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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Theil würden, jetzt eine heftige Opposition bereite, -- auf diese Lorbeeren
gestützt, durfte er abermals als Bewerber auftreten, doch glückte es ihm nicht
ohne erhebliche Gegnerschaft. Und noch weniger Gunst erfuhren die übrigen
Staatsbeamten, sodaß die eigentlich ministerielle Partei in der Kammer sich
auf eine recht bescheidene Anzahl reducirt.

Nun ist es freilich nicht das Beobachterprogramm vom 10. Juni, das
der Negierung diese Niederlage beigebracht hat. Mit der brüsten Kriegs¬
erklärung gegen Preußen, wie dieses Programm sie enthielt, ließ sich doch
wenig ausrichten, diese Erfahrung machten die demokratischen Ccindidaten in
Bälde. Einer nach dem andern begann gelindere Saiten aufzuziehen und
erklärte an das Programm sich nicht zu binden. Der eine hielt wenig Stücke
auf den Südbund, der andere wollte die Verträge gehalten wissen und pro-
testirte gegen eine Allianz mit dem Ausland. Ein dritter wollte wenigstens
so lange die Verträge halten, bis sie "in sich selber zerfallen". Manche
waren sogar so ehrlich, die populäre Parole des Milizsystems zu verschmähen.
Kurz, auch das anmaßliche officielle Programm der Volkspartei hat seine
Niederlage zu verzeichnen. Es vermochte nicht einmal die eigenen Leute bei
der Fahne zu halten. Es ging ihm mit seinem fröhlichen Kriegsgeschrei fast
ebenso, wie der Regierung mit dem Vertrauen, das sie für ihre Bediensteten
in Anspruch nahm.

Dies war freilich schon an dem Tage vorauszusehen, als jenes Programm
der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es machte darum einen seltsamen Ein¬
druck, als die Regierung einen so gewaltigen Anlauf nahm, aus dem Staats¬
rath einen besonderen Hilfsredacteur zum "Staatsanzeiger" detachirte und
lange Artikel gegen jenes Programm anfertigen ließ. Es zeigte sich bald,
daß dies im Grund Scheingefechte waren. Denn weniger die Volkspartei
wurde vom Staatsanzeiger bekämpft, als vielmehr das "Programm des Be¬
obachters", das ausdrücklich, und mit Recht, von dem der Volkspartei unter¬
schieden wurde. Man bekämpfte ein todtgeborenes Ding, das von der eigenen
Partei verlassen war; dagegen verfuhr man bei Bekämpfung der auf dem
Zettel der Volkspartei stehenden Bewerber mit sorgfältiger Auswahl. Es fiel
der'Regierung nicht ein, einem Oesterlen, einem Mohl oder Probst Gegen-
candidaten entgegenzusetzen, während von den eigentlich nationalen Candida-
turen keine war, die nicht außer der Demokratie und den Ultramontanen
auch noch den Negierungseinfluß gegen sich gehabt hätte. Selbst Weber, der
Präsident der letzten Kammer, und Duvernoy, der Märzminister, beides her¬
vorragende Männer unseres parlamentarischen Lebens, beide sehr gemäßigt
und, obwohl national gesinnt, doch außerhalb der Organisation der Partei
stehend, die dem Herrn v. Mittnacht so verhaßt ist, wurden durch den Re¬
gierungseinfluß verdrängt, während noch zwei Tage vor der Wahl der


Theil würden, jetzt eine heftige Opposition bereite, — auf diese Lorbeeren
gestützt, durfte er abermals als Bewerber auftreten, doch glückte es ihm nicht
ohne erhebliche Gegnerschaft. Und noch weniger Gunst erfuhren die übrigen
Staatsbeamten, sodaß die eigentlich ministerielle Partei in der Kammer sich
auf eine recht bescheidene Anzahl reducirt.

Nun ist es freilich nicht das Beobachterprogramm vom 10. Juni, das
der Negierung diese Niederlage beigebracht hat. Mit der brüsten Kriegs¬
erklärung gegen Preußen, wie dieses Programm sie enthielt, ließ sich doch
wenig ausrichten, diese Erfahrung machten die demokratischen Ccindidaten in
Bälde. Einer nach dem andern begann gelindere Saiten aufzuziehen und
erklärte an das Programm sich nicht zu binden. Der eine hielt wenig Stücke
auf den Südbund, der andere wollte die Verträge gehalten wissen und pro-
testirte gegen eine Allianz mit dem Ausland. Ein dritter wollte wenigstens
so lange die Verträge halten, bis sie „in sich selber zerfallen". Manche
waren sogar so ehrlich, die populäre Parole des Milizsystems zu verschmähen.
Kurz, auch das anmaßliche officielle Programm der Volkspartei hat seine
Niederlage zu verzeichnen. Es vermochte nicht einmal die eigenen Leute bei
der Fahne zu halten. Es ging ihm mit seinem fröhlichen Kriegsgeschrei fast
ebenso, wie der Regierung mit dem Vertrauen, das sie für ihre Bediensteten
in Anspruch nahm.

Dies war freilich schon an dem Tage vorauszusehen, als jenes Programm
der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es machte darum einen seltsamen Ein¬
druck, als die Regierung einen so gewaltigen Anlauf nahm, aus dem Staats¬
rath einen besonderen Hilfsredacteur zum „Staatsanzeiger" detachirte und
lange Artikel gegen jenes Programm anfertigen ließ. Es zeigte sich bald,
daß dies im Grund Scheingefechte waren. Denn weniger die Volkspartei
wurde vom Staatsanzeiger bekämpft, als vielmehr das „Programm des Be¬
obachters", das ausdrücklich, und mit Recht, von dem der Volkspartei unter¬
schieden wurde. Man bekämpfte ein todtgeborenes Ding, das von der eigenen
Partei verlassen war; dagegen verfuhr man bei Bekämpfung der auf dem
Zettel der Volkspartei stehenden Bewerber mit sorgfältiger Auswahl. Es fiel
der'Regierung nicht ein, einem Oesterlen, einem Mohl oder Probst Gegen-
candidaten entgegenzusetzen, während von den eigentlich nationalen Candida-
turen keine war, die nicht außer der Demokratie und den Ultramontanen
auch noch den Negierungseinfluß gegen sich gehabt hätte. Selbst Weber, der
Präsident der letzten Kammer, und Duvernoy, der Märzminister, beides her¬
vorragende Männer unseres parlamentarischen Lebens, beide sehr gemäßigt
und, obwohl national gesinnt, doch außerhalb der Organisation der Partei
stehend, die dem Herrn v. Mittnacht so verhaßt ist, wurden durch den Re¬
gierungseinfluß verdrängt, während noch zwei Tage vor der Wahl der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/166>, abgerufen am 02.07.2024.