Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und dienstbereit, war die Presse der letzte Zufluchtsort der Freiheit. Man
hat ihm die boshafte Schadenfreunde zum Vorwurf gemacht, mit der er das
schmutzige Privatleben seiner Gegner blosstellte; aber gegen unbegründete
Verläumdungen hätten die Gerichte Schutz geboten; ist also für das ab¬
schreckende Gemälde der Maler verantwortlich oder die ihm gesessen haben?
Man hat ferner darauf hingewiesen, daß er über Besteuerung der amerika¬
nischen Colonien und Parlamentsreform, über Standesvorrechte und Matro¬
senpresse mannigfach in den beschränkten Vorurtheilen seiner Zeit und seiner
Landsleute wurzelt; aber daß er wie ein Engländer dachte, daraus gerade
schöpfte er ja seine Kraft, -- er sprach nur aus, was die meisten empfanden.
Wie es aber auch mit diesen Anschuldigungen stehe, seine Agitationslust, seine
Neigung zur Bosheit, die Schranken seiner Freisinnigkeit zugegeben, -- über
die unvergleichliche Kraft und Schärfe, die mustergiltige Vornehmheit des
Stils dieser Briefe ist kein Unterschied der Meinung. Und unangetastet ist
ebenso die Uneigennützigkeit der Gesinnung: grausam und ungerecht mochte
diese Feder-zuweilen sein, käuflich war sie nie. "Fürs Geld zu schreiben,
ohne für den Druck etwas zu nehmen; für den Ruf zu schreiben und un¬
bekannt zu sein; die Intriguen einer Faction zu unterstützen und als ein
gefährlicher Beistand von jeder Partei im Königreich zurückgewiesen zu wer¬
den, sind Widersprüche, welche der Minister vereinigen muß, bevor ich meinen
Credit beim Publikum verscherze. Ich kann aus dem Dienste ausscheiden,
aber es wäre absurd, mich in Verdacht zu haben, daß ich davon laufe." Das
sind Thatsachen, gegen die kein Einspruch erhoben worden: für sich selber hat
Junius nichts gesucht, nicht Gewinn, nicht Amt und Ansehen, nicht einmal
Ruhm und Nachruhm, -- ein namenloser Kämpfer im Dienst des gemeinen
Wohls, mit seinem Schild das Erbgut des englischen Volkes, seine freie Ver¬
fassung deckend. --- "Wäre ich Ihr persönlicher Feind," schreibt er einmal an
Sir William Blackstone, "ich würde mit boshafter Freude bei jenen großen
und nützlichen Eigenschaften verweilen, die Sie ohne Zweifel besitzen, und
wodurch Sie einst erwarben, was Sie nicht erhalten konnten, die Achtung
und die Anerkennung, die Sie verloren haben, und die Tugenden, um deret-
willen das Volk Sie achtete; ich würde alle Ihre Ehrenverluste herzählen:
nun ich aber keine Privatrache zu befriedigen habe, halte ich es für hinrei¬
chend, daß ich meine Meinung über Ihr öffentliches Betragen abgegeben
habe, und überlasse die Strafe, die es verdient, Ihren vier Wänden und
Ihrem Gewissen." Und selbst dem Herzog von Grafton ruft er zu: "Wenn
ich Ihr persönlicher Feind wäre, könnte ich Sie bemitleiden und Ihnen ver¬
zeihen.... Aber in Ihrem Verhältniß zu unserm Vaterlande haben Sie keinen
Anspruch auf Nachsicht; und wäre ich den Eingebungen meiner Gesinnung
gefolgt, ich hätte Ihnen niemals auch nur einen Augenblick Ruhe gegönnt."


und dienstbereit, war die Presse der letzte Zufluchtsort der Freiheit. Man
hat ihm die boshafte Schadenfreunde zum Vorwurf gemacht, mit der er das
schmutzige Privatleben seiner Gegner blosstellte; aber gegen unbegründete
Verläumdungen hätten die Gerichte Schutz geboten; ist also für das ab¬
schreckende Gemälde der Maler verantwortlich oder die ihm gesessen haben?
Man hat ferner darauf hingewiesen, daß er über Besteuerung der amerika¬
nischen Colonien und Parlamentsreform, über Standesvorrechte und Matro¬
senpresse mannigfach in den beschränkten Vorurtheilen seiner Zeit und seiner
Landsleute wurzelt; aber daß er wie ein Engländer dachte, daraus gerade
schöpfte er ja seine Kraft, — er sprach nur aus, was die meisten empfanden.
Wie es aber auch mit diesen Anschuldigungen stehe, seine Agitationslust, seine
Neigung zur Bosheit, die Schranken seiner Freisinnigkeit zugegeben, — über
die unvergleichliche Kraft und Schärfe, die mustergiltige Vornehmheit des
Stils dieser Briefe ist kein Unterschied der Meinung. Und unangetastet ist
ebenso die Uneigennützigkeit der Gesinnung: grausam und ungerecht mochte
diese Feder-zuweilen sein, käuflich war sie nie. „Fürs Geld zu schreiben,
ohne für den Druck etwas zu nehmen; für den Ruf zu schreiben und un¬
bekannt zu sein; die Intriguen einer Faction zu unterstützen und als ein
gefährlicher Beistand von jeder Partei im Königreich zurückgewiesen zu wer¬
den, sind Widersprüche, welche der Minister vereinigen muß, bevor ich meinen
Credit beim Publikum verscherze. Ich kann aus dem Dienste ausscheiden,
aber es wäre absurd, mich in Verdacht zu haben, daß ich davon laufe." Das
sind Thatsachen, gegen die kein Einspruch erhoben worden: für sich selber hat
Junius nichts gesucht, nicht Gewinn, nicht Amt und Ansehen, nicht einmal
Ruhm und Nachruhm, — ein namenloser Kämpfer im Dienst des gemeinen
Wohls, mit seinem Schild das Erbgut des englischen Volkes, seine freie Ver¬
fassung deckend. —- „Wäre ich Ihr persönlicher Feind," schreibt er einmal an
Sir William Blackstone, „ich würde mit boshafter Freude bei jenen großen
und nützlichen Eigenschaften verweilen, die Sie ohne Zweifel besitzen, und
wodurch Sie einst erwarben, was Sie nicht erhalten konnten, die Achtung
und die Anerkennung, die Sie verloren haben, und die Tugenden, um deret-
willen das Volk Sie achtete; ich würde alle Ihre Ehrenverluste herzählen:
nun ich aber keine Privatrache zu befriedigen habe, halte ich es für hinrei¬
chend, daß ich meine Meinung über Ihr öffentliches Betragen abgegeben
habe, und überlasse die Strafe, die es verdient, Ihren vier Wänden und
Ihrem Gewissen." Und selbst dem Herzog von Grafton ruft er zu: „Wenn
ich Ihr persönlicher Feind wäre, könnte ich Sie bemitleiden und Ihnen ver¬
zeihen.... Aber in Ihrem Verhältniß zu unserm Vaterlande haben Sie keinen
Anspruch auf Nachsicht; und wäre ich den Eingebungen meiner Gesinnung
gefolgt, ich hätte Ihnen niemals auch nur einen Augenblick Ruhe gegönnt."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117281"/>
          <p xml:id="ID_724" prev="#ID_723"> und dienstbereit, war die Presse der letzte Zufluchtsort der Freiheit. Man<lb/>
hat ihm die boshafte Schadenfreunde zum Vorwurf gemacht, mit der er das<lb/>
schmutzige Privatleben seiner Gegner blosstellte; aber gegen unbegründete<lb/>
Verläumdungen hätten die Gerichte Schutz geboten; ist also für das ab¬<lb/>
schreckende Gemälde der Maler verantwortlich oder die ihm gesessen haben?<lb/>
Man hat ferner darauf hingewiesen, daß er über Besteuerung der amerika¬<lb/>
nischen Colonien und Parlamentsreform, über Standesvorrechte und Matro¬<lb/>
senpresse mannigfach in den beschränkten Vorurtheilen seiner Zeit und seiner<lb/>
Landsleute wurzelt; aber daß er wie ein Engländer dachte, daraus gerade<lb/>
schöpfte er ja seine Kraft, &#x2014; er sprach nur aus, was die meisten empfanden.<lb/>
Wie es aber auch mit diesen Anschuldigungen stehe, seine Agitationslust, seine<lb/>
Neigung zur Bosheit, die Schranken seiner Freisinnigkeit zugegeben, &#x2014; über<lb/>
die unvergleichliche Kraft und Schärfe, die mustergiltige Vornehmheit des<lb/>
Stils dieser Briefe ist kein Unterschied der Meinung. Und unangetastet ist<lb/>
ebenso die Uneigennützigkeit der Gesinnung: grausam und ungerecht mochte<lb/>
diese Feder-zuweilen sein, käuflich war sie nie. &#x201E;Fürs Geld zu schreiben,<lb/>
ohne für den Druck etwas zu nehmen; für den Ruf zu schreiben und un¬<lb/>
bekannt zu sein; die Intriguen einer Faction zu unterstützen und als ein<lb/>
gefährlicher Beistand von jeder Partei im Königreich zurückgewiesen zu wer¬<lb/>
den, sind Widersprüche, welche der Minister vereinigen muß, bevor ich meinen<lb/>
Credit beim Publikum verscherze. Ich kann aus dem Dienste ausscheiden,<lb/>
aber es wäre absurd, mich in Verdacht zu haben, daß ich davon laufe." Das<lb/>
sind Thatsachen, gegen die kein Einspruch erhoben worden: für sich selber hat<lb/>
Junius nichts gesucht, nicht Gewinn, nicht Amt und Ansehen, nicht einmal<lb/>
Ruhm und Nachruhm, &#x2014; ein namenloser Kämpfer im Dienst des gemeinen<lb/>
Wohls, mit seinem Schild das Erbgut des englischen Volkes, seine freie Ver¬<lb/>
fassung deckend. &#x2014;- &#x201E;Wäre ich Ihr persönlicher Feind," schreibt er einmal an<lb/>
Sir William Blackstone, &#x201E;ich würde mit boshafter Freude bei jenen großen<lb/>
und nützlichen Eigenschaften verweilen, die Sie ohne Zweifel besitzen, und<lb/>
wodurch Sie einst erwarben, was Sie nicht erhalten konnten, die Achtung<lb/>
und die Anerkennung, die Sie verloren haben, und die Tugenden, um deret-<lb/>
willen das Volk Sie achtete; ich würde alle Ihre Ehrenverluste herzählen:<lb/>
nun ich aber keine Privatrache zu befriedigen habe, halte ich es für hinrei¬<lb/>
chend, daß ich meine Meinung über Ihr öffentliches Betragen abgegeben<lb/>
habe, und überlasse die Strafe, die es verdient, Ihren vier Wänden und<lb/>
Ihrem Gewissen." Und selbst dem Herzog von Grafton ruft er zu: &#x201E;Wenn<lb/>
ich Ihr persönlicher Feind wäre, könnte ich Sie bemitleiden und Ihnen ver¬<lb/>
zeihen.... Aber in Ihrem Verhältniß zu unserm Vaterlande haben Sie keinen<lb/>
Anspruch auf Nachsicht; und wäre ich den Eingebungen meiner Gesinnung<lb/>
gefolgt, ich hätte Ihnen niemals auch nur einen Augenblick Ruhe gegönnt."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] und dienstbereit, war die Presse der letzte Zufluchtsort der Freiheit. Man hat ihm die boshafte Schadenfreunde zum Vorwurf gemacht, mit der er das schmutzige Privatleben seiner Gegner blosstellte; aber gegen unbegründete Verläumdungen hätten die Gerichte Schutz geboten; ist also für das ab¬ schreckende Gemälde der Maler verantwortlich oder die ihm gesessen haben? Man hat ferner darauf hingewiesen, daß er über Besteuerung der amerika¬ nischen Colonien und Parlamentsreform, über Standesvorrechte und Matro¬ senpresse mannigfach in den beschränkten Vorurtheilen seiner Zeit und seiner Landsleute wurzelt; aber daß er wie ein Engländer dachte, daraus gerade schöpfte er ja seine Kraft, — er sprach nur aus, was die meisten empfanden. Wie es aber auch mit diesen Anschuldigungen stehe, seine Agitationslust, seine Neigung zur Bosheit, die Schranken seiner Freisinnigkeit zugegeben, — über die unvergleichliche Kraft und Schärfe, die mustergiltige Vornehmheit des Stils dieser Briefe ist kein Unterschied der Meinung. Und unangetastet ist ebenso die Uneigennützigkeit der Gesinnung: grausam und ungerecht mochte diese Feder-zuweilen sein, käuflich war sie nie. „Fürs Geld zu schreiben, ohne für den Druck etwas zu nehmen; für den Ruf zu schreiben und un¬ bekannt zu sein; die Intriguen einer Faction zu unterstützen und als ein gefährlicher Beistand von jeder Partei im Königreich zurückgewiesen zu wer¬ den, sind Widersprüche, welche der Minister vereinigen muß, bevor ich meinen Credit beim Publikum verscherze. Ich kann aus dem Dienste ausscheiden, aber es wäre absurd, mich in Verdacht zu haben, daß ich davon laufe." Das sind Thatsachen, gegen die kein Einspruch erhoben worden: für sich selber hat Junius nichts gesucht, nicht Gewinn, nicht Amt und Ansehen, nicht einmal Ruhm und Nachruhm, — ein namenloser Kämpfer im Dienst des gemeinen Wohls, mit seinem Schild das Erbgut des englischen Volkes, seine freie Ver¬ fassung deckend. —- „Wäre ich Ihr persönlicher Feind," schreibt er einmal an Sir William Blackstone, „ich würde mit boshafter Freude bei jenen großen und nützlichen Eigenschaften verweilen, die Sie ohne Zweifel besitzen, und wodurch Sie einst erwarben, was Sie nicht erhalten konnten, die Achtung und die Anerkennung, die Sie verloren haben, und die Tugenden, um deret- willen das Volk Sie achtete; ich würde alle Ihre Ehrenverluste herzählen: nun ich aber keine Privatrache zu befriedigen habe, halte ich es für hinrei¬ chend, daß ich meine Meinung über Ihr öffentliches Betragen abgegeben habe, und überlasse die Strafe, die es verdient, Ihren vier Wänden und Ihrem Gewissen." Und selbst dem Herzog von Grafton ruft er zu: „Wenn ich Ihr persönlicher Feind wäre, könnte ich Sie bemitleiden und Ihnen ver¬ zeihen.... Aber in Ihrem Verhältniß zu unserm Vaterlande haben Sie keinen Anspruch auf Nachsicht; und wäre ich den Eingebungen meiner Gesinnung gefolgt, ich hätte Ihnen niemals auch nur einen Augenblick Ruhe gegönnt."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/277>, abgerufen am 24.08.2024.