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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Wenn Preußen sich einfach auf den Standpunkt der preußischen Inter¬
essen stellt, so könnte es zwar auf den Plan der bremer Bürgerschaft -- oder
H. H. Meiers, denn von diesem einflußreichen und energischen Manne rührt
derselbe her -- eingehen, aber doch nur, indem es sich vorbehielte, den Weser¬
verkehr für das Feuerschiff vor Borkum und den Thurm auf Baltrum eben¬
falls heranzuziehen. Es ist nicht gerecht, daß die preußische Staatscasse diese
Anlagen allein übernehme, denn dieselben kommen den in Bremerhaven und
Brake verkehrenden Schiffen ebenfalls zu Gute; und geradezu unmöglich
wäre es, das neue Selbsterhaltungs - und Selbstverwaltungsprinzip so anzu¬
wenden, daß man den Verkehr der Emshäfen und der kleinen Hafenplätze
im Norden Ostfrieslands dafür besteuerte, denn damit hätten diese mindestens
das Zehnfache der Last des Weserverkehrs zu tragen. Sollte aber der Weser¬
verkehr, wie billig, zur Gründung und Erhaltung des ostfriesischen Leucht¬
wesens mit herangezogen werden, so würden Herr H. H. Meier und seine
Anhänger unter den Rhedern nicht ohne Grund erklären, das sei für die See¬
schifffahrt zuviel.

Es ist in der That zuviel verlangt, daß die Schifffahrt das ganze Leucht¬
wesen auf ihre Schultern nehmen solle. Der Hauptgegenstand der Küsten¬
beleuchtung ist der Mensch, nicht das Schiff oder die Waare, und für dessen
Sicherheit auszukommen ist die Sache des Staats. Mag man die Schifffahrt
immerhin besteuern, unrecht wäre es, ihr die ganze Last aufzubürden. Sie
hat sich in Bremen durch Herrn H. H. Meier im Stande und willig er¬
klärt, 3 oder 6 Silbergroschen für die Last aufzubringen; damit wird ziem¬
lich ein Drittel der Gesammtlast, eine vollständige Küstenbeleuchtung voraus¬
gesetzt, zu decken sein. Für den Rest möge der Bundessäckel in Anspruch
genommen werden. 200,000 Thaler jährlich werden ihn nicht zu schwer be¬
drücken, wenn es sich um eine so klare und bedeutsame Ehrenpflicht der
Nation handelt.

Erst mit der Einsetzung einer ordentlichen Bundesbehörde würde Schwung,
gleichmäßiger Fortschritt und wirkliches System in die Sache kommen. Bleibt
sie den bisher dafür thätigen Technikern der Einzelstaaten überlassen, so wird
es im Großen und Ganzen in dem alten Schlendrian weitergehen.
Schoße der bremer Bürgerschaft ist viel gegen die preußische Bureaukratie
declamirt worden; allein in wessen Händen befinden sich denn und bleiben
neun Zehntel der Aufgabe, wenn sie den Einzelstaaten nicht entwunden wird?
'Wenn der Bund dieselbe aber an sich zieht, so wird es sicher nicht geschehen,
ohne daß einesteils die etwa vorhandenen brauchbaren hanseatischen Kräfte
zugezogen, anderntheils die auch dann muthmaßlich noch übrigen Lücken w
den Erfahrungen und Einsichten nach Möglichkeit. ergänzt werden, sei es
durch Gewinnung des einen oder andern auswärtigen Sachverständigen, sei


Wenn Preußen sich einfach auf den Standpunkt der preußischen Inter¬
essen stellt, so könnte es zwar auf den Plan der bremer Bürgerschaft — oder
H. H. Meiers, denn von diesem einflußreichen und energischen Manne rührt
derselbe her — eingehen, aber doch nur, indem es sich vorbehielte, den Weser¬
verkehr für das Feuerschiff vor Borkum und den Thurm auf Baltrum eben¬
falls heranzuziehen. Es ist nicht gerecht, daß die preußische Staatscasse diese
Anlagen allein übernehme, denn dieselben kommen den in Bremerhaven und
Brake verkehrenden Schiffen ebenfalls zu Gute; und geradezu unmöglich
wäre es, das neue Selbsterhaltungs - und Selbstverwaltungsprinzip so anzu¬
wenden, daß man den Verkehr der Emshäfen und der kleinen Hafenplätze
im Norden Ostfrieslands dafür besteuerte, denn damit hätten diese mindestens
das Zehnfache der Last des Weserverkehrs zu tragen. Sollte aber der Weser¬
verkehr, wie billig, zur Gründung und Erhaltung des ostfriesischen Leucht¬
wesens mit herangezogen werden, so würden Herr H. H. Meier und seine
Anhänger unter den Rhedern nicht ohne Grund erklären, das sei für die See¬
schifffahrt zuviel.

Es ist in der That zuviel verlangt, daß die Schifffahrt das ganze Leucht¬
wesen auf ihre Schultern nehmen solle. Der Hauptgegenstand der Küsten¬
beleuchtung ist der Mensch, nicht das Schiff oder die Waare, und für dessen
Sicherheit auszukommen ist die Sache des Staats. Mag man die Schifffahrt
immerhin besteuern, unrecht wäre es, ihr die ganze Last aufzubürden. Sie
hat sich in Bremen durch Herrn H. H. Meier im Stande und willig er¬
klärt, 3 oder 6 Silbergroschen für die Last aufzubringen; damit wird ziem¬
lich ein Drittel der Gesammtlast, eine vollständige Küstenbeleuchtung voraus¬
gesetzt, zu decken sein. Für den Rest möge der Bundessäckel in Anspruch
genommen werden. 200,000 Thaler jährlich werden ihn nicht zu schwer be¬
drücken, wenn es sich um eine so klare und bedeutsame Ehrenpflicht der
Nation handelt.

Erst mit der Einsetzung einer ordentlichen Bundesbehörde würde Schwung,
gleichmäßiger Fortschritt und wirkliches System in die Sache kommen. Bleibt
sie den bisher dafür thätigen Technikern der Einzelstaaten überlassen, so wird
es im Großen und Ganzen in dem alten Schlendrian weitergehen.
Schoße der bremer Bürgerschaft ist viel gegen die preußische Bureaukratie
declamirt worden; allein in wessen Händen befinden sich denn und bleiben
neun Zehntel der Aufgabe, wenn sie den Einzelstaaten nicht entwunden wird?
'Wenn der Bund dieselbe aber an sich zieht, so wird es sicher nicht geschehen,
ohne daß einesteils die etwa vorhandenen brauchbaren hanseatischen Kräfte
zugezogen, anderntheils die auch dann muthmaßlich noch übrigen Lücken w
den Erfahrungen und Einsichten nach Möglichkeit. ergänzt werden, sei es
durch Gewinnung des einen oder andern auswärtigen Sachverständigen, sei


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[0472] Wenn Preußen sich einfach auf den Standpunkt der preußischen Inter¬ essen stellt, so könnte es zwar auf den Plan der bremer Bürgerschaft — oder H. H. Meiers, denn von diesem einflußreichen und energischen Manne rührt derselbe her — eingehen, aber doch nur, indem es sich vorbehielte, den Weser¬ verkehr für das Feuerschiff vor Borkum und den Thurm auf Baltrum eben¬ falls heranzuziehen. Es ist nicht gerecht, daß die preußische Staatscasse diese Anlagen allein übernehme, denn dieselben kommen den in Bremerhaven und Brake verkehrenden Schiffen ebenfalls zu Gute; und geradezu unmöglich wäre es, das neue Selbsterhaltungs - und Selbstverwaltungsprinzip so anzu¬ wenden, daß man den Verkehr der Emshäfen und der kleinen Hafenplätze im Norden Ostfrieslands dafür besteuerte, denn damit hätten diese mindestens das Zehnfache der Last des Weserverkehrs zu tragen. Sollte aber der Weser¬ verkehr, wie billig, zur Gründung und Erhaltung des ostfriesischen Leucht¬ wesens mit herangezogen werden, so würden Herr H. H. Meier und seine Anhänger unter den Rhedern nicht ohne Grund erklären, das sei für die See¬ schifffahrt zuviel. Es ist in der That zuviel verlangt, daß die Schifffahrt das ganze Leucht¬ wesen auf ihre Schultern nehmen solle. Der Hauptgegenstand der Küsten¬ beleuchtung ist der Mensch, nicht das Schiff oder die Waare, und für dessen Sicherheit auszukommen ist die Sache des Staats. Mag man die Schifffahrt immerhin besteuern, unrecht wäre es, ihr die ganze Last aufzubürden. Sie hat sich in Bremen durch Herrn H. H. Meier im Stande und willig er¬ klärt, 3 oder 6 Silbergroschen für die Last aufzubringen; damit wird ziem¬ lich ein Drittel der Gesammtlast, eine vollständige Küstenbeleuchtung voraus¬ gesetzt, zu decken sein. Für den Rest möge der Bundessäckel in Anspruch genommen werden. 200,000 Thaler jährlich werden ihn nicht zu schwer be¬ drücken, wenn es sich um eine so klare und bedeutsame Ehrenpflicht der Nation handelt. Erst mit der Einsetzung einer ordentlichen Bundesbehörde würde Schwung, gleichmäßiger Fortschritt und wirkliches System in die Sache kommen. Bleibt sie den bisher dafür thätigen Technikern der Einzelstaaten überlassen, so wird es im Großen und Ganzen in dem alten Schlendrian weitergehen. Schoße der bremer Bürgerschaft ist viel gegen die preußische Bureaukratie declamirt worden; allein in wessen Händen befinden sich denn und bleiben neun Zehntel der Aufgabe, wenn sie den Einzelstaaten nicht entwunden wird? 'Wenn der Bund dieselbe aber an sich zieht, so wird es sicher nicht geschehen, ohne daß einesteils die etwa vorhandenen brauchbaren hanseatischen Kräfte zugezogen, anderntheils die auch dann muthmaßlich noch übrigen Lücken w den Erfahrungen und Einsichten nach Möglichkeit. ergänzt werden, sei es durch Gewinnung des einen oder andern auswärtigen Sachverständigen, sei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/472>, abgerufen am 01.07.2024.