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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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frühzeitigen Unterricht, den Geist der Kinder müsse man schon früh zu üben
anfangen. Auch müsse der Unterricht stets der Fassungskraft der Schüler
angemessen sein. Endlich sagten sie mit Ramus: Wenig Regeln, aber pickte
Uebung! Man sieht, der Anschauungsunterricht, überhaupt die naturgemäße
Methode war auch schon in Port-Royal bekannt.

Die berühmtesten Bücher Port-Royals waren die Hrammairs general
und die Logik. Letztere gründete sich auf Ramus Dialektik. 1666, Montaignes
^re as eolMrer, Descartes "äiscours Ah 1a metkoäe" und auf Pascals
"Esprit s6om6triyu<z" und ,,^,re av xersuaäer". Besonders Descartes er¬
kennt man beim Lesen der Logik heraus. Wenn man Rousseaus Emil liest,
so glaubt man an einigen Stellen ebenfalls auf verwandtem Boden zu stehen.
Die Logik besteht außer den beiden einleitenden Vorreden aus vier Theilen
gemäß den vier Geistesoperationen: Auffassen, urtheilen, raisonntren, ordnen.
Das Descartessche coZito erZo sum wird festgehalten, doch ist die Meta
Physik eine andere.

Da die Logik für den Schulgebrauch geschrieben war, so wird man es
natürlich finden, daß dieselbe sehr elementar gehalten ist. Hier und da sind
Beispiele eingeflochten. Ein logischer Schluß lautet: Das göttliche Gesetz
gebietet, die Könige zu ehren. Ludwig XIV. ist ein König, folglich u. f. w.

Der erste Pädagoge Port-Royals war, wie schon erwähnt, Lancelot.
Nach der Zerstörung der Schulen von Port-Royal wurde er Erzieher des
jungen Herzogs von Chevreuse. Im Jahre 1669 übernahm er die Erziehung
der Prinzen von Conti, zog sich jedoch 1672 wegen einer Meinungsverschie¬
denheit zurück. Er widersetzte sich nämlich dem Verlangen, mit seinen Zög¬
lingen in die Comödie zu gehen. Die jungen Contis machten ihrem großen
Lehrer in der Folge keine Schande. Lancelot starb im Exil zu Quimperle in
der Bretagne den 16. April 1695; er war 80 Jahre alt. Sein Exil hatte
fünfzehn Jahre gedauert. In einem aufgefundenen Briefe heißt es über sei¬
nen Tod: "Lancelot, unser theurer Freund, ist am 16. d. M. zu Gott ge¬
gangen, gegen 'drei Uhr Morgens. Er starb wie ein Heiliger und nach
seinem Tode kam alle Welt, ihm die Füße zu küssen. Man mußte bald
seinen Sarg schließen, denn man schnitt ihm Stücke von seinem Kleide ab.
Seine letzten Worte waren die des 118. Psalms: "Viäs IiumilitutLm meam
et eripo we, "mia, Is^em tuam non sum oblitus."

Einer der tüchtigsten Collegen Lcmcelots war Walon de Beaupuis. Er
war geboren zu Beauvais d. 9. (od. 29) August 1621. Im Jahre 1637
nach Paris gekommen, machte der junge Beaupuis am College der Jesuiten
ein Jahr Rhetorik durch und lernte hier die Methode und die Art kennen,
die er später vermeiden sollte. Am 16. Mai 1644 ging er nach Port-Royal
und wirkte bald an den kleinen Schulen. Nach der Zerstörung der Schulen


frühzeitigen Unterricht, den Geist der Kinder müsse man schon früh zu üben
anfangen. Auch müsse der Unterricht stets der Fassungskraft der Schüler
angemessen sein. Endlich sagten sie mit Ramus: Wenig Regeln, aber pickte
Uebung! Man sieht, der Anschauungsunterricht, überhaupt die naturgemäße
Methode war auch schon in Port-Royal bekannt.

Die berühmtesten Bücher Port-Royals waren die Hrammairs general
und die Logik. Letztere gründete sich auf Ramus Dialektik. 1666, Montaignes
^re as eolMrer, Descartes „äiscours Ah 1a metkoäe" und auf Pascals
„Esprit s6om6triyu<z" und ,,^,re av xersuaäer". Besonders Descartes er¬
kennt man beim Lesen der Logik heraus. Wenn man Rousseaus Emil liest,
so glaubt man an einigen Stellen ebenfalls auf verwandtem Boden zu stehen.
Die Logik besteht außer den beiden einleitenden Vorreden aus vier Theilen
gemäß den vier Geistesoperationen: Auffassen, urtheilen, raisonntren, ordnen.
Das Descartessche coZito erZo sum wird festgehalten, doch ist die Meta
Physik eine andere.

Da die Logik für den Schulgebrauch geschrieben war, so wird man es
natürlich finden, daß dieselbe sehr elementar gehalten ist. Hier und da sind
Beispiele eingeflochten. Ein logischer Schluß lautet: Das göttliche Gesetz
gebietet, die Könige zu ehren. Ludwig XIV. ist ein König, folglich u. f. w.

Der erste Pädagoge Port-Royals war, wie schon erwähnt, Lancelot.
Nach der Zerstörung der Schulen von Port-Royal wurde er Erzieher des
jungen Herzogs von Chevreuse. Im Jahre 1669 übernahm er die Erziehung
der Prinzen von Conti, zog sich jedoch 1672 wegen einer Meinungsverschie¬
denheit zurück. Er widersetzte sich nämlich dem Verlangen, mit seinen Zög¬
lingen in die Comödie zu gehen. Die jungen Contis machten ihrem großen
Lehrer in der Folge keine Schande. Lancelot starb im Exil zu Quimperle in
der Bretagne den 16. April 1695; er war 80 Jahre alt. Sein Exil hatte
fünfzehn Jahre gedauert. In einem aufgefundenen Briefe heißt es über sei¬
nen Tod: „Lancelot, unser theurer Freund, ist am 16. d. M. zu Gott ge¬
gangen, gegen 'drei Uhr Morgens. Er starb wie ein Heiliger und nach
seinem Tode kam alle Welt, ihm die Füße zu küssen. Man mußte bald
seinen Sarg schließen, denn man schnitt ihm Stücke von seinem Kleide ab.
Seine letzten Worte waren die des 118. Psalms: „Viäs IiumilitutLm meam
et eripo we, «mia, Is^em tuam non sum oblitus."

Einer der tüchtigsten Collegen Lcmcelots war Walon de Beaupuis. Er
war geboren zu Beauvais d. 9. (od. 29) August 1621. Im Jahre 1637
nach Paris gekommen, machte der junge Beaupuis am College der Jesuiten
ein Jahr Rhetorik durch und lernte hier die Methode und die Art kennen,
die er später vermeiden sollte. Am 16. Mai 1644 ging er nach Port-Royal
und wirkte bald an den kleinen Schulen. Nach der Zerstörung der Schulen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/204>, abgerufen am 02.07.2024.