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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Als die Jesuiten sahen, daß die Anstalten bald wieder prosperirten,
bereiteten sie einen neuen Schlag vor. Doch ein sonderbarer Zufall kam plötz¬
lich dazwischen und kreuzte ihre Pläne. Ein Neffe des Kardinals Mazarin,
der junge Alfons Mancini, welcher in ihrem College zu Paris war, wurde
beim Spielen verwundet und starb. Die Jesuiten glaubten nun noch ein
wenig warten zu müssen, bis der Trauerfall vergessen wäre, ehe sie gegen
ihre Rivalen von Port-Royal agitiren könnten. Es wurde inzwischen im
Stillen fortgewühlt, bis am 10. März 1660 die Anstalten aufgelöst wurden.
Von 1670--1678 konnte zwar Port-Royal als Kloster junge Mädchen zu
Pensionärinnen aufnehmen, aber es durften außerhalb der Anstalt keine
Schüler mehr gehalten werden.

Es würde zu weit führen, das .Mglewent usf 6tuäes" mitzutheilen,
zumal nicht der Buchstabe, sondern der Geist desselben von nachhaltigsten
Einfluß auf die Entwickelung der Pädagogik war. Während der Jesuitismus
den Menschen als wildes Thier betrachtete, das man bändigen muß um es
beherrschen zu können, stellen die Port-Royalisten im echt christlichen Geist
als Basis der Erziehung die Liebe auf.

Als Lehrer wurden nur Personen angestellt, deren Frömmigkeit, Fähig¬
keit, Uneigennützigkett und innerer.Beruf bekannt war. Der einzige Beweg¬
grund, um sich diesem Geschäfte zu widmen, sollte die Liebe sein. Man be¬
mühte sich den Augen der Kinder Alles fern zu halten, was ihnen schaden
konnte; man sorgte, daß sie nichts sähen und hörten, was die Bescheidenheit
und die Reinheit ihrer .Seele verletzen könnte. Dagegen wurden sie in der
Erkenntniß des Wahren und in der Liebe des Guten und Ewigen gefördert.

Einer der Lehrer von- Port-Royal, Confect, hat ein Buch hinterlassen:
Die Regeln der Erziehung der Kinder.") Confect untersucht hierin, ob es
besser ist, die Kinder in den religiösen Häusern zu erziehen, wie es früher
in Italien und Deutschland Gebrauch war, oder bei den Eltern, wie viele
rathen, oder endlich in den Colleges wie es jetzt sei. Er kommt zu dem
Schlüsse, daß alle drei Erziehungsarten ihre Jnconvenienzen haben und daß
es schwer sei, sie zu combiniren. In Port-Royal adoptirte man, wie schon
erwähnt, den Rath, den schon Erasmus gegeben hatte, nämlich die Ver¬
einigung von nicht mehr als fünf Kindern unter einem oder zwei Lehrern.
Saint-Chran wünschte bei der Erziehung ein Bild des väterlichen Hauses,
beständige Aufsicht, Ernst der Lehrer und einen gewissen Respect der Mit¬
schüler unter einander. Er konnte nicht leiden, wie Lancelot sagt, daß man
in der Erziehung der Kinder aus den Wissenschaften und aus dem Studium
Capital machte und dabei die Pietät vernachlässigte. Er betrachtete dieses



*) I^hö RüglLS <!e ÜLS öllkimts. ?Ari" 1687. 2 vol. 12°.

Als die Jesuiten sahen, daß die Anstalten bald wieder prosperirten,
bereiteten sie einen neuen Schlag vor. Doch ein sonderbarer Zufall kam plötz¬
lich dazwischen und kreuzte ihre Pläne. Ein Neffe des Kardinals Mazarin,
der junge Alfons Mancini, welcher in ihrem College zu Paris war, wurde
beim Spielen verwundet und starb. Die Jesuiten glaubten nun noch ein
wenig warten zu müssen, bis der Trauerfall vergessen wäre, ehe sie gegen
ihre Rivalen von Port-Royal agitiren könnten. Es wurde inzwischen im
Stillen fortgewühlt, bis am 10. März 1660 die Anstalten aufgelöst wurden.
Von 1670—1678 konnte zwar Port-Royal als Kloster junge Mädchen zu
Pensionärinnen aufnehmen, aber es durften außerhalb der Anstalt keine
Schüler mehr gehalten werden.

Es würde zu weit führen, das .Mglewent usf 6tuäes" mitzutheilen,
zumal nicht der Buchstabe, sondern der Geist desselben von nachhaltigsten
Einfluß auf die Entwickelung der Pädagogik war. Während der Jesuitismus
den Menschen als wildes Thier betrachtete, das man bändigen muß um es
beherrschen zu können, stellen die Port-Royalisten im echt christlichen Geist
als Basis der Erziehung die Liebe auf.

Als Lehrer wurden nur Personen angestellt, deren Frömmigkeit, Fähig¬
keit, Uneigennützigkett und innerer.Beruf bekannt war. Der einzige Beweg¬
grund, um sich diesem Geschäfte zu widmen, sollte die Liebe sein. Man be¬
mühte sich den Augen der Kinder Alles fern zu halten, was ihnen schaden
konnte; man sorgte, daß sie nichts sähen und hörten, was die Bescheidenheit
und die Reinheit ihrer .Seele verletzen könnte. Dagegen wurden sie in der
Erkenntniß des Wahren und in der Liebe des Guten und Ewigen gefördert.

Einer der Lehrer von- Port-Royal, Confect, hat ein Buch hinterlassen:
Die Regeln der Erziehung der Kinder.") Confect untersucht hierin, ob es
besser ist, die Kinder in den religiösen Häusern zu erziehen, wie es früher
in Italien und Deutschland Gebrauch war, oder bei den Eltern, wie viele
rathen, oder endlich in den Colleges wie es jetzt sei. Er kommt zu dem
Schlüsse, daß alle drei Erziehungsarten ihre Jnconvenienzen haben und daß
es schwer sei, sie zu combiniren. In Port-Royal adoptirte man, wie schon
erwähnt, den Rath, den schon Erasmus gegeben hatte, nämlich die Ver¬
einigung von nicht mehr als fünf Kindern unter einem oder zwei Lehrern.
Saint-Chran wünschte bei der Erziehung ein Bild des väterlichen Hauses,
beständige Aufsicht, Ernst der Lehrer und einen gewissen Respect der Mit¬
schüler unter einander. Er konnte nicht leiden, wie Lancelot sagt, daß man
in der Erziehung der Kinder aus den Wissenschaften und aus dem Studium
Capital machte und dabei die Pietät vernachlässigte. Er betrachtete dieses



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[0202] Als die Jesuiten sahen, daß die Anstalten bald wieder prosperirten, bereiteten sie einen neuen Schlag vor. Doch ein sonderbarer Zufall kam plötz¬ lich dazwischen und kreuzte ihre Pläne. Ein Neffe des Kardinals Mazarin, der junge Alfons Mancini, welcher in ihrem College zu Paris war, wurde beim Spielen verwundet und starb. Die Jesuiten glaubten nun noch ein wenig warten zu müssen, bis der Trauerfall vergessen wäre, ehe sie gegen ihre Rivalen von Port-Royal agitiren könnten. Es wurde inzwischen im Stillen fortgewühlt, bis am 10. März 1660 die Anstalten aufgelöst wurden. Von 1670—1678 konnte zwar Port-Royal als Kloster junge Mädchen zu Pensionärinnen aufnehmen, aber es durften außerhalb der Anstalt keine Schüler mehr gehalten werden. Es würde zu weit führen, das .Mglewent usf 6tuäes" mitzutheilen, zumal nicht der Buchstabe, sondern der Geist desselben von nachhaltigsten Einfluß auf die Entwickelung der Pädagogik war. Während der Jesuitismus den Menschen als wildes Thier betrachtete, das man bändigen muß um es beherrschen zu können, stellen die Port-Royalisten im echt christlichen Geist als Basis der Erziehung die Liebe auf. Als Lehrer wurden nur Personen angestellt, deren Frömmigkeit, Fähig¬ keit, Uneigennützigkett und innerer.Beruf bekannt war. Der einzige Beweg¬ grund, um sich diesem Geschäfte zu widmen, sollte die Liebe sein. Man be¬ mühte sich den Augen der Kinder Alles fern zu halten, was ihnen schaden konnte; man sorgte, daß sie nichts sähen und hörten, was die Bescheidenheit und die Reinheit ihrer .Seele verletzen könnte. Dagegen wurden sie in der Erkenntniß des Wahren und in der Liebe des Guten und Ewigen gefördert. Einer der Lehrer von- Port-Royal, Confect, hat ein Buch hinterlassen: Die Regeln der Erziehung der Kinder.") Confect untersucht hierin, ob es besser ist, die Kinder in den religiösen Häusern zu erziehen, wie es früher in Italien und Deutschland Gebrauch war, oder bei den Eltern, wie viele rathen, oder endlich in den Colleges wie es jetzt sei. Er kommt zu dem Schlüsse, daß alle drei Erziehungsarten ihre Jnconvenienzen haben und daß es schwer sei, sie zu combiniren. In Port-Royal adoptirte man, wie schon erwähnt, den Rath, den schon Erasmus gegeben hatte, nämlich die Ver¬ einigung von nicht mehr als fünf Kindern unter einem oder zwei Lehrern. Saint-Chran wünschte bei der Erziehung ein Bild des väterlichen Hauses, beständige Aufsicht, Ernst der Lehrer und einen gewissen Respect der Mit¬ schüler unter einander. Er konnte nicht leiden, wie Lancelot sagt, daß man in der Erziehung der Kinder aus den Wissenschaften und aus dem Studium Capital machte und dabei die Pietät vernachlässigte. Er betrachtete dieses *) I^hö RüglLS <!e ÜLS öllkimts. ?Ari» 1687. 2 vol. 12°.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/202>, abgerufen am 02.07.2024.