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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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monatlich die Lohnzahlung erfolgt und auch nur nach vorangegangener
monatlicher Kündigung der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeiter aus jenem
Mietsvertrag heraustreten können. Hier liegt die Möglichkeit vor. den Lohn¬
anspruch für diese ganze Zeit mit Beschlag zu belegen. Denn wenn auch die
Fälligkeit des Anspruches erst nach Ablauf jenes Monats eintritt, wenn auch
der Arbeitgeber vielleicht sogar von der Zahlungspflicht durch besondere Gründe
wiederum befreit werden kann. so ist doch die Existenz des Anspruches hier
zweifellos, sobald man in jenen neuen Zeitabschnitt eingetreten ist.

Daraus ergibt sich, daß die zeitliche Wirksamkeit der Beschlaglegung ab-
hängt von den Zeitabschnitten, welche nach der Individualität des bestehen¬
den Dienstmiethevertrages als Einheiten für die rechtliche Verbindlichkeit der
Contrahenten und somit für die Entstehung der Lohnansprüche aufzufassen
sind. Mit dem Ablauf jeder solcher Zeiteinheit würde die Wirkung des Be-
schlages wegfallen und es würde eine Wiederholung nöthig werden, welche,
rechtzeitig vorgenommen, den Gläubiger in den Stand setzen würde, sich die
ganze Befriedigung zu verschaffen. -- Endlich bedarf es kaum der Erwäh¬
nung, daß rückständige Löhne von unserer Frage gar nicht berührt werden.
Hat der Arbeiter für frühere Arbeit eine bereits fällige Forderung, so liegt
auf der Hand, daß deren Eintreibung ohne Aufschub dem Gläubiger zusteht.

So weit die rechtliche Seite. Die Zweifellosigkeit der einzelnen Rechtssätze
wird den Juristen völlig befriedigen auch Angesichts der harten Consequenzen,
welche für den Arbeiter aus ihnen entspringen. Betrachten wir dieselben näher.

Zuerst springt in die Augen, daß durch diese Beschlagnahme künftiger
Löhne die Lage des Arbeitgebers beeinflußt wird. Er wird genöthigt, Buch
zu führen über diejenigen Ansprüche, zu deren Deckung die Lohnansprüche
seiner Arbeiter bei ihm mit Beschlag belegt sind; den Betrag der Forderung,
ihre theilweise Tilgung durch vereinbarte oder von Gericht etwa angeordnete
Theilzahlungen, die Ausrechnung dieser letzteren bei der Löhnung, alles das
muß er im Auge behalten, denn jedes Ueberschreiten der gerichtlichen An¬
ordnung würde ihn verpflichten, aufs neue an den Gläubiger seines Arbeiters
zu zahlen, der allein gültige Zahlung von ihm annehmen kann. Bedenkt
man nun, welche Dimensionen solche Verkümmerung annehmen kann, wo es
sich um Hunderte von Arbeitern handelt, hört man beispielsweise, daß im
Kruppschen Etablissement in einem Vierteljahr die Zahl der Beschlagnahmen
sich auf 1630belief. so stellt sich heraus, daß die Buchführung über die Lohn-
Zahlungen außerordentlich erschwert und dem Dienstherrn eine Mehrarbeit
aufgebürdet ist, für welche er durch gar nichts entschädigt wird. Kein Wun¬
der daher, wenn er sich derselben zu entziehen sucht und, wo nicht Mangel an
Arbeitskräften ihn zur Nachsicht zwingt, ohne Schonung den Geschäftsgrund¬
satz festhält, daß sich jeder Arbeiter sofortiger Entlassung zu gewärtigen habe,


monatlich die Lohnzahlung erfolgt und auch nur nach vorangegangener
monatlicher Kündigung der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeiter aus jenem
Mietsvertrag heraustreten können. Hier liegt die Möglichkeit vor. den Lohn¬
anspruch für diese ganze Zeit mit Beschlag zu belegen. Denn wenn auch die
Fälligkeit des Anspruches erst nach Ablauf jenes Monats eintritt, wenn auch
der Arbeitgeber vielleicht sogar von der Zahlungspflicht durch besondere Gründe
wiederum befreit werden kann. so ist doch die Existenz des Anspruches hier
zweifellos, sobald man in jenen neuen Zeitabschnitt eingetreten ist.

Daraus ergibt sich, daß die zeitliche Wirksamkeit der Beschlaglegung ab-
hängt von den Zeitabschnitten, welche nach der Individualität des bestehen¬
den Dienstmiethevertrages als Einheiten für die rechtliche Verbindlichkeit der
Contrahenten und somit für die Entstehung der Lohnansprüche aufzufassen
sind. Mit dem Ablauf jeder solcher Zeiteinheit würde die Wirkung des Be-
schlages wegfallen und es würde eine Wiederholung nöthig werden, welche,
rechtzeitig vorgenommen, den Gläubiger in den Stand setzen würde, sich die
ganze Befriedigung zu verschaffen. — Endlich bedarf es kaum der Erwäh¬
nung, daß rückständige Löhne von unserer Frage gar nicht berührt werden.
Hat der Arbeiter für frühere Arbeit eine bereits fällige Forderung, so liegt
auf der Hand, daß deren Eintreibung ohne Aufschub dem Gläubiger zusteht.

So weit die rechtliche Seite. Die Zweifellosigkeit der einzelnen Rechtssätze
wird den Juristen völlig befriedigen auch Angesichts der harten Consequenzen,
welche für den Arbeiter aus ihnen entspringen. Betrachten wir dieselben näher.

Zuerst springt in die Augen, daß durch diese Beschlagnahme künftiger
Löhne die Lage des Arbeitgebers beeinflußt wird. Er wird genöthigt, Buch
zu führen über diejenigen Ansprüche, zu deren Deckung die Lohnansprüche
seiner Arbeiter bei ihm mit Beschlag belegt sind; den Betrag der Forderung,
ihre theilweise Tilgung durch vereinbarte oder von Gericht etwa angeordnete
Theilzahlungen, die Ausrechnung dieser letzteren bei der Löhnung, alles das
muß er im Auge behalten, denn jedes Ueberschreiten der gerichtlichen An¬
ordnung würde ihn verpflichten, aufs neue an den Gläubiger seines Arbeiters
zu zahlen, der allein gültige Zahlung von ihm annehmen kann. Bedenkt
man nun, welche Dimensionen solche Verkümmerung annehmen kann, wo es
sich um Hunderte von Arbeitern handelt, hört man beispielsweise, daß im
Kruppschen Etablissement in einem Vierteljahr die Zahl der Beschlagnahmen
sich auf 1630belief. so stellt sich heraus, daß die Buchführung über die Lohn-
Zahlungen außerordentlich erschwert und dem Dienstherrn eine Mehrarbeit
aufgebürdet ist, für welche er durch gar nichts entschädigt wird. Kein Wun¬
der daher, wenn er sich derselben zu entziehen sucht und, wo nicht Mangel an
Arbeitskräften ihn zur Nachsicht zwingt, ohne Schonung den Geschäftsgrund¬
satz festhält, daß sich jeder Arbeiter sofortiger Entlassung zu gewärtigen habe,


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[0173] monatlich die Lohnzahlung erfolgt und auch nur nach vorangegangener monatlicher Kündigung der Arbeitgeber sowohl wie der Arbeiter aus jenem Mietsvertrag heraustreten können. Hier liegt die Möglichkeit vor. den Lohn¬ anspruch für diese ganze Zeit mit Beschlag zu belegen. Denn wenn auch die Fälligkeit des Anspruches erst nach Ablauf jenes Monats eintritt, wenn auch der Arbeitgeber vielleicht sogar von der Zahlungspflicht durch besondere Gründe wiederum befreit werden kann. so ist doch die Existenz des Anspruches hier zweifellos, sobald man in jenen neuen Zeitabschnitt eingetreten ist. Daraus ergibt sich, daß die zeitliche Wirksamkeit der Beschlaglegung ab- hängt von den Zeitabschnitten, welche nach der Individualität des bestehen¬ den Dienstmiethevertrages als Einheiten für die rechtliche Verbindlichkeit der Contrahenten und somit für die Entstehung der Lohnansprüche aufzufassen sind. Mit dem Ablauf jeder solcher Zeiteinheit würde die Wirkung des Be- schlages wegfallen und es würde eine Wiederholung nöthig werden, welche, rechtzeitig vorgenommen, den Gläubiger in den Stand setzen würde, sich die ganze Befriedigung zu verschaffen. — Endlich bedarf es kaum der Erwäh¬ nung, daß rückständige Löhne von unserer Frage gar nicht berührt werden. Hat der Arbeiter für frühere Arbeit eine bereits fällige Forderung, so liegt auf der Hand, daß deren Eintreibung ohne Aufschub dem Gläubiger zusteht. So weit die rechtliche Seite. Die Zweifellosigkeit der einzelnen Rechtssätze wird den Juristen völlig befriedigen auch Angesichts der harten Consequenzen, welche für den Arbeiter aus ihnen entspringen. Betrachten wir dieselben näher. Zuerst springt in die Augen, daß durch diese Beschlagnahme künftiger Löhne die Lage des Arbeitgebers beeinflußt wird. Er wird genöthigt, Buch zu führen über diejenigen Ansprüche, zu deren Deckung die Lohnansprüche seiner Arbeiter bei ihm mit Beschlag belegt sind; den Betrag der Forderung, ihre theilweise Tilgung durch vereinbarte oder von Gericht etwa angeordnete Theilzahlungen, die Ausrechnung dieser letzteren bei der Löhnung, alles das muß er im Auge behalten, denn jedes Ueberschreiten der gerichtlichen An¬ ordnung würde ihn verpflichten, aufs neue an den Gläubiger seines Arbeiters zu zahlen, der allein gültige Zahlung von ihm annehmen kann. Bedenkt man nun, welche Dimensionen solche Verkümmerung annehmen kann, wo es sich um Hunderte von Arbeitern handelt, hört man beispielsweise, daß im Kruppschen Etablissement in einem Vierteljahr die Zahl der Beschlagnahmen sich auf 1630belief. so stellt sich heraus, daß die Buchführung über die Lohn- Zahlungen außerordentlich erschwert und dem Dienstherrn eine Mehrarbeit aufgebürdet ist, für welche er durch gar nichts entschädigt wird. Kein Wun¬ der daher, wenn er sich derselben zu entziehen sucht und, wo nicht Mangel an Arbeitskräften ihn zur Nachsicht zwingt, ohne Schonung den Geschäftsgrund¬ satz festhält, daß sich jeder Arbeiter sofortiger Entlassung zu gewärtigen habe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/173>, abgerufen am 02.07.2024.