Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.der Wahlfreiheit gelten all die Briefe, die sich mit der Middlesexwcchl und Allerlei Anklagen sind gegen Junius erhoben worden, und manche ge¬ der Wahlfreiheit gelten all die Briefe, die sich mit der Middlesexwcchl und Allerlei Anklagen sind gegen Junius erhoben worden, und manche ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117280"/> <p xml:id="ID_722" prev="#ID_721"> der Wahlfreiheit gelten all die Briefe, die sich mit der Middlesexwcchl und<lb/> John Wilkes Ausschließung beschäftigen; für die Preßfreiheit und das Recht<lb/> der Jury treten speciell die gegen Lord Mansfield gerichteten in die Schran¬<lb/> ken. Der Drucker des Public Advertiser war, wie schon erwähnt, einer tyran¬<lb/> nischen Verfolgung ausgesetzt worden; und um leichter die erwünschte Be¬<lb/> urtheilung zu erzielen, hatte der Lord Oberrichter den absurden Versuch ge¬<lb/> macht, zwei Grundrechte mit einem Schlag zu gefährden, den Spruch der Jury<lb/> nur auf das Factum des Drucks und der Publication zu beschränken, die<lb/> Frage nach dem verbrecherischen Inhalt aber ihr völlig zu entziehen. „Mich<lb/> dauert die menschliche Natur, wenn ich einen so begabten Mann, wie Sie,<lb/> zu einer so gemeinen Thätigkeit heruntersinken sehe," ruft Junius Lord<lb/> Mansfield zu. Aber das sind doch nur Arabesken des Stils; ausgerüstet<lb/> mit der umfassendsten Verfassungs- und Gesetzeskenntniß und jede einzelne<lb/> Bestimmung in concretester Form verwerthend legt er die Sophismen des<lb/> Lord Oberrichters mit schneidender Beweiskraft blos, daß vor dem schweren<lb/> Geschütz juridischer Gründe die dialectischer Spitzfindigkeiten verstummen.<lb/> So sehen wir ihn allzeit auf der Wacht, wo ein Recht gebeugt oder gebro¬<lb/> chen werden soll- Mit gleichem Antheil -begleitet er die städtischen Wahlen<lb/> der City wie die Debatten des Parlaments oder die Beziehungen der Re¬<lb/> gierung zum Auslande. Und nichts entgeht seinem spähenden Blick: jeden<lb/> Stellenschacher bringt er zur Kunde des englischen Volks, jedem zügel¬<lb/> losen Exceß streift er die scheinbare Zufälligkeit ab, keine Ungesetzlichkeit<lb/> kann hoffen, vor ihm unbemerkt und ungeahndet durchzuschlüpfen. Die<lb/> lebendig gewordene englische Verfassung, — das sind die Juniusbriefe. Und<lb/> wenn er in dem Meisterstück seiner Feder, in der von einem erhabenen Pa¬<lb/> thos der Freiheitsliebe getragenen „Adresse an den König" gleichsam aus<lb/> dem Rahmen dieser Verfassung heraustritt und der Fiction zuwider, daß<lb/> der König kein Unrecht thun könne, mit den drohenden Worten schließt:<lb/> „Der Fürst, welcher das Betragen der Stuarts nachahmt, sollte durch ihr<lb/> Beispiel gewarnt werden, und während er sich mit der Sicherheit seines An¬<lb/> spruchs aus die Krone brüstet, sollte er sich erinnern: wie sie durch eine<lb/> Revolution gewonnen wurde, so kann sie durch eine andere verloren gehn,"<lb/> — spricht er da nicht auch im Geiste derselben englischen Geschichte, die ihn<lb/> ein andermal auf Karl I. hinweisen und fortfahren läßt: „Ich bin kein<lb/> Freund der Lehre von den Präcedenzien ohne Recht; dennoch sagen uns die<lb/> Rechtsgelehrten oft: was irgend einmal gethan sei, das könne gesetzlich auch<lb/> noch einmal geschehen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> Allerlei Anklagen sind gegen Junius erhoben worden, und manche ge¬<lb/> wiß nicht ohne Grund. Man hat ihn beschuldigt, daß er unaufhörlich die<lb/> Leidenschaften des Volks entflammt habe; aber da das Parlament bestechlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
der Wahlfreiheit gelten all die Briefe, die sich mit der Middlesexwcchl und
John Wilkes Ausschließung beschäftigen; für die Preßfreiheit und das Recht
der Jury treten speciell die gegen Lord Mansfield gerichteten in die Schran¬
ken. Der Drucker des Public Advertiser war, wie schon erwähnt, einer tyran¬
nischen Verfolgung ausgesetzt worden; und um leichter die erwünschte Be¬
urtheilung zu erzielen, hatte der Lord Oberrichter den absurden Versuch ge¬
macht, zwei Grundrechte mit einem Schlag zu gefährden, den Spruch der Jury
nur auf das Factum des Drucks und der Publication zu beschränken, die
Frage nach dem verbrecherischen Inhalt aber ihr völlig zu entziehen. „Mich
dauert die menschliche Natur, wenn ich einen so begabten Mann, wie Sie,
zu einer so gemeinen Thätigkeit heruntersinken sehe," ruft Junius Lord
Mansfield zu. Aber das sind doch nur Arabesken des Stils; ausgerüstet
mit der umfassendsten Verfassungs- und Gesetzeskenntniß und jede einzelne
Bestimmung in concretester Form verwerthend legt er die Sophismen des
Lord Oberrichters mit schneidender Beweiskraft blos, daß vor dem schweren
Geschütz juridischer Gründe die dialectischer Spitzfindigkeiten verstummen.
So sehen wir ihn allzeit auf der Wacht, wo ein Recht gebeugt oder gebro¬
chen werden soll- Mit gleichem Antheil -begleitet er die städtischen Wahlen
der City wie die Debatten des Parlaments oder die Beziehungen der Re¬
gierung zum Auslande. Und nichts entgeht seinem spähenden Blick: jeden
Stellenschacher bringt er zur Kunde des englischen Volks, jedem zügel¬
losen Exceß streift er die scheinbare Zufälligkeit ab, keine Ungesetzlichkeit
kann hoffen, vor ihm unbemerkt und ungeahndet durchzuschlüpfen. Die
lebendig gewordene englische Verfassung, — das sind die Juniusbriefe. Und
wenn er in dem Meisterstück seiner Feder, in der von einem erhabenen Pa¬
thos der Freiheitsliebe getragenen „Adresse an den König" gleichsam aus
dem Rahmen dieser Verfassung heraustritt und der Fiction zuwider, daß
der König kein Unrecht thun könne, mit den drohenden Worten schließt:
„Der Fürst, welcher das Betragen der Stuarts nachahmt, sollte durch ihr
Beispiel gewarnt werden, und während er sich mit der Sicherheit seines An¬
spruchs aus die Krone brüstet, sollte er sich erinnern: wie sie durch eine
Revolution gewonnen wurde, so kann sie durch eine andere verloren gehn,"
— spricht er da nicht auch im Geiste derselben englischen Geschichte, die ihn
ein andermal auf Karl I. hinweisen und fortfahren läßt: „Ich bin kein
Freund der Lehre von den Präcedenzien ohne Recht; dennoch sagen uns die
Rechtsgelehrten oft: was irgend einmal gethan sei, das könne gesetzlich auch
noch einmal geschehen?"
Allerlei Anklagen sind gegen Junius erhoben worden, und manche ge¬
wiß nicht ohne Grund. Man hat ihn beschuldigt, daß er unaufhörlich die
Leidenschaften des Volks entflammt habe; aber da das Parlament bestechlich
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |