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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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gedrungen feiernder Mann noch mehr. Nur Kinder von Mitgliedern werden
in die Gilde aufgenommen. Sämmtliche Genossen wählen aus ihrer Mitte
einen Vorsteher, einen Stellvertreter des Vorstehers und einen Cassenführer.
Diese drei Beamten der Gilde ernennen zwölf andere Mitglieder zu einem
Ausschuß, der die Löhne, die Art der vorzunehmenden Arbeiten, die Menge
der jeweilig herauszufischenden und zu verkaufenden Austern bestimmt. Was
am Schlüsse der Jahresrechnung als Reingewinn übrigbleibt, wird unter die
Genossen vertheilt.

Als die Gesellschaft durch die angeführte Parlamentsacte freie Eigen-
thümerin geworden war, zählte sie nur sechsunddreißig Mitglieder. Seitdem
hat sich die Zahl ihrer Angehörigen rasch vermehrt, denn die Mitglieder¬
zahl betrug im Frühjahr 1865, also nach zwei Menschenaltern, schon vier¬
hundertundacht. Bis setzt ist indessen gleichwohl, wie es scheint, die Grenze
keineswegs überschritten, jenseits welcher die Zunahme der Zahl das Ge¬
deihen der Gesammtheit beeinträchtigen würde. Denn die Menge der Hände
hat eine ungleich sorgfältigere Bearbeitung des Parks möglich gemacht, und
diese hat sich aufs sichtlichste belohnt durch stetig wachsende Erträge, die
ihrem Höhepunkt augenscheinlich noch sehr fern sind. Denn von den drei
oder vier englischen Geviertmeilen, welche der Park bedeckt, sind kaum zwei
den Austern gewidmet. Der Rest bildet einen Ankerplatz nicht allein für die
Boote der Gesellschaft, sondern für allerhand Schiffe. Allerdings hat die
heute vorhandene Zahl der Mitglieder im Park nicht Arbeit genug, um den
ganzen Tag auszufüllen. Zwei bis drei Stunden täglich während der Ver¬
kaufszeit, und das doppelte etwa während der Monate Mai, Juni und
Juli reicht durchschnittlich hin. Aber die Leute lungern darum nicht müssig
herum. In ihrer freien Zeit sind sie theils beschäftigt, außerhalb des Parks
Brut oder magere Thiere zu suchen, die sie dann an ihre Gesellschaft ab¬
setzen gleich jedem anderen Fischer, oder auf sonstige eßbare Seethiere Jagd
zu machen, oder endlich Austern aus dem Park auf belgische Rechnung nach
Ostende zu bringen, wo ein großartiger Handel für den niederländischen,
französischen und deutschen Consum , der auf einhundertfünfzigtausend Thaler
im Jahre geschätzt wird, seinen Mittelpunkt hat. Berücksichtigt man ge¬
bührend alle diese Nebenverdienste, so wird man bekennen, daß vier- bis
siebenhundert Thaler festen Jahres-Einkommens aus der Gesellschaftscasse,
Achse einem hinlänglichen Theil desselben für Krankheits- und Altersfälle und
für die Hinterbliebene Wittwe, eine hübsche Versorgung einfacher Fischers-
leute selbst vor den Thoren von London ist.

Nichtsdestoweniger ist die Austernfischerei ein precärer Erwerbszweig, um
darauf eine stetiger Einnahmen bedürftige Genossenschaft von armen Leuten


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gedrungen feiernder Mann noch mehr. Nur Kinder von Mitgliedern werden
in die Gilde aufgenommen. Sämmtliche Genossen wählen aus ihrer Mitte
einen Vorsteher, einen Stellvertreter des Vorstehers und einen Cassenführer.
Diese drei Beamten der Gilde ernennen zwölf andere Mitglieder zu einem
Ausschuß, der die Löhne, die Art der vorzunehmenden Arbeiten, die Menge
der jeweilig herauszufischenden und zu verkaufenden Austern bestimmt. Was
am Schlüsse der Jahresrechnung als Reingewinn übrigbleibt, wird unter die
Genossen vertheilt.

Als die Gesellschaft durch die angeführte Parlamentsacte freie Eigen-
thümerin geworden war, zählte sie nur sechsunddreißig Mitglieder. Seitdem
hat sich die Zahl ihrer Angehörigen rasch vermehrt, denn die Mitglieder¬
zahl betrug im Frühjahr 1865, also nach zwei Menschenaltern, schon vier¬
hundertundacht. Bis setzt ist indessen gleichwohl, wie es scheint, die Grenze
keineswegs überschritten, jenseits welcher die Zunahme der Zahl das Ge¬
deihen der Gesammtheit beeinträchtigen würde. Denn die Menge der Hände
hat eine ungleich sorgfältigere Bearbeitung des Parks möglich gemacht, und
diese hat sich aufs sichtlichste belohnt durch stetig wachsende Erträge, die
ihrem Höhepunkt augenscheinlich noch sehr fern sind. Denn von den drei
oder vier englischen Geviertmeilen, welche der Park bedeckt, sind kaum zwei
den Austern gewidmet. Der Rest bildet einen Ankerplatz nicht allein für die
Boote der Gesellschaft, sondern für allerhand Schiffe. Allerdings hat die
heute vorhandene Zahl der Mitglieder im Park nicht Arbeit genug, um den
ganzen Tag auszufüllen. Zwei bis drei Stunden täglich während der Ver¬
kaufszeit, und das doppelte etwa während der Monate Mai, Juni und
Juli reicht durchschnittlich hin. Aber die Leute lungern darum nicht müssig
herum. In ihrer freien Zeit sind sie theils beschäftigt, außerhalb des Parks
Brut oder magere Thiere zu suchen, die sie dann an ihre Gesellschaft ab¬
setzen gleich jedem anderen Fischer, oder auf sonstige eßbare Seethiere Jagd
zu machen, oder endlich Austern aus dem Park auf belgische Rechnung nach
Ostende zu bringen, wo ein großartiger Handel für den niederländischen,
französischen und deutschen Consum , der auf einhundertfünfzigtausend Thaler
im Jahre geschätzt wird, seinen Mittelpunkt hat. Berücksichtigt man ge¬
bührend alle diese Nebenverdienste, so wird man bekennen, daß vier- bis
siebenhundert Thaler festen Jahres-Einkommens aus der Gesellschaftscasse,
Achse einem hinlänglichen Theil desselben für Krankheits- und Altersfälle und
für die Hinterbliebene Wittwe, eine hübsche Versorgung einfacher Fischers-
leute selbst vor den Thoren von London ist.

Nichtsdestoweniger ist die Austernfischerei ein precärer Erwerbszweig, um
darauf eine stetiger Einnahmen bedürftige Genossenschaft von armen Leuten


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[0323] gedrungen feiernder Mann noch mehr. Nur Kinder von Mitgliedern werden in die Gilde aufgenommen. Sämmtliche Genossen wählen aus ihrer Mitte einen Vorsteher, einen Stellvertreter des Vorstehers und einen Cassenführer. Diese drei Beamten der Gilde ernennen zwölf andere Mitglieder zu einem Ausschuß, der die Löhne, die Art der vorzunehmenden Arbeiten, die Menge der jeweilig herauszufischenden und zu verkaufenden Austern bestimmt. Was am Schlüsse der Jahresrechnung als Reingewinn übrigbleibt, wird unter die Genossen vertheilt. Als die Gesellschaft durch die angeführte Parlamentsacte freie Eigen- thümerin geworden war, zählte sie nur sechsunddreißig Mitglieder. Seitdem hat sich die Zahl ihrer Angehörigen rasch vermehrt, denn die Mitglieder¬ zahl betrug im Frühjahr 1865, also nach zwei Menschenaltern, schon vier¬ hundertundacht. Bis setzt ist indessen gleichwohl, wie es scheint, die Grenze keineswegs überschritten, jenseits welcher die Zunahme der Zahl das Ge¬ deihen der Gesammtheit beeinträchtigen würde. Denn die Menge der Hände hat eine ungleich sorgfältigere Bearbeitung des Parks möglich gemacht, und diese hat sich aufs sichtlichste belohnt durch stetig wachsende Erträge, die ihrem Höhepunkt augenscheinlich noch sehr fern sind. Denn von den drei oder vier englischen Geviertmeilen, welche der Park bedeckt, sind kaum zwei den Austern gewidmet. Der Rest bildet einen Ankerplatz nicht allein für die Boote der Gesellschaft, sondern für allerhand Schiffe. Allerdings hat die heute vorhandene Zahl der Mitglieder im Park nicht Arbeit genug, um den ganzen Tag auszufüllen. Zwei bis drei Stunden täglich während der Ver¬ kaufszeit, und das doppelte etwa während der Monate Mai, Juni und Juli reicht durchschnittlich hin. Aber die Leute lungern darum nicht müssig herum. In ihrer freien Zeit sind sie theils beschäftigt, außerhalb des Parks Brut oder magere Thiere zu suchen, die sie dann an ihre Gesellschaft ab¬ setzen gleich jedem anderen Fischer, oder auf sonstige eßbare Seethiere Jagd zu machen, oder endlich Austern aus dem Park auf belgische Rechnung nach Ostende zu bringen, wo ein großartiger Handel für den niederländischen, französischen und deutschen Consum , der auf einhundertfünfzigtausend Thaler im Jahre geschätzt wird, seinen Mittelpunkt hat. Berücksichtigt man ge¬ bührend alle diese Nebenverdienste, so wird man bekennen, daß vier- bis siebenhundert Thaler festen Jahres-Einkommens aus der Gesellschaftscasse, Achse einem hinlänglichen Theil desselben für Krankheits- und Altersfälle und für die Hinterbliebene Wittwe, eine hübsche Versorgung einfacher Fischers- leute selbst vor den Thoren von London ist. Nichtsdestoweniger ist die Austernfischerei ein precärer Erwerbszweig, um darauf eine stetiger Einnahmen bedürftige Genossenschaft von armen Leuten 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/323>, abgerufen am 01.10.2024.