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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Preußen überragt als wirklicher Bronzefelsen alles, was von Monarchie in
Deutschland übrig geblieben ist. Trotz der gewaltigen und zum Theil er¬
folgreichen Anstrengungen, welche Oestreich gemacht hat, sich von seinem
tiefen Falle zu erheben, wird es selbst in Süddeutschland bei Combinatio¬
nen für die deutsche Zukunft kaum mehr in Betracht gezogen, ist sein Aus¬
scheiden aus Deutschland von den eigenen Anhängern schneller als man
irgend glauben konnte verwunden worden. Die großdeutsche Demokratie,
welche noch beim letzten Jahreswechsel von Lobpreisungen der liberalen Wiener
Herrlichkeit überfloß, trägt schon seit längerer Zeit eine lebhafte Verstimmung
gegen die Begründer derselben zur Schau und kann es den Giskra, Brestl und
Auersperg nicht vergessen, daß sie offen und ehrlich mit den Träumen
östreichischer Oberhoheit über Deutschland gebrochen und "Erhaltung des Frie¬
dens" auf ihre Fahne geschrieben haben. Während die Großdeutschen frühe¬
rer Zeit stets mit den liberalen Deutsch-Oestreichern Hand in Hand, gingen,
werden neuerdings im Kreise derselben Stimmen laut, welche auf einen
Umschwung im Sinn des Föderalismus rechnen und von diesem das Werk der
"Befreiung Deutschlands" hoffen, das der östreichische Liberalismus umgethan
ließ -- ein sicheres Zeichen für die Größe der großdeutschen Hoffnungs¬
losigkeit. Von den verschiedenen Entwürfen, welche von süddeutschen Höfen
und Parteien ausgesponnen wurden, hat keiner Oestreich in Rechnung zu
ziehen gewagt, zumal seit dieser Staat aufgehört hat, das Bollwerk des
Ultramontanismus zu sein. Die stärkste der süddeutschen Monarchien, die
bairische, steht dem Gedanken an eine Verständigung mit Preußen näher
als je zu Zeiten des Bundestags; Baden hat seine Bereitwilligkeit zum
Eintritt wiederholt ausgesprochen, Würtemberg. der Hauptsitz der Opposition,
nimmt eine rein negative Stellung ein und gibt das Bild einer Plan- und
Rathlosigkeit ab, wie sie schlimmer und widerwärtiger kaum gedacht werden
kann. Die dessen-dalwigk'sche Regierung ist im eigenen Lande so verhaßt,
daß ihre Doppelstellung nur mühsam aufrecht erhalten werden kann --
den Großherzog von Baden ausgenommen, kann keiner der außerhalb des
neuen Bundes stehenden Fürsten sich rühmen, auch nur in seinem eigenen
Staate populär zu sein und irgend das Zeug zur Führung einer gegen den
Norden gerichteten Volksbewegung zu haben. Diese Regierungen leben von
der Hand in den Mund, entwürdigen sich durch schwachherziges Liebäugeln
mit den radicalen Parteien, schrecken vor jedem im Norden gesprochenen kräf¬
tigen Wort zusammen und richten ihren Credit langsam aber sicher zu Grunde.

Plan- und Ideenlosigkeit dieser Politik findet ihres Gleichen nur in dem
Gebahren jener sogenannten Volkspartei, welche gleichfalls blos den Mund
aufzumachen braucht, um sich ein Armuthszeugniß der schlimmsten Art aus¬
zustellen. Das Höchste, wozu specifisch-süddeutsche Volks- und Regierungs-


Preußen überragt als wirklicher Bronzefelsen alles, was von Monarchie in
Deutschland übrig geblieben ist. Trotz der gewaltigen und zum Theil er¬
folgreichen Anstrengungen, welche Oestreich gemacht hat, sich von seinem
tiefen Falle zu erheben, wird es selbst in Süddeutschland bei Combinatio¬
nen für die deutsche Zukunft kaum mehr in Betracht gezogen, ist sein Aus¬
scheiden aus Deutschland von den eigenen Anhängern schneller als man
irgend glauben konnte verwunden worden. Die großdeutsche Demokratie,
welche noch beim letzten Jahreswechsel von Lobpreisungen der liberalen Wiener
Herrlichkeit überfloß, trägt schon seit längerer Zeit eine lebhafte Verstimmung
gegen die Begründer derselben zur Schau und kann es den Giskra, Brestl und
Auersperg nicht vergessen, daß sie offen und ehrlich mit den Träumen
östreichischer Oberhoheit über Deutschland gebrochen und „Erhaltung des Frie¬
dens" auf ihre Fahne geschrieben haben. Während die Großdeutschen frühe¬
rer Zeit stets mit den liberalen Deutsch-Oestreichern Hand in Hand, gingen,
werden neuerdings im Kreise derselben Stimmen laut, welche auf einen
Umschwung im Sinn des Föderalismus rechnen und von diesem das Werk der
„Befreiung Deutschlands" hoffen, das der östreichische Liberalismus umgethan
ließ — ein sicheres Zeichen für die Größe der großdeutschen Hoffnungs¬
losigkeit. Von den verschiedenen Entwürfen, welche von süddeutschen Höfen
und Parteien ausgesponnen wurden, hat keiner Oestreich in Rechnung zu
ziehen gewagt, zumal seit dieser Staat aufgehört hat, das Bollwerk des
Ultramontanismus zu sein. Die stärkste der süddeutschen Monarchien, die
bairische, steht dem Gedanken an eine Verständigung mit Preußen näher
als je zu Zeiten des Bundestags; Baden hat seine Bereitwilligkeit zum
Eintritt wiederholt ausgesprochen, Würtemberg. der Hauptsitz der Opposition,
nimmt eine rein negative Stellung ein und gibt das Bild einer Plan- und
Rathlosigkeit ab, wie sie schlimmer und widerwärtiger kaum gedacht werden
kann. Die dessen-dalwigk'sche Regierung ist im eigenen Lande so verhaßt,
daß ihre Doppelstellung nur mühsam aufrecht erhalten werden kann —
den Großherzog von Baden ausgenommen, kann keiner der außerhalb des
neuen Bundes stehenden Fürsten sich rühmen, auch nur in seinem eigenen
Staate populär zu sein und irgend das Zeug zur Führung einer gegen den
Norden gerichteten Volksbewegung zu haben. Diese Regierungen leben von
der Hand in den Mund, entwürdigen sich durch schwachherziges Liebäugeln
mit den radicalen Parteien, schrecken vor jedem im Norden gesprochenen kräf¬
tigen Wort zusammen und richten ihren Credit langsam aber sicher zu Grunde.

Plan- und Ideenlosigkeit dieser Politik findet ihres Gleichen nur in dem
Gebahren jener sogenannten Volkspartei, welche gleichfalls blos den Mund
aufzumachen braucht, um sich ein Armuthszeugniß der schlimmsten Art aus¬
zustellen. Das Höchste, wozu specifisch-süddeutsche Volks- und Regierungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/16>, abgerufen am 30.06.2024.