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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Parteien es bringen, sind verschämte Rheinbundsideen. Mögen sie sich den
norddeutschen Bund auch eine Zeitlang vom Halse halten, zu einer Organi¬
sation, welche demselben die Führung Deutschlands streitig machen könnte,
werden die süddeutschen Staaten und Völker es nimmermehr bringen. --

Was die norddeutschen kleinen Höfe anlangt, so läßt sich behaupten,
daß die Mehrzahl derselben sich in ihre neue Stellung erträglich rasch hin¬
eingefunden hat. Die Bundesgenossen as I" vents waren bereits mit gutem
Willen in die veränderten Verhältnisse getreten, den Verbündeten du lemle-
insin hat Preußen die Sache zurecht gelegt, daß ihnen nichts übrig blieb, als
gute Miene zum bösen Spiel zu machen -- in der Mehrzahl lebt zudem die
Erinnerung an die überwundene Todesgefahr zu deutlich fort, als daß sie
ihrer schlimmen Neigung freien Lauf zu lassen wagten. Wir sind weit davon
entfernt, den Glauben an die gute Gesinnung auch nur der meisten Glieder
des Bundesraths zu theilen, den die ofsiciöse berliner Presse zur Schau trägt,
wir wissen zu genau, daß und wo die Abneigung gegen das 1866 geschaffene
Verhältniß in der Stille genährt und gepflegt wird, um darüber im Zweifel
zu sein, daß das von dem Bundespräsidium gezeigte großmüthige Vertrauen
vielfach übel angebracht ist, -- wir sehen aber nirgend auch nur den Keim zur
Consolidirung einer Macht, welche eine selbständige Rolle spielen und den
Uebelwollenden zum Mittelpunkt und Anhalt dienen könnte. Mag noch so
viel raisonnirt und gescholten, laut und leise conspirirt und intriguirt wer¬
den, weder diesseit noch jenseit des Main ragt eine feinliche Gewalt, ragt
auch nur ein feindlicher Mann über dem bestimmbaren und unselbständigen
Haufen so deutlich hervor, daß er an Führerschaft der Gegner Preußens
denken könnte. In den Massen thut sich vielmehr ein starkes Gefühl
davon kund, daß das Gebahren der Parteien, welche auf eigene Hand
Politik treiben wollen, eitel Dunst und Schein ist und daß es in Deutsch¬
land nur einen Mann und nur eine Macht gibt, auf den Wollen und Nicht¬
wollen es ankommt. Und diese Macht ist Träger der deutschen Geschicke,
weil das Volk in ihr den Repräsentanten einer Nothwendigkeit sieht, die
sich wohl hemmen und kreuzen, auf die Dauer aber nicht mehr aufhalten
läßt. Freund und Feind müssen eingestehen, daß Preußen der Träger einer
wirklichen Politik ist und daß diese -- mag sie im übrigen gebilligt oder ge¬
scholten werden -- die einzige sei, die in Deutschland überhaupt noch getrie¬
ben wird.

Nicht "flammende Augen und klopfende Herzen" sind es, auf welche der
deutsche Patriot sich zu berufen hat, wenn er am zweiten Jahrestage der
Schlacht von Königgrätz nach den Bürgschaften für die Zukunft seines Vater¬
landes gefragt wird, aber er kann auf einen Staat verweisen, der unter
einer Welt von Trümmern groß und gefürchtet dasteht und die Hälfte seines


Parteien es bringen, sind verschämte Rheinbundsideen. Mögen sie sich den
norddeutschen Bund auch eine Zeitlang vom Halse halten, zu einer Organi¬
sation, welche demselben die Führung Deutschlands streitig machen könnte,
werden die süddeutschen Staaten und Völker es nimmermehr bringen. —

Was die norddeutschen kleinen Höfe anlangt, so läßt sich behaupten,
daß die Mehrzahl derselben sich in ihre neue Stellung erträglich rasch hin¬
eingefunden hat. Die Bundesgenossen as I» vents waren bereits mit gutem
Willen in die veränderten Verhältnisse getreten, den Verbündeten du lemle-
insin hat Preußen die Sache zurecht gelegt, daß ihnen nichts übrig blieb, als
gute Miene zum bösen Spiel zu machen — in der Mehrzahl lebt zudem die
Erinnerung an die überwundene Todesgefahr zu deutlich fort, als daß sie
ihrer schlimmen Neigung freien Lauf zu lassen wagten. Wir sind weit davon
entfernt, den Glauben an die gute Gesinnung auch nur der meisten Glieder
des Bundesraths zu theilen, den die ofsiciöse berliner Presse zur Schau trägt,
wir wissen zu genau, daß und wo die Abneigung gegen das 1866 geschaffene
Verhältniß in der Stille genährt und gepflegt wird, um darüber im Zweifel
zu sein, daß das von dem Bundespräsidium gezeigte großmüthige Vertrauen
vielfach übel angebracht ist, — wir sehen aber nirgend auch nur den Keim zur
Consolidirung einer Macht, welche eine selbständige Rolle spielen und den
Uebelwollenden zum Mittelpunkt und Anhalt dienen könnte. Mag noch so
viel raisonnirt und gescholten, laut und leise conspirirt und intriguirt wer¬
den, weder diesseit noch jenseit des Main ragt eine feinliche Gewalt, ragt
auch nur ein feindlicher Mann über dem bestimmbaren und unselbständigen
Haufen so deutlich hervor, daß er an Führerschaft der Gegner Preußens
denken könnte. In den Massen thut sich vielmehr ein starkes Gefühl
davon kund, daß das Gebahren der Parteien, welche auf eigene Hand
Politik treiben wollen, eitel Dunst und Schein ist und daß es in Deutsch¬
land nur einen Mann und nur eine Macht gibt, auf den Wollen und Nicht¬
wollen es ankommt. Und diese Macht ist Träger der deutschen Geschicke,
weil das Volk in ihr den Repräsentanten einer Nothwendigkeit sieht, die
sich wohl hemmen und kreuzen, auf die Dauer aber nicht mehr aufhalten
läßt. Freund und Feind müssen eingestehen, daß Preußen der Träger einer
wirklichen Politik ist und daß diese — mag sie im übrigen gebilligt oder ge¬
scholten werden — die einzige sei, die in Deutschland überhaupt noch getrie¬
ben wird.

Nicht „flammende Augen und klopfende Herzen" sind es, auf welche der
deutsche Patriot sich zu berufen hat, wenn er am zweiten Jahrestage der
Schlacht von Königgrätz nach den Bürgschaften für die Zukunft seines Vater¬
landes gefragt wird, aber er kann auf einen Staat verweisen, der unter
einer Welt von Trümmern groß und gefürchtet dasteht und die Hälfte seines


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[0017] Parteien es bringen, sind verschämte Rheinbundsideen. Mögen sie sich den norddeutschen Bund auch eine Zeitlang vom Halse halten, zu einer Organi¬ sation, welche demselben die Führung Deutschlands streitig machen könnte, werden die süddeutschen Staaten und Völker es nimmermehr bringen. — Was die norddeutschen kleinen Höfe anlangt, so läßt sich behaupten, daß die Mehrzahl derselben sich in ihre neue Stellung erträglich rasch hin¬ eingefunden hat. Die Bundesgenossen as I» vents waren bereits mit gutem Willen in die veränderten Verhältnisse getreten, den Verbündeten du lemle- insin hat Preußen die Sache zurecht gelegt, daß ihnen nichts übrig blieb, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen — in der Mehrzahl lebt zudem die Erinnerung an die überwundene Todesgefahr zu deutlich fort, als daß sie ihrer schlimmen Neigung freien Lauf zu lassen wagten. Wir sind weit davon entfernt, den Glauben an die gute Gesinnung auch nur der meisten Glieder des Bundesraths zu theilen, den die ofsiciöse berliner Presse zur Schau trägt, wir wissen zu genau, daß und wo die Abneigung gegen das 1866 geschaffene Verhältniß in der Stille genährt und gepflegt wird, um darüber im Zweifel zu sein, daß das von dem Bundespräsidium gezeigte großmüthige Vertrauen vielfach übel angebracht ist, — wir sehen aber nirgend auch nur den Keim zur Consolidirung einer Macht, welche eine selbständige Rolle spielen und den Uebelwollenden zum Mittelpunkt und Anhalt dienen könnte. Mag noch so viel raisonnirt und gescholten, laut und leise conspirirt und intriguirt wer¬ den, weder diesseit noch jenseit des Main ragt eine feinliche Gewalt, ragt auch nur ein feindlicher Mann über dem bestimmbaren und unselbständigen Haufen so deutlich hervor, daß er an Führerschaft der Gegner Preußens denken könnte. In den Massen thut sich vielmehr ein starkes Gefühl davon kund, daß das Gebahren der Parteien, welche auf eigene Hand Politik treiben wollen, eitel Dunst und Schein ist und daß es in Deutsch¬ land nur einen Mann und nur eine Macht gibt, auf den Wollen und Nicht¬ wollen es ankommt. Und diese Macht ist Träger der deutschen Geschicke, weil das Volk in ihr den Repräsentanten einer Nothwendigkeit sieht, die sich wohl hemmen und kreuzen, auf die Dauer aber nicht mehr aufhalten läßt. Freund und Feind müssen eingestehen, daß Preußen der Träger einer wirklichen Politik ist und daß diese — mag sie im übrigen gebilligt oder ge¬ scholten werden — die einzige sei, die in Deutschland überhaupt noch getrie¬ ben wird. Nicht „flammende Augen und klopfende Herzen" sind es, auf welche der deutsche Patriot sich zu berufen hat, wenn er am zweiten Jahrestage der Schlacht von Königgrätz nach den Bürgschaften für die Zukunft seines Vater¬ landes gefragt wird, aber er kann auf einen Staat verweisen, der unter einer Welt von Trümmern groß und gefürchtet dasteht und die Hälfte seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/17>, abgerufen am 30.06.2024.