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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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das Verdienst Port-Royals für die Erziehung der Jugend. Schon Saint-
Cyran hatte kleine Waisen zu sich genommen, "um sie in seiner Abtei zu
ernähren." Er liebe die Kinder sehr, sagte er zu Le Maitre und er stelle
es sich zur Ausgabe ihnen zu dienen. Diese Aufgabe war in ganz Port-
Royal eine gemeinsame. Hamon und Nicole verbanden sich hier mit dem
großen Meister Lancelot.

Es war damals, ehe man in ein College eintreten konnte, nothwendig,
daß die Kinder einen Vorbereitungs-Cursus durchmachen mußten und diese
Vorbereitung geschah entweder in der Familie oder in kleinen Schulen. Als
Port-Royal eine solche Vorbereitungsschule errichtete, machte es damit der
Universität noch keine Konkurrenz, später aber behielt-es seine Schule auch
noch für die weiteren Studien bei und es hatte Recht, denn die Universität
war in Verfall. Die Jesuiten agitirten eifrig hiergegen, obgleich sie eben¬
falls ungesetzlicher Weise Schulen errichtet hatten.

Lancelot, der Pädagog von Port-Royal, verfolgte schon seit seiner Ju¬
gend ein Ideal und erkannte bald im Unterrichtswesen seinen Beruf. Was
wären die Schulen von Port-Royal ohne ihn gewesen; er war der Humanist,
der Hellenist, der Mathematiker, besonders aber Methodiker, der die grie¬
chische, lateinische, italienische und spanische Methode verfaßte und die be¬
rühmte "Kraminairs ^nsrals" schrieb.

Andere ausgezeichnete Lehrer standen Lancelot zur Seite, wie Walon de
Beaupuis, Nicole, Guyot, Confect und bewirkten, daß ungeachtet mancher
Fehlgriffe diese kleinen Schulen, welche nur fünfzehn Jahre dauerten, inmitten
von Anfechtungen ohne Zahl, eine große und weitgehende Bedeutung errangen.
Es gingen gute Bücher aus denselben hervor, dauerhafte Methoden, welche
zum Theil in die Universitäten Eingang fanden, und Männer, die in ihrem
Zeitalter eine Rolle spielten.

Als Lancelot die Leitung der Schulen übernahm, mehrte sich bald die
Zahl der Kinder derartig, daß man noch eine größere Schule in Paris zu er¬
richten beschloß. Dies geschah zu Ende des Jahres 1646. Hinsichtlich der
Methode wurde der Grundsatz durchgeführt, möglichst wenige Schüler in
einer Klasse zu vereinigen, damit jedem einzelnen die nöthige Aufmerksamkeit
gewidmet werden könne. Nieole lehrte Philosophie und Humaniora, Lance-
lot griechisch und Mathematik. Aber kaum waren diese Schulen aufgeblüht,
so gingen auch schon die Hetzereien und Verfolgungen los. In einem Briefe
der Mutter Angelika an die Königin von Polen beklagt sich dieselbe über
die mannigfachen Anfeindungen, die die Bestrebungen Port-Royals erführen.
Die Schulen zu Paris mußten aufgelöst werden und wurden nun in die
Nähe von Chevreuse und Versailles gelegt. Hier studirte um das Jahr
1865 der junge Racine.


das Verdienst Port-Royals für die Erziehung der Jugend. Schon Saint-
Cyran hatte kleine Waisen zu sich genommen, „um sie in seiner Abtei zu
ernähren." Er liebe die Kinder sehr, sagte er zu Le Maitre und er stelle
es sich zur Ausgabe ihnen zu dienen. Diese Aufgabe war in ganz Port-
Royal eine gemeinsame. Hamon und Nicole verbanden sich hier mit dem
großen Meister Lancelot.

Es war damals, ehe man in ein College eintreten konnte, nothwendig,
daß die Kinder einen Vorbereitungs-Cursus durchmachen mußten und diese
Vorbereitung geschah entweder in der Familie oder in kleinen Schulen. Als
Port-Royal eine solche Vorbereitungsschule errichtete, machte es damit der
Universität noch keine Konkurrenz, später aber behielt-es seine Schule auch
noch für die weiteren Studien bei und es hatte Recht, denn die Universität
war in Verfall. Die Jesuiten agitirten eifrig hiergegen, obgleich sie eben¬
falls ungesetzlicher Weise Schulen errichtet hatten.

Lancelot, der Pädagog von Port-Royal, verfolgte schon seit seiner Ju¬
gend ein Ideal und erkannte bald im Unterrichtswesen seinen Beruf. Was
wären die Schulen von Port-Royal ohne ihn gewesen; er war der Humanist,
der Hellenist, der Mathematiker, besonders aber Methodiker, der die grie¬
chische, lateinische, italienische und spanische Methode verfaßte und die be¬
rühmte „Kraminairs ^nsrals" schrieb.

Andere ausgezeichnete Lehrer standen Lancelot zur Seite, wie Walon de
Beaupuis, Nicole, Guyot, Confect und bewirkten, daß ungeachtet mancher
Fehlgriffe diese kleinen Schulen, welche nur fünfzehn Jahre dauerten, inmitten
von Anfechtungen ohne Zahl, eine große und weitgehende Bedeutung errangen.
Es gingen gute Bücher aus denselben hervor, dauerhafte Methoden, welche
zum Theil in die Universitäten Eingang fanden, und Männer, die in ihrem
Zeitalter eine Rolle spielten.

Als Lancelot die Leitung der Schulen übernahm, mehrte sich bald die
Zahl der Kinder derartig, daß man noch eine größere Schule in Paris zu er¬
richten beschloß. Dies geschah zu Ende des Jahres 1646. Hinsichtlich der
Methode wurde der Grundsatz durchgeführt, möglichst wenige Schüler in
einer Klasse zu vereinigen, damit jedem einzelnen die nöthige Aufmerksamkeit
gewidmet werden könne. Nieole lehrte Philosophie und Humaniora, Lance-
lot griechisch und Mathematik. Aber kaum waren diese Schulen aufgeblüht,
so gingen auch schon die Hetzereien und Verfolgungen los. In einem Briefe
der Mutter Angelika an die Königin von Polen beklagt sich dieselbe über
die mannigfachen Anfeindungen, die die Bestrebungen Port-Royals erführen.
Die Schulen zu Paris mußten aufgelöst werden und wurden nun in die
Nähe von Chevreuse und Versailles gelegt. Hier studirte um das Jahr
1865 der junge Racine.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/201>, abgerufen am 02.07.2024.