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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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habn zu bleiben; aber als er gegen Ende des Jahres auf seinen Plan nach
Deutschland zu gehen, zurückkam, trat Niebuhr dem entgegen, die Sache
zog sich .lange hin, entschied sich jedoch endlich durch Bunsens Ernennung zum
Minister-Residenten, als welcher er zwölf Jahre in Rom blieb. Sein Haus
ward mehr und mehr zum Mittelpunkt der geistvollsten Geselligkeit und kaum
ein bedeutender Mann verweilte in Rom, welcher es nicht besucht hätte. Zu
den nächsten Freunden gehörten Cornelius, Thorwaldsen. Overbeck, Leo-
pardi, Neukomm, später Schmorr; auch mit vielen Engländern knüpften sich
Fäden an, die nachmals fortgesponnen wurden. Bunsen fand, als er 1827
Berlin auf Einladung des Königs besuchte, eine Aufnahme, welche die Höf¬
linge erstaunen machte. "Bunsen ist," sagte einer derselben, "auf einem Hof¬
ball so mit Gnade überhäuft worden, daß dem König nichts mehr für ihn
zu thun übrig bleibt." -- "In der That nichts mehr," erwiederte ein anderer,
"wenn Se. Majestät nicht beabsichtigt, ihn zu adoptiren". --

Es erschien in der That beispiellos, daß ein junger Mann, der nicht
von Adel und ohne Familienverbindungen war, zu den intimsten Cirkeln
der königlichen Familie geladen ward, bei den Ministern wie zu Hause war
und demzufolge mit Aufmerksamkeiten von allen Seiten überhäuft wurde, um
so mehr, als er keineswegs den Hofmann machte, sondern sich, wenn auch
mit feinem Tacte, doch mit großer Offenheit über alles aussprach. Nichts¬
destoweniger fühlte Bunsen. daß. so werthvoll dieser Besuch mit seinen Er¬
fahrungen für ihn war, Berlin doch nicht für ihn der Ort sei, zu bleiben.
"Mein häusliches und literarisches Leben würde hier," schreibt er, "in Stücke
zerrissen werden, ich habe daher Graf Bernstorff offen erklärt, daß mein
Wunsch nur sei, nach Rom zurückzugehen und dort so lange als möglich zu
bleiben." So reiste er im Frühling ab und traf nach sechsmonatlicher Ab¬
wesenheit wieder auf dem Capital bei den Seinigen ein.

Die nächsten Jahre verflossen in Ruhe und fortgesetzten Studien. Das
große Werk, Beschreibung der Stadt Rom, ward zum Abschluß gebracht, die
ägyptischen Arbeiten angefangen, die hymnologischen und neutestamentlichen
fortgesetzt, vor allem aber das für die Wissenschaft so folgenreiche archäolo¬
gische Institut gegründet. Tief getroffen wurde Bunsen durch den Tod Nie-
buhrs, an dem er mit höchster Verehrung hing, obwohl er sich ihm gegen¬
über stets die Freiheit des Urtheils wahrte. Eine große Freude dagegen
war ihm der wenig später erfolgte Besuch des Kronprinzen in Rom. Schon
in Berlin hatte er sich mit ihm gefunden, aber erst in der ewigen Stadt
und namentlich als Bunsen ihn auf der Rückreise nach Oberitalien begleitete,
trat der Kronprinz schon näher und wurde der Grund zu der Freundschaft
gelegt, welche beide bis an ihr Lebensende verband.

Ein bemerkenswerthes Ereigniß dieser Epoche waren die Verhandlungen


habn zu bleiben; aber als er gegen Ende des Jahres auf seinen Plan nach
Deutschland zu gehen, zurückkam, trat Niebuhr dem entgegen, die Sache
zog sich .lange hin, entschied sich jedoch endlich durch Bunsens Ernennung zum
Minister-Residenten, als welcher er zwölf Jahre in Rom blieb. Sein Haus
ward mehr und mehr zum Mittelpunkt der geistvollsten Geselligkeit und kaum
ein bedeutender Mann verweilte in Rom, welcher es nicht besucht hätte. Zu
den nächsten Freunden gehörten Cornelius, Thorwaldsen. Overbeck, Leo-
pardi, Neukomm, später Schmorr; auch mit vielen Engländern knüpften sich
Fäden an, die nachmals fortgesponnen wurden. Bunsen fand, als er 1827
Berlin auf Einladung des Königs besuchte, eine Aufnahme, welche die Höf¬
linge erstaunen machte. „Bunsen ist," sagte einer derselben, „auf einem Hof¬
ball so mit Gnade überhäuft worden, daß dem König nichts mehr für ihn
zu thun übrig bleibt." — „In der That nichts mehr," erwiederte ein anderer,
„wenn Se. Majestät nicht beabsichtigt, ihn zu adoptiren". —

Es erschien in der That beispiellos, daß ein junger Mann, der nicht
von Adel und ohne Familienverbindungen war, zu den intimsten Cirkeln
der königlichen Familie geladen ward, bei den Ministern wie zu Hause war
und demzufolge mit Aufmerksamkeiten von allen Seiten überhäuft wurde, um
so mehr, als er keineswegs den Hofmann machte, sondern sich, wenn auch
mit feinem Tacte, doch mit großer Offenheit über alles aussprach. Nichts¬
destoweniger fühlte Bunsen. daß. so werthvoll dieser Besuch mit seinen Er¬
fahrungen für ihn war, Berlin doch nicht für ihn der Ort sei, zu bleiben.
„Mein häusliches und literarisches Leben würde hier," schreibt er, „in Stücke
zerrissen werden, ich habe daher Graf Bernstorff offen erklärt, daß mein
Wunsch nur sei, nach Rom zurückzugehen und dort so lange als möglich zu
bleiben." So reiste er im Frühling ab und traf nach sechsmonatlicher Ab¬
wesenheit wieder auf dem Capital bei den Seinigen ein.

Die nächsten Jahre verflossen in Ruhe und fortgesetzten Studien. Das
große Werk, Beschreibung der Stadt Rom, ward zum Abschluß gebracht, die
ägyptischen Arbeiten angefangen, die hymnologischen und neutestamentlichen
fortgesetzt, vor allem aber das für die Wissenschaft so folgenreiche archäolo¬
gische Institut gegründet. Tief getroffen wurde Bunsen durch den Tod Nie-
buhrs, an dem er mit höchster Verehrung hing, obwohl er sich ihm gegen¬
über stets die Freiheit des Urtheils wahrte. Eine große Freude dagegen
war ihm der wenig später erfolgte Besuch des Kronprinzen in Rom. Schon
in Berlin hatte er sich mit ihm gefunden, aber erst in der ewigen Stadt
und namentlich als Bunsen ihn auf der Rückreise nach Oberitalien begleitete,
trat der Kronprinz schon näher und wurde der Grund zu der Freundschaft
gelegt, welche beide bis an ihr Lebensende verband.

Ein bemerkenswerthes Ereigniß dieser Epoche waren die Verhandlungen


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[0124] habn zu bleiben; aber als er gegen Ende des Jahres auf seinen Plan nach Deutschland zu gehen, zurückkam, trat Niebuhr dem entgegen, die Sache zog sich .lange hin, entschied sich jedoch endlich durch Bunsens Ernennung zum Minister-Residenten, als welcher er zwölf Jahre in Rom blieb. Sein Haus ward mehr und mehr zum Mittelpunkt der geistvollsten Geselligkeit und kaum ein bedeutender Mann verweilte in Rom, welcher es nicht besucht hätte. Zu den nächsten Freunden gehörten Cornelius, Thorwaldsen. Overbeck, Leo- pardi, Neukomm, später Schmorr; auch mit vielen Engländern knüpften sich Fäden an, die nachmals fortgesponnen wurden. Bunsen fand, als er 1827 Berlin auf Einladung des Königs besuchte, eine Aufnahme, welche die Höf¬ linge erstaunen machte. „Bunsen ist," sagte einer derselben, „auf einem Hof¬ ball so mit Gnade überhäuft worden, daß dem König nichts mehr für ihn zu thun übrig bleibt." — „In der That nichts mehr," erwiederte ein anderer, „wenn Se. Majestät nicht beabsichtigt, ihn zu adoptiren". — Es erschien in der That beispiellos, daß ein junger Mann, der nicht von Adel und ohne Familienverbindungen war, zu den intimsten Cirkeln der königlichen Familie geladen ward, bei den Ministern wie zu Hause war und demzufolge mit Aufmerksamkeiten von allen Seiten überhäuft wurde, um so mehr, als er keineswegs den Hofmann machte, sondern sich, wenn auch mit feinem Tacte, doch mit großer Offenheit über alles aussprach. Nichts¬ destoweniger fühlte Bunsen. daß. so werthvoll dieser Besuch mit seinen Er¬ fahrungen für ihn war, Berlin doch nicht für ihn der Ort sei, zu bleiben. „Mein häusliches und literarisches Leben würde hier," schreibt er, „in Stücke zerrissen werden, ich habe daher Graf Bernstorff offen erklärt, daß mein Wunsch nur sei, nach Rom zurückzugehen und dort so lange als möglich zu bleiben." So reiste er im Frühling ab und traf nach sechsmonatlicher Ab¬ wesenheit wieder auf dem Capital bei den Seinigen ein. Die nächsten Jahre verflossen in Ruhe und fortgesetzten Studien. Das große Werk, Beschreibung der Stadt Rom, ward zum Abschluß gebracht, die ägyptischen Arbeiten angefangen, die hymnologischen und neutestamentlichen fortgesetzt, vor allem aber das für die Wissenschaft so folgenreiche archäolo¬ gische Institut gegründet. Tief getroffen wurde Bunsen durch den Tod Nie- buhrs, an dem er mit höchster Verehrung hing, obwohl er sich ihm gegen¬ über stets die Freiheit des Urtheils wahrte. Eine große Freude dagegen war ihm der wenig später erfolgte Besuch des Kronprinzen in Rom. Schon in Berlin hatte er sich mit ihm gefunden, aber erst in der ewigen Stadt und namentlich als Bunsen ihn auf der Rückreise nach Oberitalien begleitete, trat der Kronprinz schon näher und wurde der Grund zu der Freundschaft gelegt, welche beide bis an ihr Lebensende verband. Ein bemerkenswerthes Ereigniß dieser Epoche waren die Verhandlungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/124>, abgerufen am 02.07.2024.