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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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etwa zwei Meilen bei einer Breite, welche zwischen einigen tausend Schritt
und einer halben Stunde Ausdehnung variirt. Ueber die Vorzüglichkeit der
Föhrde gibt es keine Verschiedenheit der Ansichten. In diesem Bassin ver¬
einigen sich alle Eigenschaften, die ein guter Kriegshafen bieten muß: frei
von Untiefen, läßt es sich ungefährdet mit den größten Schiffen bei dem
schwersten Wetter ansegeln. Während die äußere Föhrde eine prachtvolle
Rhede bildet und die Aufstellung der Flotte gestattet, kann der innere Ha¬
fen bei einer Tiefe von 32--40 Fuß eine Flotte ersten Ranges aufnehmen
und ist dabei gegen alle Winde geschützt. Batterien auf Friedrichsort und
dem gegenüberliegenden Ufer schließen den Hafen völlig gegen jeden feind¬
lichen Angriff, und es bedarf nur der Anlage von Wersten und sonstigen
Etablissements, um Kiel zu einem Kriegshafen zu machen, der allen Anfor¬
derungen entspricht. Ja, noch mehr, nach Lothungen, die vor einiger Zeit ange¬
stellt wurden, ward uns mitgetheilt, daß man in geringer Entfernung vom
nordwestlichen Ufer des inneren Theiles der Föhrde die wahrhaft erstaunliche
Tiefe von 140 Fuß gefunden habe; die durchschnittliche Tiefe an den be¬
treffenden Stellen beträgt nicht weniger als 10 Faden (60 Fuß), während
die größten Kriegsschiffe höchstens 30 Fuß Wasser brauchen. Diese enorme
Tiefe, wie sie kaum ein anderer Hafen Europas hat, gewinnt noch dadurch
an Bedeutung, daß sie an vielen Stellen fast hart ans Land heranreicht;
die 6 Fadenttefe (36 Fuß) geht dicht an die Stadt, weil das Ufer selbst
ganz steil zum Grunde abfällt -- die größten Schiffe der englischen Flotte
konnten ganz nahe anlegen. Wie uns alte Schiffer an Ort und Stelle er¬
zählten, hatte die Ostseeflotte der Engländer und der Franzosen, welche
während des Krimkrieges gegen Kronstäbe operiren sollte und auf Kiel
anlief, sich nur mit großem Mißtrauen in die Föhrde hineingewagt. Die
Franzosen waren die ersten gewesen, die unter fortwährenden Lothungen
langsam in den Hafen herein.gedampft kamen, und zu ihrem größten Er¬
staunen ohne Schwierigkeit immer weiter und weiter vordrangen; schließlich
aber legte sich das englische Flaggschiff, der Schraubendreidecker "Duke of
Wellington" von 131 Kanonen und (damals) 28 Fuß Tiefgang (23 Fuß 9
Zoll normal) sogar dem Kieler Schloß gegenüber vor Anker, und bei einer
späteren Kreuzfahrt der englischen Ostseeflotte kam die englische Panzerfregatte
"Defence" (Schwesterschiff der Resistance". 25 Fuß 5" normaler Tiefgang)
dicht an das Land.

Endlich ist auch die Breite der Föhrde so groß-, daß die Schiffe nicht
blos unter Dampf einlaufen, sondern auch unter Segel einkreuzen können.
Gerühmt wird auch der Ankergrund und es ist nur besonders unglücklichen
Umständen zuzuschreiben, daß einmal unter den Wogenschwall eines heftigen
Nordoststurmes, der das Wasser zu ungewöhnlicher Höhe aufstaute, einige


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etwa zwei Meilen bei einer Breite, welche zwischen einigen tausend Schritt
und einer halben Stunde Ausdehnung variirt. Ueber die Vorzüglichkeit der
Föhrde gibt es keine Verschiedenheit der Ansichten. In diesem Bassin ver¬
einigen sich alle Eigenschaften, die ein guter Kriegshafen bieten muß: frei
von Untiefen, läßt es sich ungefährdet mit den größten Schiffen bei dem
schwersten Wetter ansegeln. Während die äußere Föhrde eine prachtvolle
Rhede bildet und die Aufstellung der Flotte gestattet, kann der innere Ha¬
fen bei einer Tiefe von 32—40 Fuß eine Flotte ersten Ranges aufnehmen
und ist dabei gegen alle Winde geschützt. Batterien auf Friedrichsort und
dem gegenüberliegenden Ufer schließen den Hafen völlig gegen jeden feind¬
lichen Angriff, und es bedarf nur der Anlage von Wersten und sonstigen
Etablissements, um Kiel zu einem Kriegshafen zu machen, der allen Anfor¬
derungen entspricht. Ja, noch mehr, nach Lothungen, die vor einiger Zeit ange¬
stellt wurden, ward uns mitgetheilt, daß man in geringer Entfernung vom
nordwestlichen Ufer des inneren Theiles der Föhrde die wahrhaft erstaunliche
Tiefe von 140 Fuß gefunden habe; die durchschnittliche Tiefe an den be¬
treffenden Stellen beträgt nicht weniger als 10 Faden (60 Fuß), während
die größten Kriegsschiffe höchstens 30 Fuß Wasser brauchen. Diese enorme
Tiefe, wie sie kaum ein anderer Hafen Europas hat, gewinnt noch dadurch
an Bedeutung, daß sie an vielen Stellen fast hart ans Land heranreicht;
die 6 Fadenttefe (36 Fuß) geht dicht an die Stadt, weil das Ufer selbst
ganz steil zum Grunde abfällt — die größten Schiffe der englischen Flotte
konnten ganz nahe anlegen. Wie uns alte Schiffer an Ort und Stelle er¬
zählten, hatte die Ostseeflotte der Engländer und der Franzosen, welche
während des Krimkrieges gegen Kronstäbe operiren sollte und auf Kiel
anlief, sich nur mit großem Mißtrauen in die Föhrde hineingewagt. Die
Franzosen waren die ersten gewesen, die unter fortwährenden Lothungen
langsam in den Hafen herein.gedampft kamen, und zu ihrem größten Er¬
staunen ohne Schwierigkeit immer weiter und weiter vordrangen; schließlich
aber legte sich das englische Flaggschiff, der Schraubendreidecker „Duke of
Wellington" von 131 Kanonen und (damals) 28 Fuß Tiefgang (23 Fuß 9
Zoll normal) sogar dem Kieler Schloß gegenüber vor Anker, und bei einer
späteren Kreuzfahrt der englischen Ostseeflotte kam die englische Panzerfregatte
„Defence" (Schwesterschiff der Resistance". 25 Fuß 5" normaler Tiefgang)
dicht an das Land.

Endlich ist auch die Breite der Föhrde so groß-, daß die Schiffe nicht
blos unter Dampf einlaufen, sondern auch unter Segel einkreuzen können.
Gerühmt wird auch der Ankergrund und es ist nur besonders unglücklichen
Umständen zuzuschreiben, daß einmal unter den Wogenschwall eines heftigen
Nordoststurmes, der das Wasser zu ungewöhnlicher Höhe aufstaute, einige


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[0147] etwa zwei Meilen bei einer Breite, welche zwischen einigen tausend Schritt und einer halben Stunde Ausdehnung variirt. Ueber die Vorzüglichkeit der Föhrde gibt es keine Verschiedenheit der Ansichten. In diesem Bassin ver¬ einigen sich alle Eigenschaften, die ein guter Kriegshafen bieten muß: frei von Untiefen, läßt es sich ungefährdet mit den größten Schiffen bei dem schwersten Wetter ansegeln. Während die äußere Föhrde eine prachtvolle Rhede bildet und die Aufstellung der Flotte gestattet, kann der innere Ha¬ fen bei einer Tiefe von 32—40 Fuß eine Flotte ersten Ranges aufnehmen und ist dabei gegen alle Winde geschützt. Batterien auf Friedrichsort und dem gegenüberliegenden Ufer schließen den Hafen völlig gegen jeden feind¬ lichen Angriff, und es bedarf nur der Anlage von Wersten und sonstigen Etablissements, um Kiel zu einem Kriegshafen zu machen, der allen Anfor¬ derungen entspricht. Ja, noch mehr, nach Lothungen, die vor einiger Zeit ange¬ stellt wurden, ward uns mitgetheilt, daß man in geringer Entfernung vom nordwestlichen Ufer des inneren Theiles der Föhrde die wahrhaft erstaunliche Tiefe von 140 Fuß gefunden habe; die durchschnittliche Tiefe an den be¬ treffenden Stellen beträgt nicht weniger als 10 Faden (60 Fuß), während die größten Kriegsschiffe höchstens 30 Fuß Wasser brauchen. Diese enorme Tiefe, wie sie kaum ein anderer Hafen Europas hat, gewinnt noch dadurch an Bedeutung, daß sie an vielen Stellen fast hart ans Land heranreicht; die 6 Fadenttefe (36 Fuß) geht dicht an die Stadt, weil das Ufer selbst ganz steil zum Grunde abfällt — die größten Schiffe der englischen Flotte konnten ganz nahe anlegen. Wie uns alte Schiffer an Ort und Stelle er¬ zählten, hatte die Ostseeflotte der Engländer und der Franzosen, welche während des Krimkrieges gegen Kronstäbe operiren sollte und auf Kiel anlief, sich nur mit großem Mißtrauen in die Föhrde hineingewagt. Die Franzosen waren die ersten gewesen, die unter fortwährenden Lothungen langsam in den Hafen herein.gedampft kamen, und zu ihrem größten Er¬ staunen ohne Schwierigkeit immer weiter und weiter vordrangen; schließlich aber legte sich das englische Flaggschiff, der Schraubendreidecker „Duke of Wellington" von 131 Kanonen und (damals) 28 Fuß Tiefgang (23 Fuß 9 Zoll normal) sogar dem Kieler Schloß gegenüber vor Anker, und bei einer späteren Kreuzfahrt der englischen Ostseeflotte kam die englische Panzerfregatte „Defence" (Schwesterschiff der Resistance". 25 Fuß 5" normaler Tiefgang) dicht an das Land. Endlich ist auch die Breite der Föhrde so groß-, daß die Schiffe nicht blos unter Dampf einlaufen, sondern auch unter Segel einkreuzen können. Gerühmt wird auch der Ankergrund und es ist nur besonders unglücklichen Umständen zuzuschreiben, daß einmal unter den Wogenschwall eines heftigen Nordoststurmes, der das Wasser zu ungewöhnlicher Höhe aufstaute, einige 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/147>, abgerufen am 02.07.2024.