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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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preußische Kriegsschiffe mit ihren Ankern ins Treiben kamen. Uebrigens
treffen derartige Überschwemmungen weniger die Ostküste bei Ellerbeck. wo
das Flottenlager projectirt ist, als die Westküste, auf welche der Wind von der
Einfahrt her gerade zusteht, die aber bei ihrem steilen Abfall auch nicht viel
zu leiden hat. Unschätzbar ist außerdem der Vortheil, daß keine Strömung
herrscht, welche Versandung herbeiführen oder die Schifffahrt und die Hafen¬
arbeiter stören könnte, und eben so wichtig ist es gegenüber allen übrigen
Nordseehäfen, daß der Wasserstand in gewöhnlichen Zeiten wenig variirt -- man
kann immer auf einen bestimmten für die größten Schiffe stets genügenden
Wasserstand zählen, was bei Häfen mit Ebbe und Fluth nicht der Fall ist,
und selbst Portsmouth, der Hauptkriegshafen Englands, hat eine Barre, für
deren Passage die schweren Panzerschiffe immer erst den täglich wechselnden
Zeitpunkt der Fluth abwarten müssen, ein Umstand, durch welchen kurz vor
der großen Revue vor dem Sultan im vorigen Jahre die Panzerfregatte
"Valiant" (2S Fuß 8" Tiefgang) beinahe fest gerathen wäre. Auch friert
die Föhrde im Winter viel schwerer zu, als die meisten übrigen deutschen
Häfen; es läßt sich in ihr, wenn gerade das Offenhalten des Fahrwassers
nothwendig erscheint, mit Eisbrecherfahrzeugen, wie man sie in Schweden hat,
im Nothfall mit einem Panzerschiff, immer Bahn brechen.

Seit diese Föhrde die ganze Kriegsmarine des norddeutschen Bundes
zu ihrem Stützpunkte ersehen hat, läßt sich der Stadt Kiel eine glänzende
Zukunft prophezeien. Statten wir ihr jetzt einen kurzen Besuch ab, um
von der ganzen Localität und der Art und Weise, wie sich dieselbe als
Hauptkriegshafen des norddeutschen Bundes künftig entwickeln wird, ein
Bild zu gewinnen.

Von Hamburg-Altona her hat uns der Eisenbahnzug durch freundliche
Landschaften mit vorherrschend welligem Terrain geführt, in welchem nach
der einförmigen, dann- und gebüschlosen Scenerie der nordostdeutschen Land¬
schaft mit ihren weiten Ebenen vor Allem der Anblick der Knicks erfreut,
jener freundlichen Buchenhecken, die auf einem kleinen Erdaufwurf längs der
Gräben gepflanzt sind und die Physiognomie der Landschaft mannigfaltig
beleben. Ungefähr in der Mitte unserer Fahrt hat sich das Terrain auf
seine höchste Höhe gehoben, und wir haben jenen wenig fruchtbaren, haide-
reichen Höhenzug überschritten, der, gleichsam das Rückgrat der cimbrischen
Halbinsel, die Nordseelandschaft von der Ostseelandschaft trennt. Von da ab
bleibt man fortwährend im Absteigen; die Wellen des Terrains, meist von
freundlichen Buchenwäldchen gekrönt, haben eine immer bewegtere Gestalt
angenommen und durch ihren Wechsel freundliche Ueberraschungen hervor¬
gebracht. Am Schluß der Fahrt sehen wir zu unserer Rechten zwischen ein¬
zelnen Gebüschgruppen und den Hügeln von Dorfgaarden hindurch einen


preußische Kriegsschiffe mit ihren Ankern ins Treiben kamen. Uebrigens
treffen derartige Überschwemmungen weniger die Ostküste bei Ellerbeck. wo
das Flottenlager projectirt ist, als die Westküste, auf welche der Wind von der
Einfahrt her gerade zusteht, die aber bei ihrem steilen Abfall auch nicht viel
zu leiden hat. Unschätzbar ist außerdem der Vortheil, daß keine Strömung
herrscht, welche Versandung herbeiführen oder die Schifffahrt und die Hafen¬
arbeiter stören könnte, und eben so wichtig ist es gegenüber allen übrigen
Nordseehäfen, daß der Wasserstand in gewöhnlichen Zeiten wenig variirt — man
kann immer auf einen bestimmten für die größten Schiffe stets genügenden
Wasserstand zählen, was bei Häfen mit Ebbe und Fluth nicht der Fall ist,
und selbst Portsmouth, der Hauptkriegshafen Englands, hat eine Barre, für
deren Passage die schweren Panzerschiffe immer erst den täglich wechselnden
Zeitpunkt der Fluth abwarten müssen, ein Umstand, durch welchen kurz vor
der großen Revue vor dem Sultan im vorigen Jahre die Panzerfregatte
„Valiant" (2S Fuß 8" Tiefgang) beinahe fest gerathen wäre. Auch friert
die Föhrde im Winter viel schwerer zu, als die meisten übrigen deutschen
Häfen; es läßt sich in ihr, wenn gerade das Offenhalten des Fahrwassers
nothwendig erscheint, mit Eisbrecherfahrzeugen, wie man sie in Schweden hat,
im Nothfall mit einem Panzerschiff, immer Bahn brechen.

Seit diese Föhrde die ganze Kriegsmarine des norddeutschen Bundes
zu ihrem Stützpunkte ersehen hat, läßt sich der Stadt Kiel eine glänzende
Zukunft prophezeien. Statten wir ihr jetzt einen kurzen Besuch ab, um
von der ganzen Localität und der Art und Weise, wie sich dieselbe als
Hauptkriegshafen des norddeutschen Bundes künftig entwickeln wird, ein
Bild zu gewinnen.

Von Hamburg-Altona her hat uns der Eisenbahnzug durch freundliche
Landschaften mit vorherrschend welligem Terrain geführt, in welchem nach
der einförmigen, dann- und gebüschlosen Scenerie der nordostdeutschen Land¬
schaft mit ihren weiten Ebenen vor Allem der Anblick der Knicks erfreut,
jener freundlichen Buchenhecken, die auf einem kleinen Erdaufwurf längs der
Gräben gepflanzt sind und die Physiognomie der Landschaft mannigfaltig
beleben. Ungefähr in der Mitte unserer Fahrt hat sich das Terrain auf
seine höchste Höhe gehoben, und wir haben jenen wenig fruchtbaren, haide-
reichen Höhenzug überschritten, der, gleichsam das Rückgrat der cimbrischen
Halbinsel, die Nordseelandschaft von der Ostseelandschaft trennt. Von da ab
bleibt man fortwährend im Absteigen; die Wellen des Terrains, meist von
freundlichen Buchenwäldchen gekrönt, haben eine immer bewegtere Gestalt
angenommen und durch ihren Wechsel freundliche Ueberraschungen hervor¬
gebracht. Am Schluß der Fahrt sehen wir zu unserer Rechten zwischen ein¬
zelnen Gebüschgruppen und den Hügeln von Dorfgaarden hindurch einen


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[0148] preußische Kriegsschiffe mit ihren Ankern ins Treiben kamen. Uebrigens treffen derartige Überschwemmungen weniger die Ostküste bei Ellerbeck. wo das Flottenlager projectirt ist, als die Westküste, auf welche der Wind von der Einfahrt her gerade zusteht, die aber bei ihrem steilen Abfall auch nicht viel zu leiden hat. Unschätzbar ist außerdem der Vortheil, daß keine Strömung herrscht, welche Versandung herbeiführen oder die Schifffahrt und die Hafen¬ arbeiter stören könnte, und eben so wichtig ist es gegenüber allen übrigen Nordseehäfen, daß der Wasserstand in gewöhnlichen Zeiten wenig variirt — man kann immer auf einen bestimmten für die größten Schiffe stets genügenden Wasserstand zählen, was bei Häfen mit Ebbe und Fluth nicht der Fall ist, und selbst Portsmouth, der Hauptkriegshafen Englands, hat eine Barre, für deren Passage die schweren Panzerschiffe immer erst den täglich wechselnden Zeitpunkt der Fluth abwarten müssen, ein Umstand, durch welchen kurz vor der großen Revue vor dem Sultan im vorigen Jahre die Panzerfregatte „Valiant" (2S Fuß 8" Tiefgang) beinahe fest gerathen wäre. Auch friert die Föhrde im Winter viel schwerer zu, als die meisten übrigen deutschen Häfen; es läßt sich in ihr, wenn gerade das Offenhalten des Fahrwassers nothwendig erscheint, mit Eisbrecherfahrzeugen, wie man sie in Schweden hat, im Nothfall mit einem Panzerschiff, immer Bahn brechen. Seit diese Föhrde die ganze Kriegsmarine des norddeutschen Bundes zu ihrem Stützpunkte ersehen hat, läßt sich der Stadt Kiel eine glänzende Zukunft prophezeien. Statten wir ihr jetzt einen kurzen Besuch ab, um von der ganzen Localität und der Art und Weise, wie sich dieselbe als Hauptkriegshafen des norddeutschen Bundes künftig entwickeln wird, ein Bild zu gewinnen. Von Hamburg-Altona her hat uns der Eisenbahnzug durch freundliche Landschaften mit vorherrschend welligem Terrain geführt, in welchem nach der einförmigen, dann- und gebüschlosen Scenerie der nordostdeutschen Land¬ schaft mit ihren weiten Ebenen vor Allem der Anblick der Knicks erfreut, jener freundlichen Buchenhecken, die auf einem kleinen Erdaufwurf längs der Gräben gepflanzt sind und die Physiognomie der Landschaft mannigfaltig beleben. Ungefähr in der Mitte unserer Fahrt hat sich das Terrain auf seine höchste Höhe gehoben, und wir haben jenen wenig fruchtbaren, haide- reichen Höhenzug überschritten, der, gleichsam das Rückgrat der cimbrischen Halbinsel, die Nordseelandschaft von der Ostseelandschaft trennt. Von da ab bleibt man fortwährend im Absteigen; die Wellen des Terrains, meist von freundlichen Buchenwäldchen gekrönt, haben eine immer bewegtere Gestalt angenommen und durch ihren Wechsel freundliche Ueberraschungen hervor¬ gebracht. Am Schluß der Fahrt sehen wir zu unserer Rechten zwischen ein¬ zelnen Gebüschgruppen und den Hügeln von Dorfgaarden hindurch einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/148>, abgerufen am 02.07.2024.