Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

maßen zur Gliederung und Uebersicht geleitet. Beide Aufgaben, den harmo¬
nischen Eindruck des Ganzen und die scharfe Bezeichnung des Einzelnen zu¬
gleich zu lösen, verlangte allerdings einen gebildeten Künstler. Wie weit die
Grenzen für die Anwendung der Farbe in diesem Sinne gesteckt waren,
welche Normen dabei im einzelnen befolgt worden, hat noch nicht festgestellt
werden können. Man sieht wohl, daß das besonders mit Farbe bedacht
worden ist, was als mehr äußerliches Beiwerk gilt; Gewänder und Beschu¬
hung, an den Kleidern wieder" Einfassungen und Säume, Waffen und Stäbe,
Kränze und Binden, Schmuck und Geschmeide werden bemalt. Auch am
menschlichen Körper sind es gewisse Theile, Haupt- und Barthaar, Augen
und Lippen, die regelmäßig durch Farbe hervorgehoben werden. Bei dieser
BeHandlungsweise mag wohl die altüberkommene Tradition mit eingewirkt
haben, die nach der Weise griechischer Kunstentwicklung nicht beseitigt, son¬
dern umgebildet und verfeinert wurde; daß sie durchgreifend war, geht aus
verwandten zusammenstimmenden Erscheinungen hervor. Auch in der Plastik
im Metall tritt die Polychromie hervor. Schon in den Beschreibungen,
welche das homerische und hesiodische Epos von künstlichen Metallarbeiten
macht, wird die Zusammensetzung aus verschiedenen Metallen in einer Weise
hervorgehoben, daß der Reiz der Farben als ein wesentlicher erscheint. Auch
die vollendete Kunst wendet neben der Bronze Gold, Silber, rothes Kupfer
zur Verzierung an, und zwar sind es dieselben Theile, welche dadurch hervor¬
gehoben werden, Säume der Gewänder, Binden, Kränze, Schmuck u. s. w.,
und am menschlichen Körper Haare, Augen, Lippen, Nägel und Brustwarzen.
Ja dasselbe System läßt sich noch in der Art, wie auf den bemalten Thon¬
gefäßen bunte Farben zur Ausschmückung verwandt sind, nachweisen. Die¬
selben Accessorien, dieselben Theile des Körpers bis auf die Brustwarzen wer¬
den auch hier durch besondere Farbe ausgezeichnet.

Nicht allein durch die Farben ist die Augustusstatue für unsere Kenntnisse
der antiken Technik wichtig. Der mit Reliefs geschmückte Harnisch gibt einen
interessanten Beleg für die Kunst in getriebener Metallarbeit (Cälatur),
und das Raffinement in der realistischen Wiedergabe des geringsten Details
leistet Bürgschaft dafür, daß wir hier die richtige Vorstellung wirklicher Har¬
nische gewinnen. Sieht man auch ab von den phantastischen Beschreibungen
kunstreich geschmückter Waffen bei Dichtern, so fehlt es keineswegs an Ma¬
terial, um uns von dem Reichthum und Geschmack kunstvoll gearbeiteter
Waffen eine hohe Vorstellung zu machen. In Pompeji sind Waffen zum
Vorschein gekommen, wie es scheint, nicht zum wirklichen Gebrauch, sondern
zur Schaustellung bestimmt, reich mit getriebener Arbeit verziert, unter denen
besonders ein Helm hervorsticht, dessen Reliefs eine Reihe von Scenen aus
der Eroberung Trojas darstellen. Am Rhein ist das sogenannte Schwert


maßen zur Gliederung und Uebersicht geleitet. Beide Aufgaben, den harmo¬
nischen Eindruck des Ganzen und die scharfe Bezeichnung des Einzelnen zu¬
gleich zu lösen, verlangte allerdings einen gebildeten Künstler. Wie weit die
Grenzen für die Anwendung der Farbe in diesem Sinne gesteckt waren,
welche Normen dabei im einzelnen befolgt worden, hat noch nicht festgestellt
werden können. Man sieht wohl, daß das besonders mit Farbe bedacht
worden ist, was als mehr äußerliches Beiwerk gilt; Gewänder und Beschu¬
hung, an den Kleidern wieder" Einfassungen und Säume, Waffen und Stäbe,
Kränze und Binden, Schmuck und Geschmeide werden bemalt. Auch am
menschlichen Körper sind es gewisse Theile, Haupt- und Barthaar, Augen
und Lippen, die regelmäßig durch Farbe hervorgehoben werden. Bei dieser
BeHandlungsweise mag wohl die altüberkommene Tradition mit eingewirkt
haben, die nach der Weise griechischer Kunstentwicklung nicht beseitigt, son¬
dern umgebildet und verfeinert wurde; daß sie durchgreifend war, geht aus
verwandten zusammenstimmenden Erscheinungen hervor. Auch in der Plastik
im Metall tritt die Polychromie hervor. Schon in den Beschreibungen,
welche das homerische und hesiodische Epos von künstlichen Metallarbeiten
macht, wird die Zusammensetzung aus verschiedenen Metallen in einer Weise
hervorgehoben, daß der Reiz der Farben als ein wesentlicher erscheint. Auch
die vollendete Kunst wendet neben der Bronze Gold, Silber, rothes Kupfer
zur Verzierung an, und zwar sind es dieselben Theile, welche dadurch hervor¬
gehoben werden, Säume der Gewänder, Binden, Kränze, Schmuck u. s. w.,
und am menschlichen Körper Haare, Augen, Lippen, Nägel und Brustwarzen.
Ja dasselbe System läßt sich noch in der Art, wie auf den bemalten Thon¬
gefäßen bunte Farben zur Ausschmückung verwandt sind, nachweisen. Die¬
selben Accessorien, dieselben Theile des Körpers bis auf die Brustwarzen wer¬
den auch hier durch besondere Farbe ausgezeichnet.

Nicht allein durch die Farben ist die Augustusstatue für unsere Kenntnisse
der antiken Technik wichtig. Der mit Reliefs geschmückte Harnisch gibt einen
interessanten Beleg für die Kunst in getriebener Metallarbeit (Cälatur),
und das Raffinement in der realistischen Wiedergabe des geringsten Details
leistet Bürgschaft dafür, daß wir hier die richtige Vorstellung wirklicher Har¬
nische gewinnen. Sieht man auch ab von den phantastischen Beschreibungen
kunstreich geschmückter Waffen bei Dichtern, so fehlt es keineswegs an Ma¬
terial, um uns von dem Reichthum und Geschmack kunstvoll gearbeiteter
Waffen eine hohe Vorstellung zu machen. In Pompeji sind Waffen zum
Vorschein gekommen, wie es scheint, nicht zum wirklichen Gebrauch, sondern
zur Schaustellung bestimmt, reich mit getriebener Arbeit verziert, unter denen
besonders ein Helm hervorsticht, dessen Reliefs eine Reihe von Scenen aus
der Eroberung Trojas darstellen. Am Rhein ist das sogenannte Schwert


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117101"/>
            <p xml:id="ID_269" prev="#ID_268"> maßen zur Gliederung und Uebersicht geleitet. Beide Aufgaben, den harmo¬<lb/>
nischen Eindruck des Ganzen und die scharfe Bezeichnung des Einzelnen zu¬<lb/>
gleich zu lösen, verlangte allerdings einen gebildeten Künstler. Wie weit die<lb/>
Grenzen für die Anwendung der Farbe in diesem Sinne gesteckt waren,<lb/>
welche Normen dabei im einzelnen befolgt worden, hat noch nicht festgestellt<lb/>
werden können. Man sieht wohl, daß das besonders mit Farbe bedacht<lb/>
worden ist, was als mehr äußerliches Beiwerk gilt; Gewänder und Beschu¬<lb/>
hung, an den Kleidern wieder" Einfassungen und Säume, Waffen und Stäbe,<lb/>
Kränze und Binden, Schmuck und Geschmeide werden bemalt. Auch am<lb/>
menschlichen Körper sind es gewisse Theile, Haupt- und Barthaar, Augen<lb/>
und Lippen, die regelmäßig durch Farbe hervorgehoben werden. Bei dieser<lb/>
BeHandlungsweise mag wohl die altüberkommene Tradition mit eingewirkt<lb/>
haben, die nach der Weise griechischer Kunstentwicklung nicht beseitigt, son¬<lb/>
dern umgebildet und verfeinert wurde; daß sie durchgreifend war, geht aus<lb/>
verwandten zusammenstimmenden Erscheinungen hervor. Auch in der Plastik<lb/>
im Metall tritt die Polychromie hervor. Schon in den Beschreibungen,<lb/>
welche das homerische und hesiodische Epos von künstlichen Metallarbeiten<lb/>
macht, wird die Zusammensetzung aus verschiedenen Metallen in einer Weise<lb/>
hervorgehoben, daß der Reiz der Farben als ein wesentlicher erscheint. Auch<lb/>
die vollendete Kunst wendet neben der Bronze Gold, Silber, rothes Kupfer<lb/>
zur Verzierung an, und zwar sind es dieselben Theile, welche dadurch hervor¬<lb/>
gehoben werden, Säume der Gewänder, Binden, Kränze, Schmuck u. s. w.,<lb/>
und am menschlichen Körper Haare, Augen, Lippen, Nägel und Brustwarzen.<lb/>
Ja dasselbe System läßt sich noch in der Art, wie auf den bemalten Thon¬<lb/>
gefäßen bunte Farben zur Ausschmückung verwandt sind, nachweisen. Die¬<lb/>
selben Accessorien, dieselben Theile des Körpers bis auf die Brustwarzen wer¬<lb/>
den auch hier durch besondere Farbe ausgezeichnet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_270" next="#ID_271"> Nicht allein durch die Farben ist die Augustusstatue für unsere Kenntnisse<lb/>
der antiken Technik wichtig. Der mit Reliefs geschmückte Harnisch gibt einen<lb/>
interessanten Beleg für die Kunst in getriebener Metallarbeit (Cälatur),<lb/>
und das Raffinement in der realistischen Wiedergabe des geringsten Details<lb/>
leistet Bürgschaft dafür, daß wir hier die richtige Vorstellung wirklicher Har¬<lb/>
nische gewinnen. Sieht man auch ab von den phantastischen Beschreibungen<lb/>
kunstreich geschmückter Waffen bei Dichtern, so fehlt es keineswegs an Ma¬<lb/>
terial, um uns von dem Reichthum und Geschmack kunstvoll gearbeiteter<lb/>
Waffen eine hohe Vorstellung zu machen. In Pompeji sind Waffen zum<lb/>
Vorschein gekommen, wie es scheint, nicht zum wirklichen Gebrauch, sondern<lb/>
zur Schaustellung bestimmt, reich mit getriebener Arbeit verziert, unter denen<lb/>
besonders ein Helm hervorsticht, dessen Reliefs eine Reihe von Scenen aus<lb/>
der Eroberung Trojas darstellen. Am Rhein ist das sogenannte Schwert</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0095] maßen zur Gliederung und Uebersicht geleitet. Beide Aufgaben, den harmo¬ nischen Eindruck des Ganzen und die scharfe Bezeichnung des Einzelnen zu¬ gleich zu lösen, verlangte allerdings einen gebildeten Künstler. Wie weit die Grenzen für die Anwendung der Farbe in diesem Sinne gesteckt waren, welche Normen dabei im einzelnen befolgt worden, hat noch nicht festgestellt werden können. Man sieht wohl, daß das besonders mit Farbe bedacht worden ist, was als mehr äußerliches Beiwerk gilt; Gewänder und Beschu¬ hung, an den Kleidern wieder" Einfassungen und Säume, Waffen und Stäbe, Kränze und Binden, Schmuck und Geschmeide werden bemalt. Auch am menschlichen Körper sind es gewisse Theile, Haupt- und Barthaar, Augen und Lippen, die regelmäßig durch Farbe hervorgehoben werden. Bei dieser BeHandlungsweise mag wohl die altüberkommene Tradition mit eingewirkt haben, die nach der Weise griechischer Kunstentwicklung nicht beseitigt, son¬ dern umgebildet und verfeinert wurde; daß sie durchgreifend war, geht aus verwandten zusammenstimmenden Erscheinungen hervor. Auch in der Plastik im Metall tritt die Polychromie hervor. Schon in den Beschreibungen, welche das homerische und hesiodische Epos von künstlichen Metallarbeiten macht, wird die Zusammensetzung aus verschiedenen Metallen in einer Weise hervorgehoben, daß der Reiz der Farben als ein wesentlicher erscheint. Auch die vollendete Kunst wendet neben der Bronze Gold, Silber, rothes Kupfer zur Verzierung an, und zwar sind es dieselben Theile, welche dadurch hervor¬ gehoben werden, Säume der Gewänder, Binden, Kränze, Schmuck u. s. w., und am menschlichen Körper Haare, Augen, Lippen, Nägel und Brustwarzen. Ja dasselbe System läßt sich noch in der Art, wie auf den bemalten Thon¬ gefäßen bunte Farben zur Ausschmückung verwandt sind, nachweisen. Die¬ selben Accessorien, dieselben Theile des Körpers bis auf die Brustwarzen wer¬ den auch hier durch besondere Farbe ausgezeichnet. Nicht allein durch die Farben ist die Augustusstatue für unsere Kenntnisse der antiken Technik wichtig. Der mit Reliefs geschmückte Harnisch gibt einen interessanten Beleg für die Kunst in getriebener Metallarbeit (Cälatur), und das Raffinement in der realistischen Wiedergabe des geringsten Details leistet Bürgschaft dafür, daß wir hier die richtige Vorstellung wirklicher Har¬ nische gewinnen. Sieht man auch ab von den phantastischen Beschreibungen kunstreich geschmückter Waffen bei Dichtern, so fehlt es keineswegs an Ma¬ terial, um uns von dem Reichthum und Geschmack kunstvoll gearbeiteter Waffen eine hohe Vorstellung zu machen. In Pompeji sind Waffen zum Vorschein gekommen, wie es scheint, nicht zum wirklichen Gebrauch, sondern zur Schaustellung bestimmt, reich mit getriebener Arbeit verziert, unter denen besonders ein Helm hervorsticht, dessen Reliefs eine Reihe von Scenen aus der Eroberung Trojas darstellen. Am Rhein ist das sogenannte Schwert

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/95
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/95>, abgerufen am 02.10.2024.