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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Händen der Parther gebliebenen Feldzeichen von diesen zum Zeichen ihrer
Unterwürfigkeit freiwillig an Augustus ausgeliefert wurden. Zeugen dieser
Scene sind die Repräsentanten anderer durch Waffengewalt unterjochter Völ¬
ker, wie nicht nur ihre trauernde, gedemüthigte Haltung, sondern auch das
neben ihnen errichtete Tropäum beweist. Die rothblonden Locken, die
Tracht, besonders das Feldzeichen des Ebers und die in einen Thierkopf
ausgehende Schlachttrompete lassen in ihnen mit Sicherheit Kelten erken¬
nen, zu denen vom Künstler auch wohl die Germanen gerechnet wurden.
Der römische Feldherr, siegreich und vom Osten bis zum Westen über die unter¬
würfigen Barbaren herrschend, ist es, den wir vor uns sehen. Ueber ihm
geht das leuchtende Tagesgestirn auf, das Horaz in der Säeularode anruft


Sonnengott, Allernährer, deß Heller Wagen
Tageslicht schafft und birgt, der du gleich und anders
Stets erscheinst, könntest du größeres niemals
Schauen als Roma!

Unten ist die Erdgöttin° gelagert, die fruchtbringende, und nicht allein
den Fluren und Heerden sondern auch dem Menschengeschlecht Nahrung ge¬
bende, wie sie ebenfalls Horaz anruft


Erde, reich an Früchten und an Heerden,
Schmücke Ceres Stirne mit Aehrenkränzen,
nährend auch komm' Jupiters Luft und Regen
Ueber die Fluren.

Nicht nur der durch Kriegsmacht gebändigte, auch der durch den Segen der
Natur reich beglückte Erdkreis ist dem römischen Herrscher Unterthan. Solches
gelingt ihm durch den Beistand der Gottheiten, die über den Segen der
Elemente und über die Gewalt der Waffen, durch geistige Kraft, durch
Sühne und Recht, durch musische Kunst eine höhere sittliche Weltordnung
begründen: Apollo und Diana sind die Beschützer des siegreichen Herr¬
schers, in ihrem Dienst regiert er die Welt.

Erwägt man zunächst die künstlerischen Mittel genauer, durch welche
diese einfache, aber reiche und beziehungsvolle Vorstellung hier ausgesprochen
und versinnlicht ist, so überzeugt man sich, daß die einzelnen Gestalten nicht
etwa sür diese Composition, für diesen Gedanken neu erschaffen sind, daß sie
auch nicht dieser Zeit angehören, nicht auf römischem Boden gewachsen, son¬
dern als fertige Erzeugnisse griechischer Kunst herübergenommen sind. Das
Verdienst des Künstlers besteht in der feinen und geschmackvollen Anwendung
überlieferter Kunstmittel, um eine neue, oder wenigstens unter neuen Ver¬
hältnissen ausgeprägte Vorstellung auszudrücken. Wie die römische Poesie,


Grenzboten I. 1868. 12

Händen der Parther gebliebenen Feldzeichen von diesen zum Zeichen ihrer
Unterwürfigkeit freiwillig an Augustus ausgeliefert wurden. Zeugen dieser
Scene sind die Repräsentanten anderer durch Waffengewalt unterjochter Völ¬
ker, wie nicht nur ihre trauernde, gedemüthigte Haltung, sondern auch das
neben ihnen errichtete Tropäum beweist. Die rothblonden Locken, die
Tracht, besonders das Feldzeichen des Ebers und die in einen Thierkopf
ausgehende Schlachttrompete lassen in ihnen mit Sicherheit Kelten erken¬
nen, zu denen vom Künstler auch wohl die Germanen gerechnet wurden.
Der römische Feldherr, siegreich und vom Osten bis zum Westen über die unter¬
würfigen Barbaren herrschend, ist es, den wir vor uns sehen. Ueber ihm
geht das leuchtende Tagesgestirn auf, das Horaz in der Säeularode anruft


Sonnengott, Allernährer, deß Heller Wagen
Tageslicht schafft und birgt, der du gleich und anders
Stets erscheinst, könntest du größeres niemals
Schauen als Roma!

Unten ist die Erdgöttin° gelagert, die fruchtbringende, und nicht allein
den Fluren und Heerden sondern auch dem Menschengeschlecht Nahrung ge¬
bende, wie sie ebenfalls Horaz anruft


Erde, reich an Früchten und an Heerden,
Schmücke Ceres Stirne mit Aehrenkränzen,
nährend auch komm' Jupiters Luft und Regen
Ueber die Fluren.

Nicht nur der durch Kriegsmacht gebändigte, auch der durch den Segen der
Natur reich beglückte Erdkreis ist dem römischen Herrscher Unterthan. Solches
gelingt ihm durch den Beistand der Gottheiten, die über den Segen der
Elemente und über die Gewalt der Waffen, durch geistige Kraft, durch
Sühne und Recht, durch musische Kunst eine höhere sittliche Weltordnung
begründen: Apollo und Diana sind die Beschützer des siegreichen Herr¬
schers, in ihrem Dienst regiert er die Welt.

Erwägt man zunächst die künstlerischen Mittel genauer, durch welche
diese einfache, aber reiche und beziehungsvolle Vorstellung hier ausgesprochen
und versinnlicht ist, so überzeugt man sich, daß die einzelnen Gestalten nicht
etwa sür diese Composition, für diesen Gedanken neu erschaffen sind, daß sie
auch nicht dieser Zeit angehören, nicht auf römischem Boden gewachsen, son¬
dern als fertige Erzeugnisse griechischer Kunst herübergenommen sind. Das
Verdienst des Künstlers besteht in der feinen und geschmackvollen Anwendung
überlieferter Kunstmittel, um eine neue, oder wenigstens unter neuen Ver¬
hältnissen ausgeprägte Vorstellung auszudrücken. Wie die römische Poesie,


Grenzboten I. 1868. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/97>, abgerufen am 05.02.2025.