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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Wenn man den Werth einer Sache nach ihrem Erfolg beurtheilen müßte,
so wäre der Port-Royalismus zu verdammen. Aber er ist nicht gestorben,
er ist nicht untergegangen in den Stürmen der Zeit, er lebt in der Geschichte.
Bei den Port-Royalisten ist es eben der Character weit mehr als das Ta¬
lent, welches zur Bewunderung auffordert. Diese Menschen waren rein im
Leben wie in ihren Sitten. Man drückt sie, man ermahnt sie; man bedroht
sie. man bittet sie. Nein, antworten sie. lieber sterben, als gegen unser
Gewissen handeln. "Die Wahrheit" ist ihr Panier. Port-Royal wäre todt,
wenn nicht der Geist lebendiger Frömmigkeit, der erhabene Geist eines Pascal,
Saci, Lancelot und vieler Anderer der Nachwelt für immer geblieben wäre.




Polnischer Monatsbericht.

X

Während die parlamentarischen Körperschaften Englands, Frankreichs,
Italiens und Ungarns durch den gesammten Juli in Thätigkeit waren, ha¬
ben wir Deutschen schon seit einigen Wochen unsere politischen Ferien angetreten.
Die am Ausgang des vorigen Monats abgehaltene Feier des wormser Luther¬
festes beschloß das mühevolle erste Jahr norddeutschen Bundeslebens und gönnte
den Volksvertretern, welche als Mitglieder des preußischen Landtags, des Reichs¬
tags und des Zollparlaments Monate lang beschäftigt gewesen waren, die ver¬
diente Ruhe. Diese Ruhe ist auch denen zu Theil geworden, welche an der
Arbeit keinen Antheil gehabt hatten, denn sie hatte sich auf fast alle Gebiete
unseres öffentlichen Lebens ausgedehnt und zwar so vollständig, daß es selbst
an Anzeichen dafür fehlt, unter welchen Auspicien der nächste parlementa-
rische Feldzug wieder aufgenommen werden wird. Gelegentliche Mittheilungen
über die größeren oder geringeren Jnconvenienzen. welche sich bei Gelegenheit
der Einführung neuer Bundesgesetze herausgestellt haben. Erwägungen über
das Defizit in den Bundeseinahmen. bairisch-würtenbergische Verhandlungen
wegen Herstellung einer süddeutschen militärischen Centralcommission oder
doch Gerüchte von solchen Verhandlungen. Erörterungen über den Ausfall
der letzten würtembergischen Landtagswahlen, ungeduldige Wünsche oder gut¬
müthige Hoffnungen für Verwirklichung der in Preußen verhteßenen admini¬
strativen Decentralisation, gelegentliche Stoßseufzer der Particularisten und
Legitimisten darüber, daß die auf das wiener Schützenfest gesetzten Hoffnun-
gen getäuscht worden sind -- das ist Alles, was großen und kleinen Zei-


Wenn man den Werth einer Sache nach ihrem Erfolg beurtheilen müßte,
so wäre der Port-Royalismus zu verdammen. Aber er ist nicht gestorben,
er ist nicht untergegangen in den Stürmen der Zeit, er lebt in der Geschichte.
Bei den Port-Royalisten ist es eben der Character weit mehr als das Ta¬
lent, welches zur Bewunderung auffordert. Diese Menschen waren rein im
Leben wie in ihren Sitten. Man drückt sie, man ermahnt sie; man bedroht
sie. man bittet sie. Nein, antworten sie. lieber sterben, als gegen unser
Gewissen handeln. „Die Wahrheit" ist ihr Panier. Port-Royal wäre todt,
wenn nicht der Geist lebendiger Frömmigkeit, der erhabene Geist eines Pascal,
Saci, Lancelot und vieler Anderer der Nachwelt für immer geblieben wäre.




Polnischer Monatsbericht.

X

Während die parlamentarischen Körperschaften Englands, Frankreichs,
Italiens und Ungarns durch den gesammten Juli in Thätigkeit waren, ha¬
ben wir Deutschen schon seit einigen Wochen unsere politischen Ferien angetreten.
Die am Ausgang des vorigen Monats abgehaltene Feier des wormser Luther¬
festes beschloß das mühevolle erste Jahr norddeutschen Bundeslebens und gönnte
den Volksvertretern, welche als Mitglieder des preußischen Landtags, des Reichs¬
tags und des Zollparlaments Monate lang beschäftigt gewesen waren, die ver¬
diente Ruhe. Diese Ruhe ist auch denen zu Theil geworden, welche an der
Arbeit keinen Antheil gehabt hatten, denn sie hatte sich auf fast alle Gebiete
unseres öffentlichen Lebens ausgedehnt und zwar so vollständig, daß es selbst
an Anzeichen dafür fehlt, unter welchen Auspicien der nächste parlementa-
rische Feldzug wieder aufgenommen werden wird. Gelegentliche Mittheilungen
über die größeren oder geringeren Jnconvenienzen. welche sich bei Gelegenheit
der Einführung neuer Bundesgesetze herausgestellt haben. Erwägungen über
das Defizit in den Bundeseinahmen. bairisch-würtenbergische Verhandlungen
wegen Herstellung einer süddeutschen militärischen Centralcommission oder
doch Gerüchte von solchen Verhandlungen. Erörterungen über den Ausfall
der letzten würtembergischen Landtagswahlen, ungeduldige Wünsche oder gut¬
müthige Hoffnungen für Verwirklichung der in Preußen verhteßenen admini¬
strativen Decentralisation, gelegentliche Stoßseufzer der Particularisten und
Legitimisten darüber, daß die auf das wiener Schützenfest gesetzten Hoffnun-
gen getäuscht worden sind — das ist Alles, was großen und kleinen Zei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/207>, abgerufen am 02.07.2024.