfeln bergan
nach binnen führt, findet man, etwa der Windmühle gegenüber, leicht an
einem der einzelnen Gehöfte einen Platz, um speciell das von der Gaardener
Gesellschaft abzudämmende Terrain und dann auch Kiel im Ganzen in seinem
vollen Reichthum zu überschauen: zu Füßen der blitzende Spiegel der inneren
Föhrde, rings von grünen Hügelketten umrahmt; gegenüber die qualmenden
Schornsteine und die großartigen Anlagen der Gaardener Gesellschaft und
weiterhin links die alte Stadt im Kranze ihrer grünen Baumwipfel, während
rechts von dem Marineetablissement die stolzen Masten unsrer Kriegsschiffe
aufragen. Das ist das neue Kiel, der Hauptkriegshafen des neuen Deutsch¬
land! -- *)



") Obwohl mit der Hafenfrage die Frage der Schiffspanzerung nicht in unmittelbarem
Zusammenhang steht, sehen wir uns doch durch die neuesten Nachrichten aus England
veranlaßt, unseren Lesern einige Bemerkungen zur Würdigung derselben an die Hand zu
geben. Die gegenwärtig in Shoebouryneß an der Themsemündung angestellten großartigen
Versuche gegen Forts, welche mit drei Szölligen Etsenvlatten übereinander gepanzert find,
haben allerdings das Resultat ergeben, daß dem gewaltigsten bisher erprobten Geschütz, dem
Woolwich-K"0Psünder, an und für sich der Panzer nicht zu widerstehn vermag. Aber eine
absolute Sicherung durch Panzerung haben wir auch nie für möglich gehalten (vgl. die frühe-
Grcnzboten III. 1868. 28

Bei diesen Aussichten kann uns nicht wundern, daß Kiel seit den we¬
nigen Jahren der preußischen Besitznahme schon einen ganz gewaltigen Auf¬
schwung genommen hat, daß das Grundeigenthum um 40"/« im Werthe
gestiegen ist, und daß allenthalben gebaut wird— genießt ja doch die Stadt
mehr als jede andere in Schleswig-Holstein die Vortheile der neuen Verhält¬
nisse, indem es zum Krystallisationspunkt der Seemacht eines großen Hinter¬
landes von 30 Millionen Einwohnern geworden ist. Schon jetzt sind hier
fast alle Behörden und „Theile" der Marine vereinigt: hier ist der Sitz des
Flottenstationscommcmdos mit der Flottenstammdivision (allen nicht einge¬
schifften Matrosen), der Werftdivision (Schiffsbau- und Maschinenwesen), dem
Seebataillon und dem Stäbe der Seeartillerie, von welcher die 2. und 3.
Compagnie in Friedrichsort liegen; und ebenso ist hier die Marineschule,
das Marinebekleidungsmagazin, ein Marinedepot, die Behörden für den
Hafenbau, das Artilleriedepot für die Hafenbefestigungen, die Festungsbau-
direction (Friedrichsort), und die blauen sauberen Jungen unsrer aufblühen¬
den norddeutschen Marine geben dem an sich stillen Ort angenehme Belebung.

So wird denn Kiel in Zukunft in den verschiedensten Beziehungen eine
hervorragende Stelle einnehmen: als Universitätsstadt, als Sitz des Ober¬
präsidiums der Provinz und des Divisionscommandos, als Handelshafen,
als Hauptsitz der Kriegsmarine und als Centrum großartiger nautisch-indu¬
strieller Anlagen. Wenn man die reizende hohlwegartige Landstraße in der
Richtung des Kirchhofs hinauskommt, die zwischen üppigen Gärten mit le¬
bendigen Hecken und Feldsteinböschungen unter hohen Lindenwipfeln bergan
nach binnen führt, findet man, etwa der Windmühle gegenüber, leicht an
einem der einzelnen Gehöfte einen Platz, um speciell das von der Gaardener
Gesellschaft abzudämmende Terrain und dann auch Kiel im Ganzen in seinem
vollen Reichthum zu überschauen: zu Füßen der blitzende Spiegel der inneren
Föhrde, rings von grünen Hügelketten umrahmt; gegenüber die qualmenden
Schornsteine und die großartigen Anlagen der Gaardener Gesellschaft und
weiterhin links die alte Stadt im Kranze ihrer grünen Baumwipfel, während
rechts von dem Marineetablissement die stolzen Masten unsrer Kriegsschiffe
aufragen. Das ist das neue Kiel, der Hauptkriegshafen des neuen Deutsch¬
land! — *)



») Obwohl mit der Hafenfrage die Frage der Schiffspanzerung nicht in unmittelbarem
Zusammenhang steht, sehen wir uns doch durch die neuesten Nachrichten aus England
veranlaßt, unseren Lesern einige Bemerkungen zur Würdigung derselben an die Hand zu
geben. Die gegenwärtig in Shoebouryneß an der Themsemündung angestellten großartigen
Versuche gegen Forts, welche mit drei Szölligen Etsenvlatten übereinander gepanzert find,
haben allerdings das Resultat ergeben, daß dem gewaltigsten bisher erprobten Geschütz, dem
Woolwich-K»0Psünder, an und für sich der Panzer nicht zu widerstehn vermag. Aber eine
absolute Sicherung durch Panzerung haben wir auch nie für möglich gehalten (vgl. die frühe-
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[0237] Bei diesen Aussichten kann uns nicht wundern, daß Kiel seit den we¬ nigen Jahren der preußischen Besitznahme schon einen ganz gewaltigen Auf¬ schwung genommen hat, daß das Grundeigenthum um 40"/« im Werthe gestiegen ist, und daß allenthalben gebaut wird— genießt ja doch die Stadt mehr als jede andere in Schleswig-Holstein die Vortheile der neuen Verhält¬ nisse, indem es zum Krystallisationspunkt der Seemacht eines großen Hinter¬ landes von 30 Millionen Einwohnern geworden ist. Schon jetzt sind hier fast alle Behörden und „Theile" der Marine vereinigt: hier ist der Sitz des Flottenstationscommcmdos mit der Flottenstammdivision (allen nicht einge¬ schifften Matrosen), der Werftdivision (Schiffsbau- und Maschinenwesen), dem Seebataillon und dem Stäbe der Seeartillerie, von welcher die 2. und 3. Compagnie in Friedrichsort liegen; und ebenso ist hier die Marineschule, das Marinebekleidungsmagazin, ein Marinedepot, die Behörden für den Hafenbau, das Artilleriedepot für die Hafenbefestigungen, die Festungsbau- direction (Friedrichsort), und die blauen sauberen Jungen unsrer aufblühen¬ den norddeutschen Marine geben dem an sich stillen Ort angenehme Belebung. So wird denn Kiel in Zukunft in den verschiedensten Beziehungen eine hervorragende Stelle einnehmen: als Universitätsstadt, als Sitz des Ober¬ präsidiums der Provinz und des Divisionscommandos, als Handelshafen, als Hauptsitz der Kriegsmarine und als Centrum großartiger nautisch-indu¬ strieller Anlagen. Wenn man die reizende hohlwegartige Landstraße in der Richtung des Kirchhofs hinauskommt, die zwischen üppigen Gärten mit le¬ bendigen Hecken und Feldsteinböschungen unter hohen Lindenwipfeln bergan nach binnen führt, findet man, etwa der Windmühle gegenüber, leicht an einem der einzelnen Gehöfte einen Platz, um speciell das von der Gaardener Gesellschaft abzudämmende Terrain und dann auch Kiel im Ganzen in seinem vollen Reichthum zu überschauen: zu Füßen der blitzende Spiegel der inneren Föhrde, rings von grünen Hügelketten umrahmt; gegenüber die qualmenden Schornsteine und die großartigen Anlagen der Gaardener Gesellschaft und weiterhin links die alte Stadt im Kranze ihrer grünen Baumwipfel, während rechts von dem Marineetablissement die stolzen Masten unsrer Kriegsschiffe aufragen. Das ist das neue Kiel, der Hauptkriegshafen des neuen Deutsch¬ land! — *) ») Obwohl mit der Hafenfrage die Frage der Schiffspanzerung nicht in unmittelbarem Zusammenhang steht, sehen wir uns doch durch die neuesten Nachrichten aus England veranlaßt, unseren Lesern einige Bemerkungen zur Würdigung derselben an die Hand zu geben. Die gegenwärtig in Shoebouryneß an der Themsemündung angestellten großartigen Versuche gegen Forts, welche mit drei Szölligen Etsenvlatten übereinander gepanzert find, haben allerdings das Resultat ergeben, daß dem gewaltigsten bisher erprobten Geschütz, dem Woolwich-K»0Psünder, an und für sich der Panzer nicht zu widerstehn vermag. Aber eine absolute Sicherung durch Panzerung haben wir auch nie für möglich gehalten (vgl. die frühe- Grcnzboten III. 1868. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/237>, abgerufen am 02.07.2024.