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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Productionen der modernen Fabrikarbeit, Namen und Formen waren immer
neue. Von Arbeiten in edlen Metallen ist natürlich wenig auf uns gekom¬
men; der Werth des Metalls führte zu allen Zeiten die Zerstörung mit sich.
Um so bezeichnender ist es, wenn wir unter den vorhandenen nicht zahlreichen
Stücken noch die Einwirkung jener Verhältnisse erkennen können. Mys hatte
die Zerstörung Troias an einem Silbergefäß gebildet: die schöne Silber¬
schäle in München stellt Neoptolamus unter den gefangenen Troern und
Troerinnen vor. Zopyrus stellte das Urtheil des Areopags über
Orestes vor: der Corsinische Silberbecher zeigt denselben Gegenstand. Py-
theas bildtteOdysseus und Diomedes beim Rande des Palladiums: die¬
selbe Vorstellung findet sich an einem Silbergefäße des bei Berthouville in
der Normandie gefundenen Schatzes eines Mercurtempels, jetzt in Paris. In
Pompeji ist ein zusammengehöriges Becherpaar gefunden, auf welchem
Amoren von Centauren getragen werden, durchaus verwandte Dar¬
stellungen von Centauren und Amoren sind auf zwei Bechern des eben
erwähnten Mereursschatzes von Berthouville: Centauren und Bac¬
chanten hatte Acragas auf Silberbechern dargestellt. Wie weit hier an
eigentliche Copien zu denken sei, muß dahin gestellt bleiben; der bestimmte
Einfluß der Moderichtung ist unverkennbar.

In Rom sehen wir überhaupt die Mode auch auf dem Gebiete der
Kunst vollständig zur Herrschaft kommen. Von jeher als etwas Aeußerliches,
als eine Sache des Luxus angesehen, hatte sie dort weder ein allgemeineres
Verständniß noch eine selbständige Kunstübung hervorgerufen. Aber sie fand dort
ein zahlreiches Publikum reicher Leute, welche den Besitz von Kunstwerken
für ein Erforderniß des Anstandes und der Bildung hielten, und ohne
Selbständigkeit des Urtheils oder Geschmacks Werth darauf legten, dasselbe
zu 'besitzen, dessen angesehene Leute sich rühmten, und in derselben Weise ihre
Häuser und Gärten zu schmücken, wie es allgemein für geschmackvoll galt.
Indem die Kunst hier wesentlich in den Dienst der Privaten sich begab, bei
denen nur ausnahmsweise gebildeter Kunstsinn, oder auch eingebildete Kunst¬
liebhaberei, sondern in der Regel Fügsamkeit gegen den allgemein herrschen¬
den Ton maßgebend war, unterwarf sie sich in der That der Mode. Wie
dieser allgemeine Ton des Kunstgeschmackes in seinen wechselnden Erschei¬
nungen zu Stande kam, ist, wie überhaupt, so auch hier nicht leicht im
Einzelnen zu erkennen und nachzuweisen. Die Geschmacksrichtung der Kaiser
hat, wie in der Literatur, so auch in der Kunst sicherlich einen gewissen
Einfluß geübt. Zunächst unverkennbar in der monumentalen Kunst, welche
wesentlich von ihnen ausging, dann offenbar ebensowohl durch die Paläste,
welche sie erbauten und ausschmückten, als durch die großen Anlagen, welche
sie für das Publikum herstellten. Denn es konnte nicht fehlen, daß für die


Productionen der modernen Fabrikarbeit, Namen und Formen waren immer
neue. Von Arbeiten in edlen Metallen ist natürlich wenig auf uns gekom¬
men; der Werth des Metalls führte zu allen Zeiten die Zerstörung mit sich.
Um so bezeichnender ist es, wenn wir unter den vorhandenen nicht zahlreichen
Stücken noch die Einwirkung jener Verhältnisse erkennen können. Mys hatte
die Zerstörung Troias an einem Silbergefäß gebildet: die schöne Silber¬
schäle in München stellt Neoptolamus unter den gefangenen Troern und
Troerinnen vor. Zopyrus stellte das Urtheil des Areopags über
Orestes vor: der Corsinische Silberbecher zeigt denselben Gegenstand. Py-
theas bildtteOdysseus und Diomedes beim Rande des Palladiums: die¬
selbe Vorstellung findet sich an einem Silbergefäße des bei Berthouville in
der Normandie gefundenen Schatzes eines Mercurtempels, jetzt in Paris. In
Pompeji ist ein zusammengehöriges Becherpaar gefunden, auf welchem
Amoren von Centauren getragen werden, durchaus verwandte Dar¬
stellungen von Centauren und Amoren sind auf zwei Bechern des eben
erwähnten Mereursschatzes von Berthouville: Centauren und Bac¬
chanten hatte Acragas auf Silberbechern dargestellt. Wie weit hier an
eigentliche Copien zu denken sei, muß dahin gestellt bleiben; der bestimmte
Einfluß der Moderichtung ist unverkennbar.

In Rom sehen wir überhaupt die Mode auch auf dem Gebiete der
Kunst vollständig zur Herrschaft kommen. Von jeher als etwas Aeußerliches,
als eine Sache des Luxus angesehen, hatte sie dort weder ein allgemeineres
Verständniß noch eine selbständige Kunstübung hervorgerufen. Aber sie fand dort
ein zahlreiches Publikum reicher Leute, welche den Besitz von Kunstwerken
für ein Erforderniß des Anstandes und der Bildung hielten, und ohne
Selbständigkeit des Urtheils oder Geschmacks Werth darauf legten, dasselbe
zu 'besitzen, dessen angesehene Leute sich rühmten, und in derselben Weise ihre
Häuser und Gärten zu schmücken, wie es allgemein für geschmackvoll galt.
Indem die Kunst hier wesentlich in den Dienst der Privaten sich begab, bei
denen nur ausnahmsweise gebildeter Kunstsinn, oder auch eingebildete Kunst¬
liebhaberei, sondern in der Regel Fügsamkeit gegen den allgemein herrschen¬
den Ton maßgebend war, unterwarf sie sich in der That der Mode. Wie
dieser allgemeine Ton des Kunstgeschmackes in seinen wechselnden Erschei¬
nungen zu Stande kam, ist, wie überhaupt, so auch hier nicht leicht im
Einzelnen zu erkennen und nachzuweisen. Die Geschmacksrichtung der Kaiser
hat, wie in der Literatur, so auch in der Kunst sicherlich einen gewissen
Einfluß geübt. Zunächst unverkennbar in der monumentalen Kunst, welche
wesentlich von ihnen ausging, dann offenbar ebensowohl durch die Paläste,
welche sie erbauten und ausschmückten, als durch die großen Anlagen, welche
sie für das Publikum herstellten. Denn es konnte nicht fehlen, daß für die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/193>, abgerufen am 02.07.2024.