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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Staatsanzeiger, um ja keinen Zweifel über die Meinung der Regierung zu
lassen, unter anderen Namen auch Mohl, Probst, Schott, Deffner als der
Regierung angenehme Candidaten bezeichnete. Kein Wunder, daß die Re¬
gierung vollends Alles daran setzt, um die Wahl Hölders, des Führers der
nationalen Partei, zu verhindern. Leider blieb dieser in Ballotage mit einem
gänzlich unbedeutenden Candidaten der Volkspartei. Die Regierung hatte
einen dritten Candidaten aufgestellt, und die Frage ist nun, ob bei der Nach¬
wahl die Stimmen desselben dem nationalen oder dem demokratischen Be¬
werber zugewendet werden. Wenn man bedenkt, daß die Negierung auch
auf dem nächsten Landtag vielleicht zuweilen in der Lage sein wird, den
Forderungen der Demokratie gegenüber um die Stimmen der nationalen Par¬
tei zu werben, wie sie auf dem letzten Landtag derselben zur Durchführung
der Verträge und der Militärreform bedürfte, wenn man ferner bedenkt,
daß. Holder bei aller Entschiedenheit den nationalen Standpunkt zugleich mit
der größten Mäßigung vertritt, wenn man seine vielfachen ausgezeichneten
Verdienste um das öffentliche Leben, seine gediegenen Kenntnisse und lang¬
jährige parlamentarische Praxis erwägt -- Vorzüge, die wahrlich in der eben
gewählten Kammer dünn gesät sind, -- so konnte man vielleicht erwarten, daß
die Regierung größeren Werth auf die Wiederwahl einer solchen Capacität,
als auf eine Verstärkung des demokratischen Clubs legen werde, um so mehr
als doch auch da und dort die deutsche Partei Selbstverleugnung geübt und
den Negierungscandidaten zum Sieg verholfen hat, wie denn ohne ihre
Mitwirkung Herr Sarwey, der besondere Freund der Minister, seinen demo¬
kratischen Gegnern erlegen wäre. Die Sache schien wichtig genug, um in
einem Ministerrath verhandelt zu werden, der am letzten Samstag gehalten
wurde. So viel davon verlautet, waren die Minister getheilter Meinung.
Nicht alle College" waren der Ansicht der Herren v. Mittnacht und Golther.
Aber gerade die leitenden Minister wünschten, daß der Regierungseinfluß
dem demokratischen Gegner Hölders zur Verfügung gestellt werde. Dies
illustrirt die wahre Gesinnung unserer Regierungskünstler Heller, als alle
polemischen Anstrengungen, die der Staatsanzeiger drei Wochen lang ge¬
macht hat. Das Ministerium Mittnacht-Golther steht noch heute und den
Warnungen des Wahltags zum Trotz der Demokratie des Landes unendlich
näher als derjenigen Partei, welche den ehrlichen Anschluß an den norddeut¬
schen Bund verlangt.

Damit hängt es denn zusammen, daß mit Ausnahme einer einzigen
Partei, der deutschen, alle anderen Parteiunterschiede sich verwischen und ver¬
flüchtigen. Man hat seine liebe Noth, die Anzahl der Erwählten ordentlich
in Rubriken zu bringen. Niemand weiß genau zu sagen, wo die Grenzlinien
der Volkspartei, der Regierungspartei oder gar der dunkeln Gesellschaft der


Staatsanzeiger, um ja keinen Zweifel über die Meinung der Regierung zu
lassen, unter anderen Namen auch Mohl, Probst, Schott, Deffner als der
Regierung angenehme Candidaten bezeichnete. Kein Wunder, daß die Re¬
gierung vollends Alles daran setzt, um die Wahl Hölders, des Führers der
nationalen Partei, zu verhindern. Leider blieb dieser in Ballotage mit einem
gänzlich unbedeutenden Candidaten der Volkspartei. Die Regierung hatte
einen dritten Candidaten aufgestellt, und die Frage ist nun, ob bei der Nach¬
wahl die Stimmen desselben dem nationalen oder dem demokratischen Be¬
werber zugewendet werden. Wenn man bedenkt, daß die Negierung auch
auf dem nächsten Landtag vielleicht zuweilen in der Lage sein wird, den
Forderungen der Demokratie gegenüber um die Stimmen der nationalen Par¬
tei zu werben, wie sie auf dem letzten Landtag derselben zur Durchführung
der Verträge und der Militärreform bedürfte, wenn man ferner bedenkt,
daß. Holder bei aller Entschiedenheit den nationalen Standpunkt zugleich mit
der größten Mäßigung vertritt, wenn man seine vielfachen ausgezeichneten
Verdienste um das öffentliche Leben, seine gediegenen Kenntnisse und lang¬
jährige parlamentarische Praxis erwägt — Vorzüge, die wahrlich in der eben
gewählten Kammer dünn gesät sind, — so konnte man vielleicht erwarten, daß
die Regierung größeren Werth auf die Wiederwahl einer solchen Capacität,
als auf eine Verstärkung des demokratischen Clubs legen werde, um so mehr
als doch auch da und dort die deutsche Partei Selbstverleugnung geübt und
den Negierungscandidaten zum Sieg verholfen hat, wie denn ohne ihre
Mitwirkung Herr Sarwey, der besondere Freund der Minister, seinen demo¬
kratischen Gegnern erlegen wäre. Die Sache schien wichtig genug, um in
einem Ministerrath verhandelt zu werden, der am letzten Samstag gehalten
wurde. So viel davon verlautet, waren die Minister getheilter Meinung.
Nicht alle College» waren der Ansicht der Herren v. Mittnacht und Golther.
Aber gerade die leitenden Minister wünschten, daß der Regierungseinfluß
dem demokratischen Gegner Hölders zur Verfügung gestellt werde. Dies
illustrirt die wahre Gesinnung unserer Regierungskünstler Heller, als alle
polemischen Anstrengungen, die der Staatsanzeiger drei Wochen lang ge¬
macht hat. Das Ministerium Mittnacht-Golther steht noch heute und den
Warnungen des Wahltags zum Trotz der Demokratie des Landes unendlich
näher als derjenigen Partei, welche den ehrlichen Anschluß an den norddeut¬
schen Bund verlangt.

Damit hängt es denn zusammen, daß mit Ausnahme einer einzigen
Partei, der deutschen, alle anderen Parteiunterschiede sich verwischen und ver¬
flüchtigen. Man hat seine liebe Noth, die Anzahl der Erwählten ordentlich
in Rubriken zu bringen. Niemand weiß genau zu sagen, wo die Grenzlinien
der Volkspartei, der Regierungspartei oder gar der dunkeln Gesellschaft der


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[0167] Staatsanzeiger, um ja keinen Zweifel über die Meinung der Regierung zu lassen, unter anderen Namen auch Mohl, Probst, Schott, Deffner als der Regierung angenehme Candidaten bezeichnete. Kein Wunder, daß die Re¬ gierung vollends Alles daran setzt, um die Wahl Hölders, des Führers der nationalen Partei, zu verhindern. Leider blieb dieser in Ballotage mit einem gänzlich unbedeutenden Candidaten der Volkspartei. Die Regierung hatte einen dritten Candidaten aufgestellt, und die Frage ist nun, ob bei der Nach¬ wahl die Stimmen desselben dem nationalen oder dem demokratischen Be¬ werber zugewendet werden. Wenn man bedenkt, daß die Negierung auch auf dem nächsten Landtag vielleicht zuweilen in der Lage sein wird, den Forderungen der Demokratie gegenüber um die Stimmen der nationalen Par¬ tei zu werben, wie sie auf dem letzten Landtag derselben zur Durchführung der Verträge und der Militärreform bedürfte, wenn man ferner bedenkt, daß. Holder bei aller Entschiedenheit den nationalen Standpunkt zugleich mit der größten Mäßigung vertritt, wenn man seine vielfachen ausgezeichneten Verdienste um das öffentliche Leben, seine gediegenen Kenntnisse und lang¬ jährige parlamentarische Praxis erwägt — Vorzüge, die wahrlich in der eben gewählten Kammer dünn gesät sind, — so konnte man vielleicht erwarten, daß die Regierung größeren Werth auf die Wiederwahl einer solchen Capacität, als auf eine Verstärkung des demokratischen Clubs legen werde, um so mehr als doch auch da und dort die deutsche Partei Selbstverleugnung geübt und den Negierungscandidaten zum Sieg verholfen hat, wie denn ohne ihre Mitwirkung Herr Sarwey, der besondere Freund der Minister, seinen demo¬ kratischen Gegnern erlegen wäre. Die Sache schien wichtig genug, um in einem Ministerrath verhandelt zu werden, der am letzten Samstag gehalten wurde. So viel davon verlautet, waren die Minister getheilter Meinung. Nicht alle College» waren der Ansicht der Herren v. Mittnacht und Golther. Aber gerade die leitenden Minister wünschten, daß der Regierungseinfluß dem demokratischen Gegner Hölders zur Verfügung gestellt werde. Dies illustrirt die wahre Gesinnung unserer Regierungskünstler Heller, als alle polemischen Anstrengungen, die der Staatsanzeiger drei Wochen lang ge¬ macht hat. Das Ministerium Mittnacht-Golther steht noch heute und den Warnungen des Wahltags zum Trotz der Demokratie des Landes unendlich näher als derjenigen Partei, welche den ehrlichen Anschluß an den norddeut¬ schen Bund verlangt. Damit hängt es denn zusammen, daß mit Ausnahme einer einzigen Partei, der deutschen, alle anderen Parteiunterschiede sich verwischen und ver¬ flüchtigen. Man hat seine liebe Noth, die Anzahl der Erwählten ordentlich in Rubriken zu bringen. Niemand weiß genau zu sagen, wo die Grenzlinien der Volkspartei, der Regierungspartei oder gar der dunkeln Gesellschaft der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/167>, abgerufen am 02.07.2024.