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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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welche als Lootsencorporation begann, allmählich aber alles, was die See¬
schifffahrt sicher machen hilft, in ihr Bereich zog, die Sorge für alters-
schwache Seeleute, für die Wittwen und Waisen von Seeleuten, sowie für
die seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts wieder auftauchenden Leucht¬
thürme, die neben den im 18. Jahrhundert hinzukommenden Leuchtschiffen
bald den Hauptbestandtheil ihrer Thätigkeit ausmachten. Unter dem histo¬
rischen Gesichtspunkt ist das Trinity House gewiß ein ebenso ehrwürdiges
als interessantes Institut; unter dem praktischen Gesichtspunkt erscheint es
aber weder nachahmbar noch nachahmenswert!), für Deutschland sowenig wie
für irgend ein anderes Land. Wenn man zu einem Dienste, der volle männ¬
liche Kraft erfordert, einen rüstigen jungen Mann haben kann, warum einen
noch so achtunggebietenden Greis wählen? Die Engländer selbst, wenn sie
heute ihr Beleuchtwesen frisch zu organisiren hätten, würden kein Trinity
House, sondern eine vom Staat errichtete und unterhaltene Centralbehörde
schaffen. Denn sie haben erfahren, wie wenig das Leuchtwesen Zersplitterung
und Systemlosigkeit vertragen kann. Der gegenwärtige Chef des Trinity House,
Capitän Arrow, hat in einer Unterredung mit dem hanseatischen Gesandten
in London, Dr. Geffcken, seine Meinung unverhohlen dahin ausgesprochen,
daß Deutschland am besten thäte, das Seeleuchtwesen einer einzigen Behörde
mit dem Sitze in Hamburg oder Bremen anzuvertrauen.

Der Plan der bremer Bürgerschaft läuft darauf hinaus, daß Preußen,
Oldenburg und Bremen sich zur Versehung der Wesermündung mit Leucht¬
apparaten, Tonnen und Baker (Stangen mit einem Korbe oder sonstigem
leicht sichtbaren Gestell an der obern Spitze) vertragsmäßig verbinden, die
Kosten durch eine Schifffahrtsabgabe von S---6 Silbergroschen auf die Last
jedes über 30 Last haltenden Seeschiffs decken, und die Verwaltung einem
aus den Interessenten erwählten Comite' übertragen sollen. Angenommen,
daß damit für die Bedürfnisse der Wesermündung ausgiebig und sachgemäß
gesorgt würde, so fragt sich doch, was wird dabei aus dem Rest der Nord¬
seeküste? wer bestreitet z. B. die Beleuchtungskosten auf und vor den ost¬
friesischen Inseln, bei deren Aufbringung und richtiger Verwendung der
Weserverkehr mindestens ebenso stark interessirt ist, wie der Emsverkehr?
Und weiter: wenn zugelassen wird, daß das nächste sich darbietende, durch
^e daran geknüpften Interessen besonders bedeutungsvolle und dringliche,
eben deswegen auch am ehesten zu befriedigende Bedürfniß für sich allein
befriedigt wird, ohne Zusammenhang mit einer Reform des ganzen natio¬
nalen Leuchtwesens, welche Aussichten bleiben dann für dieses übrig? Kann
es weise und patriotisch erscheinen, den stärksten Anstoß zu einer so lange
verzögerten, so unbedingt wünschenswerten Reform ohne Nutzen für die
Gesammtheit in einer Einzelmaßregel verpuffen zu lassen?


welche als Lootsencorporation begann, allmählich aber alles, was die See¬
schifffahrt sicher machen hilft, in ihr Bereich zog, die Sorge für alters-
schwache Seeleute, für die Wittwen und Waisen von Seeleuten, sowie für
die seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts wieder auftauchenden Leucht¬
thürme, die neben den im 18. Jahrhundert hinzukommenden Leuchtschiffen
bald den Hauptbestandtheil ihrer Thätigkeit ausmachten. Unter dem histo¬
rischen Gesichtspunkt ist das Trinity House gewiß ein ebenso ehrwürdiges
als interessantes Institut; unter dem praktischen Gesichtspunkt erscheint es
aber weder nachahmbar noch nachahmenswert!), für Deutschland sowenig wie
für irgend ein anderes Land. Wenn man zu einem Dienste, der volle männ¬
liche Kraft erfordert, einen rüstigen jungen Mann haben kann, warum einen
noch so achtunggebietenden Greis wählen? Die Engländer selbst, wenn sie
heute ihr Beleuchtwesen frisch zu organisiren hätten, würden kein Trinity
House, sondern eine vom Staat errichtete und unterhaltene Centralbehörde
schaffen. Denn sie haben erfahren, wie wenig das Leuchtwesen Zersplitterung
und Systemlosigkeit vertragen kann. Der gegenwärtige Chef des Trinity House,
Capitän Arrow, hat in einer Unterredung mit dem hanseatischen Gesandten
in London, Dr. Geffcken, seine Meinung unverhohlen dahin ausgesprochen,
daß Deutschland am besten thäte, das Seeleuchtwesen einer einzigen Behörde
mit dem Sitze in Hamburg oder Bremen anzuvertrauen.

Der Plan der bremer Bürgerschaft läuft darauf hinaus, daß Preußen,
Oldenburg und Bremen sich zur Versehung der Wesermündung mit Leucht¬
apparaten, Tonnen und Baker (Stangen mit einem Korbe oder sonstigem
leicht sichtbaren Gestell an der obern Spitze) vertragsmäßig verbinden, die
Kosten durch eine Schifffahrtsabgabe von S-—6 Silbergroschen auf die Last
jedes über 30 Last haltenden Seeschiffs decken, und die Verwaltung einem
aus den Interessenten erwählten Comite' übertragen sollen. Angenommen,
daß damit für die Bedürfnisse der Wesermündung ausgiebig und sachgemäß
gesorgt würde, so fragt sich doch, was wird dabei aus dem Rest der Nord¬
seeküste? wer bestreitet z. B. die Beleuchtungskosten auf und vor den ost¬
friesischen Inseln, bei deren Aufbringung und richtiger Verwendung der
Weserverkehr mindestens ebenso stark interessirt ist, wie der Emsverkehr?
Und weiter: wenn zugelassen wird, daß das nächste sich darbietende, durch
^e daran geknüpften Interessen besonders bedeutungsvolle und dringliche,
eben deswegen auch am ehesten zu befriedigende Bedürfniß für sich allein
befriedigt wird, ohne Zusammenhang mit einer Reform des ganzen natio¬
nalen Leuchtwesens, welche Aussichten bleiben dann für dieses übrig? Kann
es weise und patriotisch erscheinen, den stärksten Anstoß zu einer so lange
verzögerten, so unbedingt wünschenswerten Reform ohne Nutzen für die
Gesammtheit in einer Einzelmaßregel verpuffen zu lassen?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/471>, abgerufen am 01.10.2024.