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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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pathien für Wilkes faßt er die Schädigung der Landesrechte ins Auge und
bekämpft den gefährlichen Präcedenzfall. Das ist etwa im Anfange des
Kampfes; und nun heftet sich der Verfolger an die Sohlen seines Opfers,
unerbittlich, grausam, ihm Tag und Nacht nicht Ruhe gönnend; keine Waffe
verschmäht er, die Sarcasmus oder Zorn ihm reicht; den Schmutz des Privat¬
lebens deckt er so schonungslos auf wie die schmählichen Uebergriffe der amt¬
lichen Autorität; nie ist Haß und Verachtung schärfer und vernichtender ge¬
predigt worden. "Daß Sie absichtlich Unrecht thun, das ist es nicht, sondern
daß Sie nie aus Versehen recht thun." Und ferner: "Der Charakter der be¬
kannten Vorfahren mancher Leute macht es ihrem Nachkommen möglich, aufs
äußerste lasterhaft zu sein, ohne zu entarten. Die Vorfahren Ew. Gnaden
zum Beispiel hinterließen keine niederschlagenden Proben von Tugend selbst
nicht für ihre rechtmäßige Nachkommenschaft; und Sie können mit Vergnügen
auf einen berühmten Stammbaum zurückblicken, in welchem die Heraldik keine
einzige gute Eigenschaft aufgezeichnet hat, um Ihnen Schimpf oder Schande
zu machen." Und ein ander Mal: "Mein ganzes Leben lang werd' ich ihn
verfolgen und die lebte Kraft meines Talentes anstrengen, um die sterbliche
Infamie seines Lebens zu retten und unsterblich zu machen." Was Wunder,
daß, wie glaubhaft überliefert worden, der Herzog vor jedem neuen Briefe
zitterte und durch die Lecture tagelang unfähig zu Geschäften wurde. Mag
doch auch der Herzog von Bedford gezittert haben, daß ein zweiter Brief an
ihn erscheinen und gleich dem ersten beginnen könnte: "Mylord, Sie sind es
so wenig gewohnt, von dem Publikum Zeichen der Achtung und Anerkennung
zu empfangen, daß, wenn mir in den folgenden Zeilen eine Artigkeit oder ein
Ausdruck des Beifalls entfallen sollte, ich fürchte, Sie möchten dies als einen
Spott über Ihren bekannten Charakter und vielleicht als eine Beschimpfung
Ihres Verstandes ansehn." Ist es denkbar, daß die geübteste Rothhaut ele¬
ganter zu scalpiren vermöchte?

In der Widmung an das englische Volk, die er später den in Buchform
gesammelten Briefen vorsetzte, schreibt Junius: "Ich darf nicht zweifeln, daß
Ihr einmüthig die Wahlfreiheit behaupten und Euer ausschließliches Recht,
Eure Repräsentanten zu wählen, geltend machen werdet. Aber es sind andre
Fragen erhoben worden, über die Eure Entscheidung ebenso deutlich und ein¬
müthig sein sollte. Laßt es in Eure Seele geschrieben sein, laßt es Eure
Kinder sich einprägen, daß die Freiheit der Presse das Palladium aller bür¬
gerlichen, politischen und religiösen Rechte des Engländers ist, und das Recht
der Jurys, in allen denkbaren Fällen einen allgemeinen Ausspruch über
Schuld oder Unschuld zu thun, ein wesentlicher Theil Eurer Verfassung ist,
der durch die Richter nicht controllirt oder beschränkt, noch durch die Gesetz¬
geber in irgend einer Art in Frage gestellt werden darf." Der Vertheidigung


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pathien für Wilkes faßt er die Schädigung der Landesrechte ins Auge und
bekämpft den gefährlichen Präcedenzfall. Das ist etwa im Anfange des
Kampfes; und nun heftet sich der Verfolger an die Sohlen seines Opfers,
unerbittlich, grausam, ihm Tag und Nacht nicht Ruhe gönnend; keine Waffe
verschmäht er, die Sarcasmus oder Zorn ihm reicht; den Schmutz des Privat¬
lebens deckt er so schonungslos auf wie die schmählichen Uebergriffe der amt¬
lichen Autorität; nie ist Haß und Verachtung schärfer und vernichtender ge¬
predigt worden. „Daß Sie absichtlich Unrecht thun, das ist es nicht, sondern
daß Sie nie aus Versehen recht thun." Und ferner: „Der Charakter der be¬
kannten Vorfahren mancher Leute macht es ihrem Nachkommen möglich, aufs
äußerste lasterhaft zu sein, ohne zu entarten. Die Vorfahren Ew. Gnaden
zum Beispiel hinterließen keine niederschlagenden Proben von Tugend selbst
nicht für ihre rechtmäßige Nachkommenschaft; und Sie können mit Vergnügen
auf einen berühmten Stammbaum zurückblicken, in welchem die Heraldik keine
einzige gute Eigenschaft aufgezeichnet hat, um Ihnen Schimpf oder Schande
zu machen." Und ein ander Mal: „Mein ganzes Leben lang werd' ich ihn
verfolgen und die lebte Kraft meines Talentes anstrengen, um die sterbliche
Infamie seines Lebens zu retten und unsterblich zu machen." Was Wunder,
daß, wie glaubhaft überliefert worden, der Herzog vor jedem neuen Briefe
zitterte und durch die Lecture tagelang unfähig zu Geschäften wurde. Mag
doch auch der Herzog von Bedford gezittert haben, daß ein zweiter Brief an
ihn erscheinen und gleich dem ersten beginnen könnte: „Mylord, Sie sind es
so wenig gewohnt, von dem Publikum Zeichen der Achtung und Anerkennung
zu empfangen, daß, wenn mir in den folgenden Zeilen eine Artigkeit oder ein
Ausdruck des Beifalls entfallen sollte, ich fürchte, Sie möchten dies als einen
Spott über Ihren bekannten Charakter und vielleicht als eine Beschimpfung
Ihres Verstandes ansehn." Ist es denkbar, daß die geübteste Rothhaut ele¬
ganter zu scalpiren vermöchte?

In der Widmung an das englische Volk, die er später den in Buchform
gesammelten Briefen vorsetzte, schreibt Junius: „Ich darf nicht zweifeln, daß
Ihr einmüthig die Wahlfreiheit behaupten und Euer ausschließliches Recht,
Eure Repräsentanten zu wählen, geltend machen werdet. Aber es sind andre
Fragen erhoben worden, über die Eure Entscheidung ebenso deutlich und ein¬
müthig sein sollte. Laßt es in Eure Seele geschrieben sein, laßt es Eure
Kinder sich einprägen, daß die Freiheit der Presse das Palladium aller bür¬
gerlichen, politischen und religiösen Rechte des Engländers ist, und das Recht
der Jurys, in allen denkbaren Fällen einen allgemeinen Ausspruch über
Schuld oder Unschuld zu thun, ein wesentlicher Theil Eurer Verfassung ist,
der durch die Richter nicht controllirt oder beschränkt, noch durch die Gesetz¬
geber in irgend einer Art in Frage gestellt werden darf." Der Vertheidigung


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[0275] pathien für Wilkes faßt er die Schädigung der Landesrechte ins Auge und bekämpft den gefährlichen Präcedenzfall. Das ist etwa im Anfange des Kampfes; und nun heftet sich der Verfolger an die Sohlen seines Opfers, unerbittlich, grausam, ihm Tag und Nacht nicht Ruhe gönnend; keine Waffe verschmäht er, die Sarcasmus oder Zorn ihm reicht; den Schmutz des Privat¬ lebens deckt er so schonungslos auf wie die schmählichen Uebergriffe der amt¬ lichen Autorität; nie ist Haß und Verachtung schärfer und vernichtender ge¬ predigt worden. „Daß Sie absichtlich Unrecht thun, das ist es nicht, sondern daß Sie nie aus Versehen recht thun." Und ferner: „Der Charakter der be¬ kannten Vorfahren mancher Leute macht es ihrem Nachkommen möglich, aufs äußerste lasterhaft zu sein, ohne zu entarten. Die Vorfahren Ew. Gnaden zum Beispiel hinterließen keine niederschlagenden Proben von Tugend selbst nicht für ihre rechtmäßige Nachkommenschaft; und Sie können mit Vergnügen auf einen berühmten Stammbaum zurückblicken, in welchem die Heraldik keine einzige gute Eigenschaft aufgezeichnet hat, um Ihnen Schimpf oder Schande zu machen." Und ein ander Mal: „Mein ganzes Leben lang werd' ich ihn verfolgen und die lebte Kraft meines Talentes anstrengen, um die sterbliche Infamie seines Lebens zu retten und unsterblich zu machen." Was Wunder, daß, wie glaubhaft überliefert worden, der Herzog vor jedem neuen Briefe zitterte und durch die Lecture tagelang unfähig zu Geschäften wurde. Mag doch auch der Herzog von Bedford gezittert haben, daß ein zweiter Brief an ihn erscheinen und gleich dem ersten beginnen könnte: „Mylord, Sie sind es so wenig gewohnt, von dem Publikum Zeichen der Achtung und Anerkennung zu empfangen, daß, wenn mir in den folgenden Zeilen eine Artigkeit oder ein Ausdruck des Beifalls entfallen sollte, ich fürchte, Sie möchten dies als einen Spott über Ihren bekannten Charakter und vielleicht als eine Beschimpfung Ihres Verstandes ansehn." Ist es denkbar, daß die geübteste Rothhaut ele¬ ganter zu scalpiren vermöchte? In der Widmung an das englische Volk, die er später den in Buchform gesammelten Briefen vorsetzte, schreibt Junius: „Ich darf nicht zweifeln, daß Ihr einmüthig die Wahlfreiheit behaupten und Euer ausschließliches Recht, Eure Repräsentanten zu wählen, geltend machen werdet. Aber es sind andre Fragen erhoben worden, über die Eure Entscheidung ebenso deutlich und ein¬ müthig sein sollte. Laßt es in Eure Seele geschrieben sein, laßt es Eure Kinder sich einprägen, daß die Freiheit der Presse das Palladium aller bür¬ gerlichen, politischen und religiösen Rechte des Engländers ist, und das Recht der Jurys, in allen denkbaren Fällen einen allgemeinen Ausspruch über Schuld oder Unschuld zu thun, ein wesentlicher Theil Eurer Verfassung ist, der durch die Richter nicht controllirt oder beschränkt, noch durch die Gesetz¬ geber in irgend einer Art in Frage gestellt werden darf." Der Vertheidigung 34*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/275>, abgerufen am 02.07.2024.