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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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aus dem Grundcharakter des Kunstwerks hervorgehen, auf deren Handhabung
die Einheit desselben beruht. Allerdings liegt die Gefahr nahe, daß, wenn
statt einsichtiger Abwägung der verschiedenen Momente irgendwie einseitige
Willkür maßgebend wird, Manierirtes zum Vorschein komme; allein die
Forderung ist im Wesen der Kunst begründet. Sie begriffen und befriedigt
zu haben ist die Leistung der griechischen Architectur, welcher die Durchbildung
der verschiedenen, bei anderen Völkern theils unentwickelt gebliebenen, ti,eilf
unvermittelt neben einander stehenden, Elemente zu klarer einheitlicher Har¬
monie gelungen ist. Es leuchtet ein, daß diese Forderung stilistischer Ueber¬
einstimmung auch auf die Theile Anwendung fand, wo die bildende Kunst
mehr selbständig mitwirkte, und daß die charakteristischen Züge der älteren
Kunstweise, die scharfen strengen Umrisse, die symmetrische Anordnung, die
gradlinigen, steifen Falten, dem Charakter der architectonischen Formen um
so mehr entsprechen, je ernster und fester diese gehalten sind. Wenn man
diese also beibehielt, wo es für die einheitliche Wirkung eines in einem be¬
stimmten Stil ausgeführten architectonischen Ganzen erforderlich schien, so
kann sich in dieser Anwendung eines bestimmten künstlerischen Ausdrucks¬
mittels ein fein gebildetes Stilgefühl zu erkennen geben. So gut wie dem
religiösen Gefühl wird man auch dem künstlerischen, wo es sich um bewußte
Anwendung künstlerischer Formen handelt, welche einer früheren Zeit ange¬
boren, sein Recht zugestehen müssen. Aber lebendig wirksam, auf wirklichem
Verständniß der Kunstgesetze beruhend muß es sein, um sich dieses Recht zu
erwerben. Aus der Kaiserzeit sind zahlreiche,' in Formen gepreßte Terra-
cottaplatten mit Reliefs erhalten, welche zur Verzierung von Grabmälern, klei¬
nen Heiligthümern, Zimmeranlagen, als Friese, Metopen u. s. f., in die Wand
eingelassen, verwendet wurden. Wir finden hier, sowohl in den Reliefs als
in der Ornamentik, bei überwiegendem Vorherrschen des freiesten Stils nicht
wenige Beispiele, wo die alterthümliche Weise äußerlich angewendet erscheint.
Hier müssen wir eine Vermischung der verschiedenen Richtungen annehmen,
welche allein der Laune folgt, und ebenso sehr das Gegentheil von Stilge¬
fühl beweist, wie wenn ein Relief alterthümlichen Stils von frei entwickelter
Ornamentik eingerahmt erscheint.

Die Mode übt natürlich da auf die Kunst wesentlich Einfluß, wo
diese auf dem derselben unterworfenen Gebiet hilfreich eintritt, hauptsächlich
wo es Schmuck und Verzierung von Räumlichkeiten, Geräthen und dergleichen
gibt. Die Etrusker liebten es ihr Erz geräth, Dreifüße, Candalaber.
Gefäße aller Art reich zu verzieren und namentlich, wo es sich thun ließ,
die menschliche Gestalt dabei zu verwenden. Da sie sehr geschickte Erzarbeiter
waren, so war dies sauber und sorgfältig ausgeführte Geräthe auch aus¬
wärts gesucht; selbst in Griechenland war es geschätzt, und neuere Ausgra-


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aus dem Grundcharakter des Kunstwerks hervorgehen, auf deren Handhabung
die Einheit desselben beruht. Allerdings liegt die Gefahr nahe, daß, wenn
statt einsichtiger Abwägung der verschiedenen Momente irgendwie einseitige
Willkür maßgebend wird, Manierirtes zum Vorschein komme; allein die
Forderung ist im Wesen der Kunst begründet. Sie begriffen und befriedigt
zu haben ist die Leistung der griechischen Architectur, welcher die Durchbildung
der verschiedenen, bei anderen Völkern theils unentwickelt gebliebenen, ti,eilf
unvermittelt neben einander stehenden, Elemente zu klarer einheitlicher Har¬
monie gelungen ist. Es leuchtet ein, daß diese Forderung stilistischer Ueber¬
einstimmung auch auf die Theile Anwendung fand, wo die bildende Kunst
mehr selbständig mitwirkte, und daß die charakteristischen Züge der älteren
Kunstweise, die scharfen strengen Umrisse, die symmetrische Anordnung, die
gradlinigen, steifen Falten, dem Charakter der architectonischen Formen um
so mehr entsprechen, je ernster und fester diese gehalten sind. Wenn man
diese also beibehielt, wo es für die einheitliche Wirkung eines in einem be¬
stimmten Stil ausgeführten architectonischen Ganzen erforderlich schien, so
kann sich in dieser Anwendung eines bestimmten künstlerischen Ausdrucks¬
mittels ein fein gebildetes Stilgefühl zu erkennen geben. So gut wie dem
religiösen Gefühl wird man auch dem künstlerischen, wo es sich um bewußte
Anwendung künstlerischer Formen handelt, welche einer früheren Zeit ange¬
boren, sein Recht zugestehen müssen. Aber lebendig wirksam, auf wirklichem
Verständniß der Kunstgesetze beruhend muß es sein, um sich dieses Recht zu
erwerben. Aus der Kaiserzeit sind zahlreiche,' in Formen gepreßte Terra-
cottaplatten mit Reliefs erhalten, welche zur Verzierung von Grabmälern, klei¬
nen Heiligthümern, Zimmeranlagen, als Friese, Metopen u. s. f., in die Wand
eingelassen, verwendet wurden. Wir finden hier, sowohl in den Reliefs als
in der Ornamentik, bei überwiegendem Vorherrschen des freiesten Stils nicht
wenige Beispiele, wo die alterthümliche Weise äußerlich angewendet erscheint.
Hier müssen wir eine Vermischung der verschiedenen Richtungen annehmen,
welche allein der Laune folgt, und ebenso sehr das Gegentheil von Stilge¬
fühl beweist, wie wenn ein Relief alterthümlichen Stils von frei entwickelter
Ornamentik eingerahmt erscheint.

Die Mode übt natürlich da auf die Kunst wesentlich Einfluß, wo
diese auf dem derselben unterworfenen Gebiet hilfreich eintritt, hauptsächlich
wo es Schmuck und Verzierung von Räumlichkeiten, Geräthen und dergleichen
gibt. Die Etrusker liebten es ihr Erz geräth, Dreifüße, Candalaber.
Gefäße aller Art reich zu verzieren und namentlich, wo es sich thun ließ,
die menschliche Gestalt dabei zu verwenden. Da sie sehr geschickte Erzarbeiter
waren, so war dies sauber und sorgfältig ausgeführte Geräthe auch aus¬
wärts gesucht; selbst in Griechenland war es geschätzt, und neuere Ausgra-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/189>, abgerufen am 02.07.2024.