Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.tiative der Regierung herbeigeführten Maßregeln haben denselben gleich¬ So redet ein Journal, das der Anwalt von zwei Millionen russischer tiative der Regierung herbeigeführten Maßregeln haben denselben gleich¬ So redet ein Journal, das der Anwalt von zwei Millionen russischer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117482"/> <p xml:id="ID_1564" prev="#ID_1563"> tiative der Regierung herbeigeführten Maßregeln haben denselben gleich¬<lb/> falls nie entsprochen. Nicht nur daß die eine Partei in unserem Vater¬<lb/> lande, die stärkere, immer noch über dieselben Schäden klagt, —der anderen<lb/> Partei ist es nicht einmal möglich gewesen, ihre natürlichen Rechte bei<lb/> der Centralregierung zur Geltung zu bringen. Bevor das nicht geschehen,<lb/> werden die Unordnungen und Uebelstände in unserem Lande stets dieselben<lb/> bleiben, wird sich das Mißtrauen des Landmanns ebensowenig vermindern,<lb/> wie die allgemeine Unzufriedenheit und vollständige Apathie im Lande; da¬<lb/> gegen werden alle ministeriellen Experimente, auch die liberalen, nichts ver¬<lb/> schlagen." Im weiteren Verlauf wird die absolute Werthlosigkeit aller den<lb/> Bewohnern Galiziens ertheilten politischen und konstitutionellen Rechte be¬<lb/> hauptet. „Möglich, daß dieselben in andern Ländern, wo bereits etwas für<lb/> Bildung und Wohlstand der Unterthanen geschehen ist. von Werth sind, z. B.<lb/> in Preußen, wo alle Bewohner zu lesen und zu schreiben perstehen und wo<lb/> es viele gebildete Leute giebt, welche gern politische Ehrenämter übernehmen<lb/> und für die Selbstverwaltung thätig sind. Bei uns sind alle Lasten zu so<lb/> unerträglicher Höhe angewachsen, daß im ganzen Lande nur Unwillen über<lb/> die neuen Einrichtungen herrscht." Bezüglich der von Dr. Brest! in Bor¬<lb/> schlag gebrachten Veräußerung der galizischen Staatsgüter heißt es, „eben¬<lb/> sogut könne der Minister die Güter der Privaten, namentlich der Bauern<lb/> einziehen" und „um Oestreich vom Bankerott zu retten" meistbietlich ver¬<lb/> äußern. — Noch drohender und unzufriedener lautet die Sprache, welche<lb/> ein anderer Artikel desselben Blattes führt: „Unsere gerechtesten Forderungen<lb/> bleiben unberücksichtigt; unsere Bestrebungen nach Gleichstellung mit den<lb/> Polen und andern Völkern Oestreichs werden verlacht, unsere heiligsten<lb/> und edelsten nationalen Empfindungen werden beleidigt und gekränkt;<lb/> russische Beamte und Lehrer werden in den polnischen Theil des Landes<lb/> versetzt, der uns, unserem Glauben und unseren Gewohnheiten feindlich<lb/> ist; in Folge eines ungesetzlichen Beschlusses des lemberger Landtags<lb/> verschwindet unsere Sprache aus der Schule wie aus der Administration;<lb/> unsere Jugend muß polnisch lernen; unsere Deputirten werden gewalt¬<lb/> sam aus dem Reichsrath wie aus dem Landtage, aus den städtischen und<lb/> ländlichen Verhandlungen gedrängt. Wir sind zum Schweigen verurtheilt<lb/> und unsere Feinde beurtheilen und entscheiden das Geschick der russischen<lb/> Nationalität."</p><lb/> <p xml:id="ID_1565" next="#ID_1566"> So redet ein Journal, das der Anwalt von zwei Millionen russischer<lb/> Bewohner des Kronlands Galizien ist, kaum in einer Bauernstube Ostgali-<lb/> ziens fehlt und. von zahlreichen Popen, Schullehrern und niederen Beamten<lb/> eifrig verbreitet wird — so redet es zu einer Zeit, wo das den Russen feind¬<lb/> liche Föderativsystem gebrochen ist und Rußland den galizischen Dingen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
tiative der Regierung herbeigeführten Maßregeln haben denselben gleich¬
falls nie entsprochen. Nicht nur daß die eine Partei in unserem Vater¬
lande, die stärkere, immer noch über dieselben Schäden klagt, —der anderen
Partei ist es nicht einmal möglich gewesen, ihre natürlichen Rechte bei
der Centralregierung zur Geltung zu bringen. Bevor das nicht geschehen,
werden die Unordnungen und Uebelstände in unserem Lande stets dieselben
bleiben, wird sich das Mißtrauen des Landmanns ebensowenig vermindern,
wie die allgemeine Unzufriedenheit und vollständige Apathie im Lande; da¬
gegen werden alle ministeriellen Experimente, auch die liberalen, nichts ver¬
schlagen." Im weiteren Verlauf wird die absolute Werthlosigkeit aller den
Bewohnern Galiziens ertheilten politischen und konstitutionellen Rechte be¬
hauptet. „Möglich, daß dieselben in andern Ländern, wo bereits etwas für
Bildung und Wohlstand der Unterthanen geschehen ist. von Werth sind, z. B.
in Preußen, wo alle Bewohner zu lesen und zu schreiben perstehen und wo
es viele gebildete Leute giebt, welche gern politische Ehrenämter übernehmen
und für die Selbstverwaltung thätig sind. Bei uns sind alle Lasten zu so
unerträglicher Höhe angewachsen, daß im ganzen Lande nur Unwillen über
die neuen Einrichtungen herrscht." Bezüglich der von Dr. Brest! in Bor¬
schlag gebrachten Veräußerung der galizischen Staatsgüter heißt es, „eben¬
sogut könne der Minister die Güter der Privaten, namentlich der Bauern
einziehen" und „um Oestreich vom Bankerott zu retten" meistbietlich ver¬
äußern. — Noch drohender und unzufriedener lautet die Sprache, welche
ein anderer Artikel desselben Blattes führt: „Unsere gerechtesten Forderungen
bleiben unberücksichtigt; unsere Bestrebungen nach Gleichstellung mit den
Polen und andern Völkern Oestreichs werden verlacht, unsere heiligsten
und edelsten nationalen Empfindungen werden beleidigt und gekränkt;
russische Beamte und Lehrer werden in den polnischen Theil des Landes
versetzt, der uns, unserem Glauben und unseren Gewohnheiten feindlich
ist; in Folge eines ungesetzlichen Beschlusses des lemberger Landtags
verschwindet unsere Sprache aus der Schule wie aus der Administration;
unsere Jugend muß polnisch lernen; unsere Deputirten werden gewalt¬
sam aus dem Reichsrath wie aus dem Landtage, aus den städtischen und
ländlichen Verhandlungen gedrängt. Wir sind zum Schweigen verurtheilt
und unsere Feinde beurtheilen und entscheiden das Geschick der russischen
Nationalität."
So redet ein Journal, das der Anwalt von zwei Millionen russischer
Bewohner des Kronlands Galizien ist, kaum in einer Bauernstube Ostgali-
ziens fehlt und. von zahlreichen Popen, Schullehrern und niederen Beamten
eifrig verbreitet wird — so redet es zu einer Zeit, wo das den Russen feind¬
liche Föderativsystem gebrochen ist und Rußland den galizischen Dingen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |