Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich dem Eindruck nicht verschließen, daß die Regierung mit einem sehr
mäßigen Vorrath von gurem Willen diesem Geschäft sich unterzogen hat.
Es ist ihr sichtlich kein Vergnügen gewesen, Wahlen zu einem gesammtdeut-
schen Parlament vornehmen zu lassen. Der erste Beitrag zur Arbeit am
neuen Deutschland ist ihr offenbar sauer geworden.

Und damit beantwortet sich auch eine Frage, die in diesen Tagen zu¬
weilen an unsere Partei gerichtet wurde. Als die bairischen Wahlen vor¬
lagen, hörte man von ossieiöser Seite gegen die nationalen den Vorwurf
erheben, sie hätten mit der Regierung, d. h. mit der Mittelpartei, gegen die
Ultramontanen gemeinsam Front machen sollen, anstatt sich untereinander
zu bekämpfen. Warum dies in Baiern nicht, wenigstens nicht überall, der
Fall war, haben wir nicht zu untersuchen. Gewiß aber ist, daß bei uns jede
solche Combination von vornherein unmöglich war, und zwar durch die
Schuld der Regierung.

Hätte ihre Gesammthaltung irgendwie das Vertrauen hervorrufen können,
daß sie die mit Preußen geschlossenen Verträge nicht als eine unbequeme Last
empfindet, sondern das ganze Vertragsverhältniß aufrichtig und mit allen
seinen natürlichen Consequenzen hinnahm, um von da aus, wenn auch lang¬
sam, eine dauernde und organische Befestigung der Beziehungen zum nord¬
deutschen Bund zu suchen, so wäre ein Bündniß mit der nationalen Partei,
das freilich auf gegenseitigen Zugeständnissen hätte beruhen müssen, um so
natürlicher gewesen, als die letztere ihr Programm: Eintritt in den Nord¬
bund, selbstverständlich für den Augenblick zurückstellen muß. In der That
fehlt es nicht an vermittelnden Nuancen, an nahen Berührungspunkten
zwischen der sogenannten liberalen und der deutschen Partei. Jene hat zum
Theil Candidaten ausgestellt, für die es der letzteren sehr wohl möglich war
zu wirken. Jene hat im April vorigen Jahres, als freilich ein anderer Wind
wehte, und noch kein Salzburg dazwischen lag, ein Programm verkündigt,
das fast identisch war mit dem der deutschen Partei. Und selbst ihr jetziges
Wahlprogramm war, wenn auch unklar und verschwommen, doch eben damit
elastisch genug, um je nachdem den partikularistischen oder den nationalen
Elementen die Hand zu reichen. Daß jenes geschehen ist, und nicht dieses,
war der Wille der Regierung.

Von Anfang an, noch bevor die Agitation in Fluß kam, trennte sie sich
schroff von der deutschen Partei, nicht so von den partikularistischen Parteien.
Jene wurde als der eigentliche Gegner hingestellt, den man zu bekämpfen hatte.
Ihre kleinen Organe eröffneten den Kampf mit dem Rufe: nur keinen Preußen
wählen. Sie begannen eine Polemik gegen den Eintritt in den norddeutschen
Bund, den noch niemand verlangte. Sie appellirten an den Geldbeutel des
Volks, indem sie ihm für den Fall des Anschlusses an Preußen die entstehenden


sich dem Eindruck nicht verschließen, daß die Regierung mit einem sehr
mäßigen Vorrath von gurem Willen diesem Geschäft sich unterzogen hat.
Es ist ihr sichtlich kein Vergnügen gewesen, Wahlen zu einem gesammtdeut-
schen Parlament vornehmen zu lassen. Der erste Beitrag zur Arbeit am
neuen Deutschland ist ihr offenbar sauer geworden.

Und damit beantwortet sich auch eine Frage, die in diesen Tagen zu¬
weilen an unsere Partei gerichtet wurde. Als die bairischen Wahlen vor¬
lagen, hörte man von ossieiöser Seite gegen die nationalen den Vorwurf
erheben, sie hätten mit der Regierung, d. h. mit der Mittelpartei, gegen die
Ultramontanen gemeinsam Front machen sollen, anstatt sich untereinander
zu bekämpfen. Warum dies in Baiern nicht, wenigstens nicht überall, der
Fall war, haben wir nicht zu untersuchen. Gewiß aber ist, daß bei uns jede
solche Combination von vornherein unmöglich war, und zwar durch die
Schuld der Regierung.

Hätte ihre Gesammthaltung irgendwie das Vertrauen hervorrufen können,
daß sie die mit Preußen geschlossenen Verträge nicht als eine unbequeme Last
empfindet, sondern das ganze Vertragsverhältniß aufrichtig und mit allen
seinen natürlichen Consequenzen hinnahm, um von da aus, wenn auch lang¬
sam, eine dauernde und organische Befestigung der Beziehungen zum nord¬
deutschen Bund zu suchen, so wäre ein Bündniß mit der nationalen Partei,
das freilich auf gegenseitigen Zugeständnissen hätte beruhen müssen, um so
natürlicher gewesen, als die letztere ihr Programm: Eintritt in den Nord¬
bund, selbstverständlich für den Augenblick zurückstellen muß. In der That
fehlt es nicht an vermittelnden Nuancen, an nahen Berührungspunkten
zwischen der sogenannten liberalen und der deutschen Partei. Jene hat zum
Theil Candidaten ausgestellt, für die es der letzteren sehr wohl möglich war
zu wirken. Jene hat im April vorigen Jahres, als freilich ein anderer Wind
wehte, und noch kein Salzburg dazwischen lag, ein Programm verkündigt,
das fast identisch war mit dem der deutschen Partei. Und selbst ihr jetziges
Wahlprogramm war, wenn auch unklar und verschwommen, doch eben damit
elastisch genug, um je nachdem den partikularistischen oder den nationalen
Elementen die Hand zu reichen. Daß jenes geschehen ist, und nicht dieses,
war der Wille der Regierung.

Von Anfang an, noch bevor die Agitation in Fluß kam, trennte sie sich
schroff von der deutschen Partei, nicht so von den partikularistischen Parteien.
Jene wurde als der eigentliche Gegner hingestellt, den man zu bekämpfen hatte.
Ihre kleinen Organe eröffneten den Kampf mit dem Rufe: nur keinen Preußen
wählen. Sie begannen eine Polemik gegen den Eintritt in den norddeutschen
Bund, den noch niemand verlangte. Sie appellirten an den Geldbeutel des
Volks, indem sie ihm für den Fall des Anschlusses an Preußen die entstehenden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117446"/>
            <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> sich dem Eindruck nicht verschließen, daß die Regierung mit einem sehr<lb/>
mäßigen Vorrath von gurem Willen diesem Geschäft sich unterzogen hat.<lb/>
Es ist ihr sichtlich kein Vergnügen gewesen, Wahlen zu einem gesammtdeut-<lb/>
schen Parlament vornehmen zu lassen. Der erste Beitrag zur Arbeit am<lb/>
neuen Deutschland ist ihr offenbar sauer geworden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1455"> Und damit beantwortet sich auch eine Frage, die in diesen Tagen zu¬<lb/>
weilen an unsere Partei gerichtet wurde. Als die bairischen Wahlen vor¬<lb/>
lagen, hörte man von ossieiöser Seite gegen die nationalen den Vorwurf<lb/>
erheben, sie hätten mit der Regierung, d. h. mit der Mittelpartei, gegen die<lb/>
Ultramontanen gemeinsam Front machen sollen, anstatt sich untereinander<lb/>
zu bekämpfen. Warum dies in Baiern nicht, wenigstens nicht überall, der<lb/>
Fall war, haben wir nicht zu untersuchen. Gewiß aber ist, daß bei uns jede<lb/>
solche Combination von vornherein unmöglich war, und zwar durch die<lb/>
Schuld der Regierung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1456"> Hätte ihre Gesammthaltung irgendwie das Vertrauen hervorrufen können,<lb/>
daß sie die mit Preußen geschlossenen Verträge nicht als eine unbequeme Last<lb/>
empfindet, sondern das ganze Vertragsverhältniß aufrichtig und mit allen<lb/>
seinen natürlichen Consequenzen hinnahm, um von da aus, wenn auch lang¬<lb/>
sam, eine dauernde und organische Befestigung der Beziehungen zum nord¬<lb/>
deutschen Bund zu suchen, so wäre ein Bündniß mit der nationalen Partei,<lb/>
das freilich auf gegenseitigen Zugeständnissen hätte beruhen müssen, um so<lb/>
natürlicher gewesen, als die letztere ihr Programm: Eintritt in den Nord¬<lb/>
bund, selbstverständlich für den Augenblick zurückstellen muß. In der That<lb/>
fehlt es nicht an vermittelnden Nuancen, an nahen Berührungspunkten<lb/>
zwischen der sogenannten liberalen und der deutschen Partei. Jene hat zum<lb/>
Theil Candidaten ausgestellt, für die es der letzteren sehr wohl möglich war<lb/>
zu wirken. Jene hat im April vorigen Jahres, als freilich ein anderer Wind<lb/>
wehte, und noch kein Salzburg dazwischen lag, ein Programm verkündigt,<lb/>
das fast identisch war mit dem der deutschen Partei. Und selbst ihr jetziges<lb/>
Wahlprogramm war, wenn auch unklar und verschwommen, doch eben damit<lb/>
elastisch genug, um je nachdem den partikularistischen oder den nationalen<lb/>
Elementen die Hand zu reichen. Daß jenes geschehen ist, und nicht dieses,<lb/>
war der Wille der Regierung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1457" next="#ID_1458"> Von Anfang an, noch bevor die Agitation in Fluß kam, trennte sie sich<lb/>
schroff von der deutschen Partei, nicht so von den partikularistischen Parteien.<lb/>
Jene wurde als der eigentliche Gegner hingestellt, den man zu bekämpfen hatte.<lb/>
Ihre kleinen Organe eröffneten den Kampf mit dem Rufe: nur keinen Preußen<lb/>
wählen. Sie begannen eine Polemik gegen den Eintritt in den norddeutschen<lb/>
Bund, den noch niemand verlangte. Sie appellirten an den Geldbeutel des<lb/>
Volks, indem sie ihm für den Fall des Anschlusses an Preußen die entstehenden</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0442] sich dem Eindruck nicht verschließen, daß die Regierung mit einem sehr mäßigen Vorrath von gurem Willen diesem Geschäft sich unterzogen hat. Es ist ihr sichtlich kein Vergnügen gewesen, Wahlen zu einem gesammtdeut- schen Parlament vornehmen zu lassen. Der erste Beitrag zur Arbeit am neuen Deutschland ist ihr offenbar sauer geworden. Und damit beantwortet sich auch eine Frage, die in diesen Tagen zu¬ weilen an unsere Partei gerichtet wurde. Als die bairischen Wahlen vor¬ lagen, hörte man von ossieiöser Seite gegen die nationalen den Vorwurf erheben, sie hätten mit der Regierung, d. h. mit der Mittelpartei, gegen die Ultramontanen gemeinsam Front machen sollen, anstatt sich untereinander zu bekämpfen. Warum dies in Baiern nicht, wenigstens nicht überall, der Fall war, haben wir nicht zu untersuchen. Gewiß aber ist, daß bei uns jede solche Combination von vornherein unmöglich war, und zwar durch die Schuld der Regierung. Hätte ihre Gesammthaltung irgendwie das Vertrauen hervorrufen können, daß sie die mit Preußen geschlossenen Verträge nicht als eine unbequeme Last empfindet, sondern das ganze Vertragsverhältniß aufrichtig und mit allen seinen natürlichen Consequenzen hinnahm, um von da aus, wenn auch lang¬ sam, eine dauernde und organische Befestigung der Beziehungen zum nord¬ deutschen Bund zu suchen, so wäre ein Bündniß mit der nationalen Partei, das freilich auf gegenseitigen Zugeständnissen hätte beruhen müssen, um so natürlicher gewesen, als die letztere ihr Programm: Eintritt in den Nord¬ bund, selbstverständlich für den Augenblick zurückstellen muß. In der That fehlt es nicht an vermittelnden Nuancen, an nahen Berührungspunkten zwischen der sogenannten liberalen und der deutschen Partei. Jene hat zum Theil Candidaten ausgestellt, für die es der letzteren sehr wohl möglich war zu wirken. Jene hat im April vorigen Jahres, als freilich ein anderer Wind wehte, und noch kein Salzburg dazwischen lag, ein Programm verkündigt, das fast identisch war mit dem der deutschen Partei. Und selbst ihr jetziges Wahlprogramm war, wenn auch unklar und verschwommen, doch eben damit elastisch genug, um je nachdem den partikularistischen oder den nationalen Elementen die Hand zu reichen. Daß jenes geschehen ist, und nicht dieses, war der Wille der Regierung. Von Anfang an, noch bevor die Agitation in Fluß kam, trennte sie sich schroff von der deutschen Partei, nicht so von den partikularistischen Parteien. Jene wurde als der eigentliche Gegner hingestellt, den man zu bekämpfen hatte. Ihre kleinen Organe eröffneten den Kampf mit dem Rufe: nur keinen Preußen wählen. Sie begannen eine Polemik gegen den Eintritt in den norddeutschen Bund, den noch niemand verlangte. Sie appellirten an den Geldbeutel des Volks, indem sie ihm für den Fall des Anschlusses an Preußen die entstehenden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/442
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/442>, abgerufen am 03.07.2024.