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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Rom zurück. -- Unbegreiflicherweise zögerte die preußische Regierung monate¬
lang mit der Ratifikation; da starb der Erzbischof Graf Spiegel, welcher die
Angelegenheit stets in versöhnlichem Geiste behandelt, und man wählte Droste
Vischering, einen entschiedenen Ultramontanen, zu seinem Nachfolger. Als
Bunsen dem Cardinal Staatssekretär mittheilte, daß der König dieser Er¬
nennung zugestimmt, war derselbe durch den Fehlgriff, den man in Berlin
gemacht, so überrascht, daß er mit naiver Offenheit rief: "Ist Ihre Regie¬
rung toll?" -- Die Folgen sollten sich bald zeigen. Droste behandelte die nicht
ratificirte Convention als nicht bestehend und ging in der schärfsten Weise
vor, der König ward zornig, drohte mit Gewalt und ließ endlich, wie be¬
kannt, den Erzbischof gefangen nach Posen abführen. Bunsen hat nicht, wie
man geglaubt, zu dieser Maßregel gerathen, er hat im Gegentheil versöhn¬
lich zu wirken gesucht, sogar mit großem Freimut!) dem König Vorstellungen
über die gezwungene Anwesenheit der katholischen Soldaten bei dem prote¬
stantischen Militärgottesdienst gemacht und die Aushebung dieses Mißstan¬
des durchgesetzt, aber er hat, als er den König entschlossen fand und alle
Vorstellungen bei Droste nichts fruchteten, allerdings in einer öffentlichen
Druckschrift das Verfahren der Regierung vertheidigt. "Es ist eine allge¬
meine Freude, daß der preußische Adler seine Flügelschläge endlich einmal
wieder fühlbar gemacht", schrieb er. Dies war ein entschiedener Fehler und
machte ihn in Rom unmöglich; als er sich dorthin zurückbegeben wollte
warnte ihn auf der Durchreise durch Wien der Fürst Metternich und bat
ihn, nicht weiter zu gehen, weil er sicher wisse, daß der Papst erklärt habe,
nicht mehr empfangen zu wollen. Der preußische Gesandte in Wien aber
sah hierin nur eine Hinterlist Metternichs und bewog B. weiterzugehen.
Der Rath des Staatskanzlers zeigte sich diesmal durchaus richtig und seine
Nachrichten bestätigen sich: der Cardinalsstaatssekretär hatte dem preußischen Ge¬
schäftsträger vertraulich wissen lassen, daß der Papst Bunsen nicht empfangen
werde, obwohl man vermeiden wolle, ihm dies officiell und direkt zu erklä¬
ren. Bunsen gedachte noch die Sache in Rom durchzufechten, aber er machte
einen neuen Fehler indem er auf die Festigkeit seiner Regierung rechnete.
Diese ließ ihn nicht nur im Stich, sondern machte ihn zum Sündenbock bei
der Reaktion, welche in der öffentlichen Meinung gegen ihr Verfahren ein¬
trat. Wie die Dinge damals in Deutschland standen, sah man in Droste
nicht den Unfrieden säenden Ultramontame, sondern ein Opfer des Despo¬
tismus, und dieser Eindruck war so stark, daß die preußische Regierung, ob¬
wohl sie äußerlich festhielt, doch ihre moralische Niederlage fühlte. Als
Bunsen ihr daher mittheilte, wie- er in Rom einen neuen Feldzug eröffnen
wolle, erhielt er zur Antwort einen einjährigen Urlaub zu einer Reise nach
England, und als er begehrte, sich in Berlin zu rechtfertigen, den Bescheid,


Rom zurück. — Unbegreiflicherweise zögerte die preußische Regierung monate¬
lang mit der Ratifikation; da starb der Erzbischof Graf Spiegel, welcher die
Angelegenheit stets in versöhnlichem Geiste behandelt, und man wählte Droste
Vischering, einen entschiedenen Ultramontanen, zu seinem Nachfolger. Als
Bunsen dem Cardinal Staatssekretär mittheilte, daß der König dieser Er¬
nennung zugestimmt, war derselbe durch den Fehlgriff, den man in Berlin
gemacht, so überrascht, daß er mit naiver Offenheit rief: „Ist Ihre Regie¬
rung toll?" — Die Folgen sollten sich bald zeigen. Droste behandelte die nicht
ratificirte Convention als nicht bestehend und ging in der schärfsten Weise
vor, der König ward zornig, drohte mit Gewalt und ließ endlich, wie be¬
kannt, den Erzbischof gefangen nach Posen abführen. Bunsen hat nicht, wie
man geglaubt, zu dieser Maßregel gerathen, er hat im Gegentheil versöhn¬
lich zu wirken gesucht, sogar mit großem Freimut!) dem König Vorstellungen
über die gezwungene Anwesenheit der katholischen Soldaten bei dem prote¬
stantischen Militärgottesdienst gemacht und die Aushebung dieses Mißstan¬
des durchgesetzt, aber er hat, als er den König entschlossen fand und alle
Vorstellungen bei Droste nichts fruchteten, allerdings in einer öffentlichen
Druckschrift das Verfahren der Regierung vertheidigt. „Es ist eine allge¬
meine Freude, daß der preußische Adler seine Flügelschläge endlich einmal
wieder fühlbar gemacht", schrieb er. Dies war ein entschiedener Fehler und
machte ihn in Rom unmöglich; als er sich dorthin zurückbegeben wollte
warnte ihn auf der Durchreise durch Wien der Fürst Metternich und bat
ihn, nicht weiter zu gehen, weil er sicher wisse, daß der Papst erklärt habe,
nicht mehr empfangen zu wollen. Der preußische Gesandte in Wien aber
sah hierin nur eine Hinterlist Metternichs und bewog B. weiterzugehen.
Der Rath des Staatskanzlers zeigte sich diesmal durchaus richtig und seine
Nachrichten bestätigen sich: der Cardinalsstaatssekretär hatte dem preußischen Ge¬
schäftsträger vertraulich wissen lassen, daß der Papst Bunsen nicht empfangen
werde, obwohl man vermeiden wolle, ihm dies officiell und direkt zu erklä¬
ren. Bunsen gedachte noch die Sache in Rom durchzufechten, aber er machte
einen neuen Fehler indem er auf die Festigkeit seiner Regierung rechnete.
Diese ließ ihn nicht nur im Stich, sondern machte ihn zum Sündenbock bei
der Reaktion, welche in der öffentlichen Meinung gegen ihr Verfahren ein¬
trat. Wie die Dinge damals in Deutschland standen, sah man in Droste
nicht den Unfrieden säenden Ultramontame, sondern ein Opfer des Despo¬
tismus, und dieser Eindruck war so stark, daß die preußische Regierung, ob¬
wohl sie äußerlich festhielt, doch ihre moralische Niederlage fühlte. Als
Bunsen ihr daher mittheilte, wie- er in Rom einen neuen Feldzug eröffnen
wolle, erhielt er zur Antwort einen einjährigen Urlaub zu einer Reise nach
England, und als er begehrte, sich in Berlin zu rechtfertigen, den Bescheid,


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[0126] Rom zurück. — Unbegreiflicherweise zögerte die preußische Regierung monate¬ lang mit der Ratifikation; da starb der Erzbischof Graf Spiegel, welcher die Angelegenheit stets in versöhnlichem Geiste behandelt, und man wählte Droste Vischering, einen entschiedenen Ultramontanen, zu seinem Nachfolger. Als Bunsen dem Cardinal Staatssekretär mittheilte, daß der König dieser Er¬ nennung zugestimmt, war derselbe durch den Fehlgriff, den man in Berlin gemacht, so überrascht, daß er mit naiver Offenheit rief: „Ist Ihre Regie¬ rung toll?" — Die Folgen sollten sich bald zeigen. Droste behandelte die nicht ratificirte Convention als nicht bestehend und ging in der schärfsten Weise vor, der König ward zornig, drohte mit Gewalt und ließ endlich, wie be¬ kannt, den Erzbischof gefangen nach Posen abführen. Bunsen hat nicht, wie man geglaubt, zu dieser Maßregel gerathen, er hat im Gegentheil versöhn¬ lich zu wirken gesucht, sogar mit großem Freimut!) dem König Vorstellungen über die gezwungene Anwesenheit der katholischen Soldaten bei dem prote¬ stantischen Militärgottesdienst gemacht und die Aushebung dieses Mißstan¬ des durchgesetzt, aber er hat, als er den König entschlossen fand und alle Vorstellungen bei Droste nichts fruchteten, allerdings in einer öffentlichen Druckschrift das Verfahren der Regierung vertheidigt. „Es ist eine allge¬ meine Freude, daß der preußische Adler seine Flügelschläge endlich einmal wieder fühlbar gemacht", schrieb er. Dies war ein entschiedener Fehler und machte ihn in Rom unmöglich; als er sich dorthin zurückbegeben wollte warnte ihn auf der Durchreise durch Wien der Fürst Metternich und bat ihn, nicht weiter zu gehen, weil er sicher wisse, daß der Papst erklärt habe, nicht mehr empfangen zu wollen. Der preußische Gesandte in Wien aber sah hierin nur eine Hinterlist Metternichs und bewog B. weiterzugehen. Der Rath des Staatskanzlers zeigte sich diesmal durchaus richtig und seine Nachrichten bestätigen sich: der Cardinalsstaatssekretär hatte dem preußischen Ge¬ schäftsträger vertraulich wissen lassen, daß der Papst Bunsen nicht empfangen werde, obwohl man vermeiden wolle, ihm dies officiell und direkt zu erklä¬ ren. Bunsen gedachte noch die Sache in Rom durchzufechten, aber er machte einen neuen Fehler indem er auf die Festigkeit seiner Regierung rechnete. Diese ließ ihn nicht nur im Stich, sondern machte ihn zum Sündenbock bei der Reaktion, welche in der öffentlichen Meinung gegen ihr Verfahren ein¬ trat. Wie die Dinge damals in Deutschland standen, sah man in Droste nicht den Unfrieden säenden Ultramontame, sondern ein Opfer des Despo¬ tismus, und dieser Eindruck war so stark, daß die preußische Regierung, ob¬ wohl sie äußerlich festhielt, doch ihre moralische Niederlage fühlte. Als Bunsen ihr daher mittheilte, wie- er in Rom einen neuen Feldzug eröffnen wolle, erhielt er zur Antwort einen einjährigen Urlaub zu einer Reise nach England, und als er begehrte, sich in Berlin zu rechtfertigen, den Bescheid,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/126>, abgerufen am 02.07.2024.