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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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von der griechischen die Götter- und Heroengestalten, die Motive der dichte¬
risch ausgebildeten Sage, die Technik des sprachlichen Ausdrucks und der
metrischen Form übernahm, und mit diesen Mitteln Werke von nationalem
Gepräge zu schaffen strebte, so suchte auch die nach Rom gewanderte bildende
Kunst unter dem mächtigen Einfluß der Weltherrscherin römische Gedanken
in griechische Formen zu kleiden. Aber es waren griechische Künstler, welche
dies ausführten; sie brauchten keine fremde Sprache zu lernen, Ausdrucks¬
mittel und Technik ihrer Kunst blieben dieselben. Auf dem Panzerrelies sind
der auf dem Greif reitende Apollo, die vom Hirsch getragene Diana
wohlbekannte, durch die grichische Kunst längst ausgeprägte Typen. Die
Barbaren erscheinen in der Tracht, welche mit Benutzung charakteristischer
Züge der asiatischen Volkstracht als eine allgemein giltige Bezeichnung bar¬
barischer Völker festgestellt worden war; nur durch einzelne Züge ist eine
schärfere Individualisirung erreicht. Stellung und Haltung der. besiegten
Nationen ist bestimmten Vorbildern entnommen, selbst das Tropäum ist aus
griechischer Ausfassung und Darstellung hervorgegangen. Nicht minder sind
die Personifikationen der elementaren Erscheinungen aus griechischer An-
schauung-hervorgegangen, den Römern war die Poesie der Naturerscheinun¬
gen, welche sie zu Thaten und Begebenheiten lebender Persönlichkeiten um¬
schasst, nicht aufgegangen. So geneigt die Römer sind, auf religiösem Ge¬
biet Zustände und Vorstellungen aller Art zu göttlichen Wesen zu machen,
so sind das doch in der Regel nur Abstractionen, die kein sinnlich anschau¬
liches Bild hervorrufen, während es das Wesen der griechischen Sage und
Poesie ist, zu personificiren, lebendige Individualitäten zu schaffen, welchen
die bildende Kunst nur Gestalt zu geben brauchte. Daher kommt es, daß
man so häufig für die feinsten, ausdrucksvollsten Gebilde der griechischen
Kunst auf römischen Monumenten keinen entsprechenden lateinischen Namen
findet, wie z. B. hier für die anmuthige Figur der Thaugöttin. Der
Römer verstand sie, wenn er sie sah, so gut wie wir; aber er hatte keinen
Namen für sie, so wenig wie wir. Der Sonnengott, der mit seinem
Viergespann über den Himmel fährt, mochte auch dem Römer eine geläufige
Vorstellung sein, aber dieser Sonnengott verräth seinen griechischen Ursprung
schon durch sein langes Gewand, welches die Kunst an einer uralten Sitte
festhaltend den Wagenlenkern noch gab, als es in Wirklichkeit nicht mehr
Brauch war. Interessant ist es nun, weiter zu verfolgen, wie alle Gestalten,
welche wir hier beisammen sehen, in den Apparat der späteren, auch noch
der christlichen Kunst übergehen, wie Farben auf der Pallette oder Phrasen
in einem poetischen Wörterbuch, die unverändert oder leicht modificirt. wo
sie nur passend erscheinen, angewendet werden. So ist die reizende Gruppe
der von der Thaugöttin getragenen Morgenröthe außerordentlich be-


von der griechischen die Götter- und Heroengestalten, die Motive der dichte¬
risch ausgebildeten Sage, die Technik des sprachlichen Ausdrucks und der
metrischen Form übernahm, und mit diesen Mitteln Werke von nationalem
Gepräge zu schaffen strebte, so suchte auch die nach Rom gewanderte bildende
Kunst unter dem mächtigen Einfluß der Weltherrscherin römische Gedanken
in griechische Formen zu kleiden. Aber es waren griechische Künstler, welche
dies ausführten; sie brauchten keine fremde Sprache zu lernen, Ausdrucks¬
mittel und Technik ihrer Kunst blieben dieselben. Auf dem Panzerrelies sind
der auf dem Greif reitende Apollo, die vom Hirsch getragene Diana
wohlbekannte, durch die grichische Kunst längst ausgeprägte Typen. Die
Barbaren erscheinen in der Tracht, welche mit Benutzung charakteristischer
Züge der asiatischen Volkstracht als eine allgemein giltige Bezeichnung bar¬
barischer Völker festgestellt worden war; nur durch einzelne Züge ist eine
schärfere Individualisirung erreicht. Stellung und Haltung der. besiegten
Nationen ist bestimmten Vorbildern entnommen, selbst das Tropäum ist aus
griechischer Ausfassung und Darstellung hervorgegangen. Nicht minder sind
die Personifikationen der elementaren Erscheinungen aus griechischer An-
schauung-hervorgegangen, den Römern war die Poesie der Naturerscheinun¬
gen, welche sie zu Thaten und Begebenheiten lebender Persönlichkeiten um¬
schasst, nicht aufgegangen. So geneigt die Römer sind, auf religiösem Ge¬
biet Zustände und Vorstellungen aller Art zu göttlichen Wesen zu machen,
so sind das doch in der Regel nur Abstractionen, die kein sinnlich anschau¬
liches Bild hervorrufen, während es das Wesen der griechischen Sage und
Poesie ist, zu personificiren, lebendige Individualitäten zu schaffen, welchen
die bildende Kunst nur Gestalt zu geben brauchte. Daher kommt es, daß
man so häufig für die feinsten, ausdrucksvollsten Gebilde der griechischen
Kunst auf römischen Monumenten keinen entsprechenden lateinischen Namen
findet, wie z. B. hier für die anmuthige Figur der Thaugöttin. Der
Römer verstand sie, wenn er sie sah, so gut wie wir; aber er hatte keinen
Namen für sie, so wenig wie wir. Der Sonnengott, der mit seinem
Viergespann über den Himmel fährt, mochte auch dem Römer eine geläufige
Vorstellung sein, aber dieser Sonnengott verräth seinen griechischen Ursprung
schon durch sein langes Gewand, welches die Kunst an einer uralten Sitte
festhaltend den Wagenlenkern noch gab, als es in Wirklichkeit nicht mehr
Brauch war. Interessant ist es nun, weiter zu verfolgen, wie alle Gestalten,
welche wir hier beisammen sehen, in den Apparat der späteren, auch noch
der christlichen Kunst übergehen, wie Farben auf der Pallette oder Phrasen
in einem poetischen Wörterbuch, die unverändert oder leicht modificirt. wo
sie nur passend erscheinen, angewendet werden. So ist die reizende Gruppe
der von der Thaugöttin getragenen Morgenröthe außerordentlich be-


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[0098] von der griechischen die Götter- und Heroengestalten, die Motive der dichte¬ risch ausgebildeten Sage, die Technik des sprachlichen Ausdrucks und der metrischen Form übernahm, und mit diesen Mitteln Werke von nationalem Gepräge zu schaffen strebte, so suchte auch die nach Rom gewanderte bildende Kunst unter dem mächtigen Einfluß der Weltherrscherin römische Gedanken in griechische Formen zu kleiden. Aber es waren griechische Künstler, welche dies ausführten; sie brauchten keine fremde Sprache zu lernen, Ausdrucks¬ mittel und Technik ihrer Kunst blieben dieselben. Auf dem Panzerrelies sind der auf dem Greif reitende Apollo, die vom Hirsch getragene Diana wohlbekannte, durch die grichische Kunst längst ausgeprägte Typen. Die Barbaren erscheinen in der Tracht, welche mit Benutzung charakteristischer Züge der asiatischen Volkstracht als eine allgemein giltige Bezeichnung bar¬ barischer Völker festgestellt worden war; nur durch einzelne Züge ist eine schärfere Individualisirung erreicht. Stellung und Haltung der. besiegten Nationen ist bestimmten Vorbildern entnommen, selbst das Tropäum ist aus griechischer Ausfassung und Darstellung hervorgegangen. Nicht minder sind die Personifikationen der elementaren Erscheinungen aus griechischer An- schauung-hervorgegangen, den Römern war die Poesie der Naturerscheinun¬ gen, welche sie zu Thaten und Begebenheiten lebender Persönlichkeiten um¬ schasst, nicht aufgegangen. So geneigt die Römer sind, auf religiösem Ge¬ biet Zustände und Vorstellungen aller Art zu göttlichen Wesen zu machen, so sind das doch in der Regel nur Abstractionen, die kein sinnlich anschau¬ liches Bild hervorrufen, während es das Wesen der griechischen Sage und Poesie ist, zu personificiren, lebendige Individualitäten zu schaffen, welchen die bildende Kunst nur Gestalt zu geben brauchte. Daher kommt es, daß man so häufig für die feinsten, ausdrucksvollsten Gebilde der griechischen Kunst auf römischen Monumenten keinen entsprechenden lateinischen Namen findet, wie z. B. hier für die anmuthige Figur der Thaugöttin. Der Römer verstand sie, wenn er sie sah, so gut wie wir; aber er hatte keinen Namen für sie, so wenig wie wir. Der Sonnengott, der mit seinem Viergespann über den Himmel fährt, mochte auch dem Römer eine geläufige Vorstellung sein, aber dieser Sonnengott verräth seinen griechischen Ursprung schon durch sein langes Gewand, welches die Kunst an einer uralten Sitte festhaltend den Wagenlenkern noch gab, als es in Wirklichkeit nicht mehr Brauch war. Interessant ist es nun, weiter zu verfolgen, wie alle Gestalten, welche wir hier beisammen sehen, in den Apparat der späteren, auch noch der christlichen Kunst übergehen, wie Farben auf der Pallette oder Phrasen in einem poetischen Wörterbuch, die unverändert oder leicht modificirt. wo sie nur passend erscheinen, angewendet werden. So ist die reizende Gruppe der von der Thaugöttin getragenen Morgenröthe außerordentlich be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/98>, abgerufen am 05.02.2025.