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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Behörden, so kann man sich denken, wie viel traurigere Ziffern die kleine¬
ren Städte der Provinz darbieten.

Die Sparkasseneinlagen beliefen sich 1864

pro Kopf der Bevölkerung
in Preußenauf 1,838.000 Thlr.. also --Thlr. 18 Sgr.3 Pf.
" Posen792,000 " .. -" 15 "-? s.)v
" Pommern" 3,873.000 " " 4"2 "6
" Brandenburg" 10,816,000 " " 45i
" Sachsen" 16,138,000 " " 7" 27 "1 "
" Schlesien" 11,165,000 " " 3! ^ ^. g ^4
" Westphalen1, 19.283,000 " "11" 17 ^1 "
" Rheinprovinz" 15.968,000 ., " 4" 23 "1 ..

Die Feuervcrsicherungsbeträge pr. Kopf der Bevölkerung beliefensich 1

in Brandenburg auf 282 Thlr.
" Sachsen " 264 "
" Westphalen " 224 "
" Rheinland " 219 "
" Pommern " 180 "
" Preußen , " 125 "

nur in Posen und ausfallender Weise auch in Schlesien standen sie noch
etwas niedriger.

Die stärkere oder geringere Benutzung dieser beiden Kategorien wirth¬
schaftlicher Anstalten seitens einer Bevölkerung mag keinen absolut richtigen
Maßstab für den Wohlstand derselben gewähren. Aber insofern gerade auch
solche Factoren den gesammten wirthschaftlichen Zustand der Bevölkerung
mit bedingen, scheinen mir jene Angaben durchaus bezeichnend für die ma¬
terielle Lage der Provinz zu sein.

Es würde aber sehr einseitig sein, wollte man nicht bei dieser Gelegen¬
heit ausdrücklich hervorheben, daß wir auch in einem geistigen und mora¬
lischen Nothstand e leben, welcher den materiellen wesentlich verschlimmert.

Die große Masse'der Bevölkerung ist bei uns roh, sehr roh, sodaß
es für den Gebildeten eine wahre Erholung ist, einmal mit schlesischen, säch¬
sischen oder rheinischen Arbeitern zu thun zu haben. Woher kommt das?
Warum strahlt so wenig von dem geistigen Inhalte der notorisch hochgebil¬
deten höheren Stände auf die übrigen aus?

Erstens stehen Nationalität und Sprache hinderlich im Wege. Man
vergißt leicht, daß wir in unserer Bevölkerung eine ganz erhebliche Bei¬
mischung nichtdeutscher (litthauischer und masurischer) Elemente haben, weil
dieselben in der Geschichte keine hervortretende Rolle gespielt haben, weil sie
auch selbst in dieser Zeit der neuentdeckten edlen Nationalitäten noch keinen


Behörden, so kann man sich denken, wie viel traurigere Ziffern die kleine¬
ren Städte der Provinz darbieten.

Die Sparkasseneinlagen beliefen sich 1864

pro Kopf der Bevölkerung
in Preußenauf 1,838.000 Thlr.. also —Thlr. 18 Sgr.3 Pf.
„ Posen792,000 „ .. -„ 15 „-? s.)v
„ Pommern„ 3,873.000 „ „ 4„2 „6
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„ Sachsen„ 16,138,000 „ „ 7„ 27 „1 »
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„ Westphalen1, 19.283,000 „ „11„ 17 ^1 „
„ Rheinprovinz„ 15.968,000 ., „ 4„ 23 „1 ..

Die Feuervcrsicherungsbeträge pr. Kopf der Bevölkerung beliefensich 1

in Brandenburg auf 282 Thlr.
„ Sachsen „ 264 „
„ Westphalen „ 224 „
„ Rheinland „ 219 „
„ Pommern „ 180 „
„ Preußen , „ 125 „

nur in Posen und ausfallender Weise auch in Schlesien standen sie noch
etwas niedriger.

Die stärkere oder geringere Benutzung dieser beiden Kategorien wirth¬
schaftlicher Anstalten seitens einer Bevölkerung mag keinen absolut richtigen
Maßstab für den Wohlstand derselben gewähren. Aber insofern gerade auch
solche Factoren den gesammten wirthschaftlichen Zustand der Bevölkerung
mit bedingen, scheinen mir jene Angaben durchaus bezeichnend für die ma¬
terielle Lage der Provinz zu sein.

Es würde aber sehr einseitig sein, wollte man nicht bei dieser Gelegen¬
heit ausdrücklich hervorheben, daß wir auch in einem geistigen und mora¬
lischen Nothstand e leben, welcher den materiellen wesentlich verschlimmert.

Die große Masse'der Bevölkerung ist bei uns roh, sehr roh, sodaß
es für den Gebildeten eine wahre Erholung ist, einmal mit schlesischen, säch¬
sischen oder rheinischen Arbeitern zu thun zu haben. Woher kommt das?
Warum strahlt so wenig von dem geistigen Inhalte der notorisch hochgebil¬
deten höheren Stände auf die übrigen aus?

Erstens stehen Nationalität und Sprache hinderlich im Wege. Man
vergißt leicht, daß wir in unserer Bevölkerung eine ganz erhebliche Bei¬
mischung nichtdeutscher (litthauischer und masurischer) Elemente haben, weil
dieselben in der Geschichte keine hervortretende Rolle gespielt haben, weil sie
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[0421] Behörden, so kann man sich denken, wie viel traurigere Ziffern die kleine¬ ren Städte der Provinz darbieten. Die Sparkasseneinlagen beliefen sich 1864 pro Kopf der Bevölkerung in Preußenauf 1,838.000 Thlr.. also —Thlr. 18 Sgr.3 Pf. „ Posen792,000 „ .. -„ 15 „-? s.)v „ Pommern„ 3,873.000 „ „ 4„2 „6 „ Brandenburg„ 10,816,000 „ „ 45i „ Sachsen„ 16,138,000 „ „ 7„ 27 „1 » „ Schlesien„ 11,165,000 „ „ 3! ^ ^. g ^4 „ Westphalen1, 19.283,000 „ „11„ 17 ^1 „ „ Rheinprovinz„ 15.968,000 ., „ 4„ 23 „1 .. Die Feuervcrsicherungsbeträge pr. Kopf der Bevölkerung beliefensich 1 in Brandenburg auf 282 Thlr. „ Sachsen „ 264 „ „ Westphalen „ 224 „ „ Rheinland „ 219 „ „ Pommern „ 180 „ „ Preußen , „ 125 „ nur in Posen und ausfallender Weise auch in Schlesien standen sie noch etwas niedriger. Die stärkere oder geringere Benutzung dieser beiden Kategorien wirth¬ schaftlicher Anstalten seitens einer Bevölkerung mag keinen absolut richtigen Maßstab für den Wohlstand derselben gewähren. Aber insofern gerade auch solche Factoren den gesammten wirthschaftlichen Zustand der Bevölkerung mit bedingen, scheinen mir jene Angaben durchaus bezeichnend für die ma¬ terielle Lage der Provinz zu sein. Es würde aber sehr einseitig sein, wollte man nicht bei dieser Gelegen¬ heit ausdrücklich hervorheben, daß wir auch in einem geistigen und mora¬ lischen Nothstand e leben, welcher den materiellen wesentlich verschlimmert. Die große Masse'der Bevölkerung ist bei uns roh, sehr roh, sodaß es für den Gebildeten eine wahre Erholung ist, einmal mit schlesischen, säch¬ sischen oder rheinischen Arbeitern zu thun zu haben. Woher kommt das? Warum strahlt so wenig von dem geistigen Inhalte der notorisch hochgebil¬ deten höheren Stände auf die übrigen aus? Erstens stehen Nationalität und Sprache hinderlich im Wege. Man vergißt leicht, daß wir in unserer Bevölkerung eine ganz erhebliche Bei¬ mischung nichtdeutscher (litthauischer und masurischer) Elemente haben, weil dieselben in der Geschichte keine hervortretende Rolle gespielt haben, weil sie auch selbst in dieser Zeit der neuentdeckten edlen Nationalitäten noch keinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/421>, abgerufen am 24.08.2024.