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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Dem gegenüber kommen aber vier bedeutende Uebelstände in Betracht:
eine spätere Erweiterung der Werftanlagen in das Land hinein stößt schon
in geringer Entfernung auf große Schwierigkeiten, da einmal das Terrain
sich unweit des Strandes bedeutend hebt, und da andererseits eine Ausdeh-
nung nach Norden nicht wohl ausführbar ist, ohne daß die Anlagen in das
Bereich der Geschütze der feindlichen Flotte kämen. Sodann ist ein Etablisse¬
ment an dieser Stelle einer feindlichen Flotte, welche den Eingang bei Fried¬
richsort forcirt haben sollte, gänzlich preisgegeben, ohne daß diese durch
Binnenbatterien und Kreuzfeuer gehindert werden könnte. Und endlich liegt
ein bei Holtenau eingerichtetes Etablissement, auch wenn durch Befestigungen
der Hochwälder Bucht und der nur 2--3 Meilen entfernten Eckernsöhrde jede
Möglichkeit einer Landung bei Kiel ausgeschlossen ist, dem Anmarsch'feind¬
licher Truppen aus Jütland her offen, wie auch eine Eisenbahnverbindung
mit Kiel, an und für sich schon des Terrains wegen schwierig, sehr lange,
und von anderen, kreuzenden Verkehrsstraßen gestört, durch eine solche feind¬
liche Armee leicht zu unterbrechen wäre. Die zuletzt angeführten Nachtheile
treffen übrigens meist auch Bellevue, das man zu allererst, gleich bei der
Besetzung Kiels im dänischen Kriege, allein ins Auge gefaßt hatte, da hier
die Wasserverhältnisse am günstigsten sind, inoem die Tiefe der See auf eine
Strecke von 200 Ruthen noch in Is Ruthen Entfernung vom Lande nicht
weniger als 36 Fuß beträgt, also sehr geringe Baggerungen, oder aber sehr
geringe Erdschüttungen auf dieser Stelle genügen würden, um die Werft
hart an die 6-Faden-Tiefe zu bringen. Dennoch ist die Absicht einer Benu¬
tzung von Bellevue bald aufgegeben worden, da dasselbe nicht blos eine Be¬
seitigung beider Ufer der Föhrde nöthig macht, sondern auch bei seiner Ver¬
theidigung Kiel gefährden würde und außerdem in nur einer Meile Entfer¬
nung von Friedrichsort der Hafeneinfahrt gegenüber liegt, somit dem An¬
drang der See bei Nordoststurm unmittelbar ausgesetzt ist, und auch von
einem feindlichen Blokadegeschwader vollständig eingesehen werden kann.
Die Bucht zwischen Holtenau und Friedrichsort dagegen, Meile von der
Stadt Kiel, hatte man trotz der vorhin angeführten Nachtheile noch im
vorigen Jahre für die Einrichtung der Marineetablissements ins Auge ge¬
faßt, aus "fortificatorischen Rücksichten" wie damals gesagt wurde, haupt¬
sächlich wohl wegen der verhältnißmäßig geringen Kosten, da hierbei die
Befestigung nur eines Ufers der Föhrde in geringer Ausdehnung ziemlich ge¬
nügte, während anfänglich auch seine Lage auf schleswigschen Boden in politi¬
scher Beziehung ein Vortheil war.

Aus diesen Gründen spricht sich auch der Flottenerweiterungsplan vom
März 1865 über die Anlage der Marineetabliffements für Benutzung der
Friedrichsort zunächst liegenden Bucht des Kieler Hafens zu einer Flotten-


Dem gegenüber kommen aber vier bedeutende Uebelstände in Betracht:
eine spätere Erweiterung der Werftanlagen in das Land hinein stößt schon
in geringer Entfernung auf große Schwierigkeiten, da einmal das Terrain
sich unweit des Strandes bedeutend hebt, und da andererseits eine Ausdeh-
nung nach Norden nicht wohl ausführbar ist, ohne daß die Anlagen in das
Bereich der Geschütze der feindlichen Flotte kämen. Sodann ist ein Etablisse¬
ment an dieser Stelle einer feindlichen Flotte, welche den Eingang bei Fried¬
richsort forcirt haben sollte, gänzlich preisgegeben, ohne daß diese durch
Binnenbatterien und Kreuzfeuer gehindert werden könnte. Und endlich liegt
ein bei Holtenau eingerichtetes Etablissement, auch wenn durch Befestigungen
der Hochwälder Bucht und der nur 2—3 Meilen entfernten Eckernsöhrde jede
Möglichkeit einer Landung bei Kiel ausgeschlossen ist, dem Anmarsch'feind¬
licher Truppen aus Jütland her offen, wie auch eine Eisenbahnverbindung
mit Kiel, an und für sich schon des Terrains wegen schwierig, sehr lange,
und von anderen, kreuzenden Verkehrsstraßen gestört, durch eine solche feind¬
liche Armee leicht zu unterbrechen wäre. Die zuletzt angeführten Nachtheile
treffen übrigens meist auch Bellevue, das man zu allererst, gleich bei der
Besetzung Kiels im dänischen Kriege, allein ins Auge gefaßt hatte, da hier
die Wasserverhältnisse am günstigsten sind, inoem die Tiefe der See auf eine
Strecke von 200 Ruthen noch in Is Ruthen Entfernung vom Lande nicht
weniger als 36 Fuß beträgt, also sehr geringe Baggerungen, oder aber sehr
geringe Erdschüttungen auf dieser Stelle genügen würden, um die Werft
hart an die 6-Faden-Tiefe zu bringen. Dennoch ist die Absicht einer Benu¬
tzung von Bellevue bald aufgegeben worden, da dasselbe nicht blos eine Be¬
seitigung beider Ufer der Föhrde nöthig macht, sondern auch bei seiner Ver¬
theidigung Kiel gefährden würde und außerdem in nur einer Meile Entfer¬
nung von Friedrichsort der Hafeneinfahrt gegenüber liegt, somit dem An¬
drang der See bei Nordoststurm unmittelbar ausgesetzt ist, und auch von
einem feindlichen Blokadegeschwader vollständig eingesehen werden kann.
Die Bucht zwischen Holtenau und Friedrichsort dagegen, Meile von der
Stadt Kiel, hatte man trotz der vorhin angeführten Nachtheile noch im
vorigen Jahre für die Einrichtung der Marineetablissements ins Auge ge¬
faßt, aus „fortificatorischen Rücksichten" wie damals gesagt wurde, haupt¬
sächlich wohl wegen der verhältnißmäßig geringen Kosten, da hierbei die
Befestigung nur eines Ufers der Föhrde in geringer Ausdehnung ziemlich ge¬
nügte, während anfänglich auch seine Lage auf schleswigschen Boden in politi¬
scher Beziehung ein Vortheil war.

Aus diesen Gründen spricht sich auch der Flottenerweiterungsplan vom
März 1865 über die Anlage der Marineetabliffements für Benutzung der
Friedrichsort zunächst liegenden Bucht des Kieler Hafens zu einer Flotten-


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[0228] Dem gegenüber kommen aber vier bedeutende Uebelstände in Betracht: eine spätere Erweiterung der Werftanlagen in das Land hinein stößt schon in geringer Entfernung auf große Schwierigkeiten, da einmal das Terrain sich unweit des Strandes bedeutend hebt, und da andererseits eine Ausdeh- nung nach Norden nicht wohl ausführbar ist, ohne daß die Anlagen in das Bereich der Geschütze der feindlichen Flotte kämen. Sodann ist ein Etablisse¬ ment an dieser Stelle einer feindlichen Flotte, welche den Eingang bei Fried¬ richsort forcirt haben sollte, gänzlich preisgegeben, ohne daß diese durch Binnenbatterien und Kreuzfeuer gehindert werden könnte. Und endlich liegt ein bei Holtenau eingerichtetes Etablissement, auch wenn durch Befestigungen der Hochwälder Bucht und der nur 2—3 Meilen entfernten Eckernsöhrde jede Möglichkeit einer Landung bei Kiel ausgeschlossen ist, dem Anmarsch'feind¬ licher Truppen aus Jütland her offen, wie auch eine Eisenbahnverbindung mit Kiel, an und für sich schon des Terrains wegen schwierig, sehr lange, und von anderen, kreuzenden Verkehrsstraßen gestört, durch eine solche feind¬ liche Armee leicht zu unterbrechen wäre. Die zuletzt angeführten Nachtheile treffen übrigens meist auch Bellevue, das man zu allererst, gleich bei der Besetzung Kiels im dänischen Kriege, allein ins Auge gefaßt hatte, da hier die Wasserverhältnisse am günstigsten sind, inoem die Tiefe der See auf eine Strecke von 200 Ruthen noch in Is Ruthen Entfernung vom Lande nicht weniger als 36 Fuß beträgt, also sehr geringe Baggerungen, oder aber sehr geringe Erdschüttungen auf dieser Stelle genügen würden, um die Werft hart an die 6-Faden-Tiefe zu bringen. Dennoch ist die Absicht einer Benu¬ tzung von Bellevue bald aufgegeben worden, da dasselbe nicht blos eine Be¬ seitigung beider Ufer der Föhrde nöthig macht, sondern auch bei seiner Ver¬ theidigung Kiel gefährden würde und außerdem in nur einer Meile Entfer¬ nung von Friedrichsort der Hafeneinfahrt gegenüber liegt, somit dem An¬ drang der See bei Nordoststurm unmittelbar ausgesetzt ist, und auch von einem feindlichen Blokadegeschwader vollständig eingesehen werden kann. Die Bucht zwischen Holtenau und Friedrichsort dagegen, Meile von der Stadt Kiel, hatte man trotz der vorhin angeführten Nachtheile noch im vorigen Jahre für die Einrichtung der Marineetablissements ins Auge ge¬ faßt, aus „fortificatorischen Rücksichten" wie damals gesagt wurde, haupt¬ sächlich wohl wegen der verhältnißmäßig geringen Kosten, da hierbei die Befestigung nur eines Ufers der Föhrde in geringer Ausdehnung ziemlich ge¬ nügte, während anfänglich auch seine Lage auf schleswigschen Boden in politi¬ scher Beziehung ein Vortheil war. Aus diesen Gründen spricht sich auch der Flottenerweiterungsplan vom März 1865 über die Anlage der Marineetabliffements für Benutzung der Friedrichsort zunächst liegenden Bucht des Kieler Hafens zu einer Flotten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/228>, abgerufen am 02.07.2024.