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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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Sir William Drapers durchlöcherter Schild hatte die Gegner stutzig ge¬
macht. Mr. Edward Weston wagt sich zwar noch mit einer Flugschrift für
den Premier ins Feuer, aber eine kurze Abfertigung genügt, ihn zum Schweigen
zu bringen. Und nun bergen sich die erbosten Freunde des Ministeriums
hinter vorsichtige Anonymität oder suchen gegen unliebsame Enthüllungen in
erborgten Namen Schutz. In allen Journalen tobt der Kampf; die Abend¬
post von Se. James bringt Artikel, die Montagszeitung, selbst die Spalten
des Public Advertiser öffnen sich großmüthig gegnerischen Auslassungen; hier
nennt sich einer "Old Roll", dort ein Anderer "Motesens", schüchtern erhebt
eine Lady ihre Stimme; keck tritt ein Vierter als "Amel-Junius" auf, und
ein paar Andere hüllen sich als "Scävola" und "Zeno" in antike Gewänder;
dann betitelt sich einer als "Rechtsgelehrter" und ein Folgender, pathetischer,
als "Anwalt in der Sache des Volks". Auch ein Geistlicher eilt in die Arena:
Se. Ehrwürden Mr. Horne hat den Muth, sich zu nennen, und -- Sir
William Draper findet einen Genossen seiner Unsterblichkeit: "Auch die ab¬
scheulichsten Privatlaster haben nicht Bedeutung genug, die Censur der Presse
auf sich zu ziehen, wenn sie nicht mit der Macht, dem Gemeinwesen ein be¬
deutendes Unheil zuzufügen, vereinigt sind. Mr. Horne's Lage steht mit
seinen Absichten in keinem Verhältniß." Und während Junius so nach rechts
und links die Streiche parirt und verdoppelt zurückgiebt, richtet er gegen den
Herzog von Grafton Schlag aus Schlag und hat noch Muse, die in Gift
getauchten Pfeile zwischendrein auf andere Opfer zu schleudern. Die Tones
schäumen vor Wuth, gegen den Drucker des Public Advertiser strengt die
Regierung Prozesse an, und die gefügigen Mitglieder des Unterhauses don¬
nern gegen den furchtbaren Unbekannten. Das Volk von England aber jubelt,
jeder neue Brief wird mit atemloser Spannung erwartet, zahlreiche Nach¬
drucke sorgen, daß die alten Briefe nicht in Vergessenheit gerathen, und die
City von London sendet Deputationen an den König, deren Sprache bezeugt,
daß sie Junius nicht erfolglos gelesen haben. Die erregte Stimmung dieses
unerhörten Zeitungskampfes findet weit über die Grenzen Englands hinaus
Widerhall.

Die erste Veranlassung zu Junius' Auftreten in der Presse war ein
Eingriff des Ministeriums in die Wahlfreiheit des englischen Volkes gewesen.
Ein ziemlich berüchtigter Pamphletist, John Wilkes, war in Middleser gewählt
worden, aber das Unterhaus hatte, der Regierung zu Liebe, widerrechtlich die
Wahl cassirt, dann sogar an Stelle des zweimal Wiedergewählten den Kan¬
didaten der Minorität als Abgeordneten proclamirt. .Sie haben das ganze
Land wider Sich vereinigt in Einer großen constitutionellen Angelegenheit,
von deren Entscheidung es unbedingt abhängt, ob wir als ein freies Volk
fortbestehen follen", ruft Junius dem Herzog von Grafton zu. Ohne Spin'


Sir William Drapers durchlöcherter Schild hatte die Gegner stutzig ge¬
macht. Mr. Edward Weston wagt sich zwar noch mit einer Flugschrift für
den Premier ins Feuer, aber eine kurze Abfertigung genügt, ihn zum Schweigen
zu bringen. Und nun bergen sich die erbosten Freunde des Ministeriums
hinter vorsichtige Anonymität oder suchen gegen unliebsame Enthüllungen in
erborgten Namen Schutz. In allen Journalen tobt der Kampf; die Abend¬
post von Se. James bringt Artikel, die Montagszeitung, selbst die Spalten
des Public Advertiser öffnen sich großmüthig gegnerischen Auslassungen; hier
nennt sich einer „Old Roll", dort ein Anderer „Motesens", schüchtern erhebt
eine Lady ihre Stimme; keck tritt ein Vierter als „Amel-Junius" auf, und
ein paar Andere hüllen sich als „Scävola" und „Zeno" in antike Gewänder;
dann betitelt sich einer als „Rechtsgelehrter" und ein Folgender, pathetischer,
als „Anwalt in der Sache des Volks". Auch ein Geistlicher eilt in die Arena:
Se. Ehrwürden Mr. Horne hat den Muth, sich zu nennen, und — Sir
William Draper findet einen Genossen seiner Unsterblichkeit: „Auch die ab¬
scheulichsten Privatlaster haben nicht Bedeutung genug, die Censur der Presse
auf sich zu ziehen, wenn sie nicht mit der Macht, dem Gemeinwesen ein be¬
deutendes Unheil zuzufügen, vereinigt sind. Mr. Horne's Lage steht mit
seinen Absichten in keinem Verhältniß." Und während Junius so nach rechts
und links die Streiche parirt und verdoppelt zurückgiebt, richtet er gegen den
Herzog von Grafton Schlag aus Schlag und hat noch Muse, die in Gift
getauchten Pfeile zwischendrein auf andere Opfer zu schleudern. Die Tones
schäumen vor Wuth, gegen den Drucker des Public Advertiser strengt die
Regierung Prozesse an, und die gefügigen Mitglieder des Unterhauses don¬
nern gegen den furchtbaren Unbekannten. Das Volk von England aber jubelt,
jeder neue Brief wird mit atemloser Spannung erwartet, zahlreiche Nach¬
drucke sorgen, daß die alten Briefe nicht in Vergessenheit gerathen, und die
City von London sendet Deputationen an den König, deren Sprache bezeugt,
daß sie Junius nicht erfolglos gelesen haben. Die erregte Stimmung dieses
unerhörten Zeitungskampfes findet weit über die Grenzen Englands hinaus
Widerhall.

Die erste Veranlassung zu Junius' Auftreten in der Presse war ein
Eingriff des Ministeriums in die Wahlfreiheit des englischen Volkes gewesen.
Ein ziemlich berüchtigter Pamphletist, John Wilkes, war in Middleser gewählt
worden, aber das Unterhaus hatte, der Regierung zu Liebe, widerrechtlich die
Wahl cassirt, dann sogar an Stelle des zweimal Wiedergewählten den Kan¬
didaten der Minorität als Abgeordneten proclamirt. .Sie haben das ganze
Land wider Sich vereinigt in Einer großen constitutionellen Angelegenheit,
von deren Entscheidung es unbedingt abhängt, ob wir als ein freies Volk
fortbestehen follen", ruft Junius dem Herzog von Grafton zu. Ohne Spin'


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[0274] Sir William Drapers durchlöcherter Schild hatte die Gegner stutzig ge¬ macht. Mr. Edward Weston wagt sich zwar noch mit einer Flugschrift für den Premier ins Feuer, aber eine kurze Abfertigung genügt, ihn zum Schweigen zu bringen. Und nun bergen sich die erbosten Freunde des Ministeriums hinter vorsichtige Anonymität oder suchen gegen unliebsame Enthüllungen in erborgten Namen Schutz. In allen Journalen tobt der Kampf; die Abend¬ post von Se. James bringt Artikel, die Montagszeitung, selbst die Spalten des Public Advertiser öffnen sich großmüthig gegnerischen Auslassungen; hier nennt sich einer „Old Roll", dort ein Anderer „Motesens", schüchtern erhebt eine Lady ihre Stimme; keck tritt ein Vierter als „Amel-Junius" auf, und ein paar Andere hüllen sich als „Scävola" und „Zeno" in antike Gewänder; dann betitelt sich einer als „Rechtsgelehrter" und ein Folgender, pathetischer, als „Anwalt in der Sache des Volks". Auch ein Geistlicher eilt in die Arena: Se. Ehrwürden Mr. Horne hat den Muth, sich zu nennen, und — Sir William Draper findet einen Genossen seiner Unsterblichkeit: „Auch die ab¬ scheulichsten Privatlaster haben nicht Bedeutung genug, die Censur der Presse auf sich zu ziehen, wenn sie nicht mit der Macht, dem Gemeinwesen ein be¬ deutendes Unheil zuzufügen, vereinigt sind. Mr. Horne's Lage steht mit seinen Absichten in keinem Verhältniß." Und während Junius so nach rechts und links die Streiche parirt und verdoppelt zurückgiebt, richtet er gegen den Herzog von Grafton Schlag aus Schlag und hat noch Muse, die in Gift getauchten Pfeile zwischendrein auf andere Opfer zu schleudern. Die Tones schäumen vor Wuth, gegen den Drucker des Public Advertiser strengt die Regierung Prozesse an, und die gefügigen Mitglieder des Unterhauses don¬ nern gegen den furchtbaren Unbekannten. Das Volk von England aber jubelt, jeder neue Brief wird mit atemloser Spannung erwartet, zahlreiche Nach¬ drucke sorgen, daß die alten Briefe nicht in Vergessenheit gerathen, und die City von London sendet Deputationen an den König, deren Sprache bezeugt, daß sie Junius nicht erfolglos gelesen haben. Die erregte Stimmung dieses unerhörten Zeitungskampfes findet weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall. Die erste Veranlassung zu Junius' Auftreten in der Presse war ein Eingriff des Ministeriums in die Wahlfreiheit des englischen Volkes gewesen. Ein ziemlich berüchtigter Pamphletist, John Wilkes, war in Middleser gewählt worden, aber das Unterhaus hatte, der Regierung zu Liebe, widerrechtlich die Wahl cassirt, dann sogar an Stelle des zweimal Wiedergewählten den Kan¬ didaten der Minorität als Abgeordneten proclamirt. .Sie haben das ganze Land wider Sich vereinigt in Einer großen constitutionellen Angelegenheit, von deren Entscheidung es unbedingt abhängt, ob wir als ein freies Volk fortbestehen follen", ruft Junius dem Herzog von Grafton zu. Ohne Spin'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/274>, abgerufen am 01.07.2024.