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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Ein viertes Originalbildniß Lessing's besitzt die großherzogliche Biblio¬
thek zu Weimar; es ist im Dreiviertelprofil, der Maler Calau hat es in
antiker Wachsmalerei, die er wiedererfunden zu haben glaubte, gemalt. Lessing
war mit ihm bekannt, wie aus einem Briefe an seinen Bruder Karl hervor¬
geht. Das Bild ist als Gemälde nicht ohne Werth, aber die Aehnlichkeit
steht dahin.

Bald nach Lessing's Tode erschienen auch einige Profilbildnisse, das eine
nach einer Zeichnung von Frisch, dem Director der berliner Academie, von
Berger gestochen für die Gesammtausgabe der Werke, dann ein ganz kleines
ohne Künstlernamen, ein drittes auf dem Titelblatte der zweiten Ausgabe
von Mendelssohn's Morgenstunden, in Form einer Medaille, von Meil,
welcher auch eine auf den Nathan bezügliche Kehrseite zu dieser Medaille
für den zweiten Band dieses Buches zeichnete. Es wäre möglich, daß eins
dieser, von allen guten Bildnissen völlig abweichenden, durchaus unähnlichen
Profile auf ein Gipsmedaillon Lessing's zurückzuführen ist, welches der ber¬
liner Bildhauer Sabier nach Nicolai's Beschreibung von Berlin verfertigt
hat; ich kenne kein Exemplar dieses Medaillons, ebensowenig Tassaert's Ar¬
beit; dieser Hofbildhauer Friedrichs des Großen hat im Jahre 1783 "Lessing
und Gellert modellirt, sie sollen in Marmor ausgeführt werden"; so schrieb
Gottfried Schadow's Mutter ihrem Sohne; ob hier Medaillons oder Büsten
gemeint sind, bleibt ungewiß.

Auch wurden bald zwei leider schlechte Medaillen geprägt; die eine, von
dem berliner Hofmedailleur Abramson, stellt Lessing im Profil mit kurzge¬
schnittenem Haar dar, wie er es nie getragen; auf der Kehrseite ist eine
höchst geschmacklose allegorische Darstellung der trauernden Wahrheit, mit
der Sonne auf der Brust oder aus dem Magen, und der Natur, die an der
Todtenurne weint, gerade als ob Lessing keinen Laokoon geschrieben hätte.
Die andere Medaille von dem erwähnten braunschweigischen Medailleur Krull
zeigt eben so häßlich Lessing's Büste fast von vorn, und eine lange Inschrift
auf der Kehrseite.

Nur als Curiosum soll noch das in Camenz befindliche Bild erwähnt
werden, welches Lessing als kleinen Knaben mit seinem Bruder Theophilus
darstellt. Vor einigen Jahren hat ein dortiger Maler das sehr beschädigte
Original copirt und ein Lichtbild seiner Copie veröffentlicht. Der Knabe
sollte mit einem Vogel in der Hand gemalt werden, allein er verlangte einen
großen Haufen Bücher, sonst wolle er lieber gar nicht gemalt sein. Ein
wundersam frühes Vorgefühl des einstigen Berufs. Unbekannt war dies
Bild nicht, denn Karl Lessing erwähnt es in der platten Biographie seines
Bruders, wo er diese Anekdote erzählt. Schiller hat wirklich kaum zu hart
geurthetlt, als er in den Xenien von diesem Buche sagte:


Ein viertes Originalbildniß Lessing's besitzt die großherzogliche Biblio¬
thek zu Weimar; es ist im Dreiviertelprofil, der Maler Calau hat es in
antiker Wachsmalerei, die er wiedererfunden zu haben glaubte, gemalt. Lessing
war mit ihm bekannt, wie aus einem Briefe an seinen Bruder Karl hervor¬
geht. Das Bild ist als Gemälde nicht ohne Werth, aber die Aehnlichkeit
steht dahin.

Bald nach Lessing's Tode erschienen auch einige Profilbildnisse, das eine
nach einer Zeichnung von Frisch, dem Director der berliner Academie, von
Berger gestochen für die Gesammtausgabe der Werke, dann ein ganz kleines
ohne Künstlernamen, ein drittes auf dem Titelblatte der zweiten Ausgabe
von Mendelssohn's Morgenstunden, in Form einer Medaille, von Meil,
welcher auch eine auf den Nathan bezügliche Kehrseite zu dieser Medaille
für den zweiten Band dieses Buches zeichnete. Es wäre möglich, daß eins
dieser, von allen guten Bildnissen völlig abweichenden, durchaus unähnlichen
Profile auf ein Gipsmedaillon Lessing's zurückzuführen ist, welches der ber¬
liner Bildhauer Sabier nach Nicolai's Beschreibung von Berlin verfertigt
hat; ich kenne kein Exemplar dieses Medaillons, ebensowenig Tassaert's Ar¬
beit; dieser Hofbildhauer Friedrichs des Großen hat im Jahre 1783 „Lessing
und Gellert modellirt, sie sollen in Marmor ausgeführt werden"; so schrieb
Gottfried Schadow's Mutter ihrem Sohne; ob hier Medaillons oder Büsten
gemeint sind, bleibt ungewiß.

Auch wurden bald zwei leider schlechte Medaillen geprägt; die eine, von
dem berliner Hofmedailleur Abramson, stellt Lessing im Profil mit kurzge¬
schnittenem Haar dar, wie er es nie getragen; auf der Kehrseite ist eine
höchst geschmacklose allegorische Darstellung der trauernden Wahrheit, mit
der Sonne auf der Brust oder aus dem Magen, und der Natur, die an der
Todtenurne weint, gerade als ob Lessing keinen Laokoon geschrieben hätte.
Die andere Medaille von dem erwähnten braunschweigischen Medailleur Krull
zeigt eben so häßlich Lessing's Büste fast von vorn, und eine lange Inschrift
auf der Kehrseite.

Nur als Curiosum soll noch das in Camenz befindliche Bild erwähnt
werden, welches Lessing als kleinen Knaben mit seinem Bruder Theophilus
darstellt. Vor einigen Jahren hat ein dortiger Maler das sehr beschädigte
Original copirt und ein Lichtbild seiner Copie veröffentlicht. Der Knabe
sollte mit einem Vogel in der Hand gemalt werden, allein er verlangte einen
großen Haufen Bücher, sonst wolle er lieber gar nicht gemalt sein. Ein
wundersam frühes Vorgefühl des einstigen Berufs. Unbekannt war dies
Bild nicht, denn Karl Lessing erwähnt es in der platten Biographie seines
Bruders, wo er diese Anekdote erzählt. Schiller hat wirklich kaum zu hart
geurthetlt, als er in den Xenien von diesem Buche sagte:


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[0457] Ein viertes Originalbildniß Lessing's besitzt die großherzogliche Biblio¬ thek zu Weimar; es ist im Dreiviertelprofil, der Maler Calau hat es in antiker Wachsmalerei, die er wiedererfunden zu haben glaubte, gemalt. Lessing war mit ihm bekannt, wie aus einem Briefe an seinen Bruder Karl hervor¬ geht. Das Bild ist als Gemälde nicht ohne Werth, aber die Aehnlichkeit steht dahin. Bald nach Lessing's Tode erschienen auch einige Profilbildnisse, das eine nach einer Zeichnung von Frisch, dem Director der berliner Academie, von Berger gestochen für die Gesammtausgabe der Werke, dann ein ganz kleines ohne Künstlernamen, ein drittes auf dem Titelblatte der zweiten Ausgabe von Mendelssohn's Morgenstunden, in Form einer Medaille, von Meil, welcher auch eine auf den Nathan bezügliche Kehrseite zu dieser Medaille für den zweiten Band dieses Buches zeichnete. Es wäre möglich, daß eins dieser, von allen guten Bildnissen völlig abweichenden, durchaus unähnlichen Profile auf ein Gipsmedaillon Lessing's zurückzuführen ist, welches der ber¬ liner Bildhauer Sabier nach Nicolai's Beschreibung von Berlin verfertigt hat; ich kenne kein Exemplar dieses Medaillons, ebensowenig Tassaert's Ar¬ beit; dieser Hofbildhauer Friedrichs des Großen hat im Jahre 1783 „Lessing und Gellert modellirt, sie sollen in Marmor ausgeführt werden"; so schrieb Gottfried Schadow's Mutter ihrem Sohne; ob hier Medaillons oder Büsten gemeint sind, bleibt ungewiß. Auch wurden bald zwei leider schlechte Medaillen geprägt; die eine, von dem berliner Hofmedailleur Abramson, stellt Lessing im Profil mit kurzge¬ schnittenem Haar dar, wie er es nie getragen; auf der Kehrseite ist eine höchst geschmacklose allegorische Darstellung der trauernden Wahrheit, mit der Sonne auf der Brust oder aus dem Magen, und der Natur, die an der Todtenurne weint, gerade als ob Lessing keinen Laokoon geschrieben hätte. Die andere Medaille von dem erwähnten braunschweigischen Medailleur Krull zeigt eben so häßlich Lessing's Büste fast von vorn, und eine lange Inschrift auf der Kehrseite. Nur als Curiosum soll noch das in Camenz befindliche Bild erwähnt werden, welches Lessing als kleinen Knaben mit seinem Bruder Theophilus darstellt. Vor einigen Jahren hat ein dortiger Maler das sehr beschädigte Original copirt und ein Lichtbild seiner Copie veröffentlicht. Der Knabe sollte mit einem Vogel in der Hand gemalt werden, allein er verlangte einen großen Haufen Bücher, sonst wolle er lieber gar nicht gemalt sein. Ein wundersam frühes Vorgefühl des einstigen Berufs. Unbekannt war dies Bild nicht, denn Karl Lessing erwähnt es in der platten Biographie seines Bruders, wo er diese Anekdote erzählt. Schiller hat wirklich kaum zu hart geurthetlt, als er in den Xenien von diesem Buche sagte:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/457>, abgerufen am 24.08.2024.