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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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ders bei der Arbeit aus Gold und Elfenbein angewendet, dann auch selb¬
ständig. Der älteste und bekannteste Künstler der Art Mys arbeitete nach
Zeichnungen von keinem geringeren Meister als Parrh asios; der Benvenuto
Cellini des Alterthums, dessen Namen später typisch geworden ist, war
Mentor, und doch wollten Kunstkenner nur vier Becherpaare als wirk¬
lich von ihm herrührerd anerkennen. Silberbecher mit Relief verziert wurden
nämlich die Hauptaufgabe dieser Künstler, und diese pflegte man paarweise
zu arbeiten. Zur höchsten Blüthe kam dieser Kunstzweig unter den Diadochen
in Asien; die ganz überwiegende Zahl der uns bekannten Tornuten lebte
um diese Zeit und war aus Asien gebürtig. Es ist bezeichnend, wie diese
griechischen Künstler statt des Prunkens mit dem kostbaren Metall und der
' ornamentalen BeHandlungsweise, Darstellungen der griechischen Sage einführ¬
ten, und den knappen Raum von Bechern und Schalen mit sinnreichen Compo-
sitionen in vollendeter technischer Ausführung schmücken, ganz der Richtung
entsprechend, welche auch die Poesie jener Zeit nahm. Indessen war die
Blüthezeit der Toreutik kurz, die Zahl der nahmhasten Künstler klein: als
Rom mit den Silbergefäßen der asiatischen Paläste erfüllt wurde, und es
zum beliebtesten Luxus wurde, die Schenktische mit kunstreich gearbeiteten
Silbergeräth auszustatten, gab es keine Künstler, welche die Anforderungen
der Liebhaber befriedigen konnten. Nur altes Silbergeräth wurde gesucht,
mit enormen Preisen bezahlt und mit einer fanatischen Liebhaberei geschätzt
und gepriesen. Da es an reichen Käufern nicht fehlte, so ließ der Kunst¬
handel alle Mittel spielen, und wiewohl die Kunstkennerschaft gerade auf
diesem Gebiete sich mit Vorliebe bewegte, so wurde es doch zu einem Haupt¬
tummelplatz des Kunstbetrugs. Waren auch nicht alle Liebhaber so un¬
wissend wie Petrons steinreicher Trimalchio, der Becher hat, auf denen
vorgestellt ist, "wie Cassandra ihre Kinder tödtet, die Kinder so natürlich
daliegen, daß man denkt sie leben; oder wie Dädalus Niobe ins troja¬
nische Pferd einschließt, alle schwerwichtig", so war doch die Art gewiß häufig
genug vertreten. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn damals fast alle
nahmhaften Bildhauer der früheren Zeit ihr Contingent auf die Büffels der
römischen Liebhaber stellen mußten. Daneben wurde das harmlosere Geschäft
des Copirens schwunghaft betrieben. Die Mehrzahl auch des wohlhabenden
Publikums mußte zufrieden sein, Nachbilder berühmter Originale zu besitzen,
und solche herzustellen war daher die Hauptaufgabe der Kunstindustrie. Ein,
berühmter Künstler der Neronischen Zeit, Zenodorus, copierte meisterhaft
zwei Becher des Calamis, daß man fast keinen Unterschied bemerkte, wie
um zu zeigen, daß er mit ihm wetteifern könnte; von Einfluß auf die
Kunstübung war das nicht. Neben diesem zähen Festhalten am "alten Silber¬
zeug" herrschte dagegen ein ebenso rascher Wechsel im Geschmack an den


ders bei der Arbeit aus Gold und Elfenbein angewendet, dann auch selb¬
ständig. Der älteste und bekannteste Künstler der Art Mys arbeitete nach
Zeichnungen von keinem geringeren Meister als Parrh asios; der Benvenuto
Cellini des Alterthums, dessen Namen später typisch geworden ist, war
Mentor, und doch wollten Kunstkenner nur vier Becherpaare als wirk¬
lich von ihm herrührerd anerkennen. Silberbecher mit Relief verziert wurden
nämlich die Hauptaufgabe dieser Künstler, und diese pflegte man paarweise
zu arbeiten. Zur höchsten Blüthe kam dieser Kunstzweig unter den Diadochen
in Asien; die ganz überwiegende Zahl der uns bekannten Tornuten lebte
um diese Zeit und war aus Asien gebürtig. Es ist bezeichnend, wie diese
griechischen Künstler statt des Prunkens mit dem kostbaren Metall und der
' ornamentalen BeHandlungsweise, Darstellungen der griechischen Sage einführ¬
ten, und den knappen Raum von Bechern und Schalen mit sinnreichen Compo-
sitionen in vollendeter technischer Ausführung schmücken, ganz der Richtung
entsprechend, welche auch die Poesie jener Zeit nahm. Indessen war die
Blüthezeit der Toreutik kurz, die Zahl der nahmhasten Künstler klein: als
Rom mit den Silbergefäßen der asiatischen Paläste erfüllt wurde, und es
zum beliebtesten Luxus wurde, die Schenktische mit kunstreich gearbeiteten
Silbergeräth auszustatten, gab es keine Künstler, welche die Anforderungen
der Liebhaber befriedigen konnten. Nur altes Silbergeräth wurde gesucht,
mit enormen Preisen bezahlt und mit einer fanatischen Liebhaberei geschätzt
und gepriesen. Da es an reichen Käufern nicht fehlte, so ließ der Kunst¬
handel alle Mittel spielen, und wiewohl die Kunstkennerschaft gerade auf
diesem Gebiete sich mit Vorliebe bewegte, so wurde es doch zu einem Haupt¬
tummelplatz des Kunstbetrugs. Waren auch nicht alle Liebhaber so un¬
wissend wie Petrons steinreicher Trimalchio, der Becher hat, auf denen
vorgestellt ist, „wie Cassandra ihre Kinder tödtet, die Kinder so natürlich
daliegen, daß man denkt sie leben; oder wie Dädalus Niobe ins troja¬
nische Pferd einschließt, alle schwerwichtig", so war doch die Art gewiß häufig
genug vertreten. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn damals fast alle
nahmhaften Bildhauer der früheren Zeit ihr Contingent auf die Büffels der
römischen Liebhaber stellen mußten. Daneben wurde das harmlosere Geschäft
des Copirens schwunghaft betrieben. Die Mehrzahl auch des wohlhabenden
Publikums mußte zufrieden sein, Nachbilder berühmter Originale zu besitzen,
und solche herzustellen war daher die Hauptaufgabe der Kunstindustrie. Ein,
berühmter Künstler der Neronischen Zeit, Zenodorus, copierte meisterhaft
zwei Becher des Calamis, daß man fast keinen Unterschied bemerkte, wie
um zu zeigen, daß er mit ihm wetteifern könnte; von Einfluß auf die
Kunstübung war das nicht. Neben diesem zähen Festhalten am „alten Silber¬
zeug" herrschte dagegen ein ebenso rascher Wechsel im Geschmack an den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/192>, abgerufen am 02.07.2024.