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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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erstere sich mit der Aussicht trägt, daß nach dem Eintritt Mecklenburgs in
den Zollverein die landesherrliche Kasse allein im Stande sein werde, die
Bundeskosten zu decken. Die Regierung geht dabei von der Auffassung aus,
daß die Mecklenburg zu Gute kommende Quote der Zollvereins- und Ver¬
brauchssteuer-Einnahmen so hoch sein wird, daß das fehlende und demnach
durch Matricularumlage aufzubringende von der landesherrlichen Kasse ohne
größere Anspannung ihrer Kraft als der bisherigen werde getragen werden
können. Allerdings: wenn die jetzige Verpflichtung dieser Kasse, wonach die¬
selbe in erster Linie die Militärkosten zu decken hat und das Land dazu nur
eine Beihilfe leistet, sich dahin umkehren sollte, daß die Bevölkerung, indem
sie den Grenzzoll nach dem Tarif des Zollvereins und die Verbrauchssteuern
aufbringt, die Hauptlast übernimmt und die landesherrliche Kasse nur aus¬
hilflich herangezogen wird, so wäre der Verzicht des Großherzogs auf eine
Beihilfe des Landes gewiß nicht nur ausführbar, sondern sogar noch ein
lucratives Geschäft, vorausgesetzt, daß die Bedürfnisse der Bundeskasse nicht
erheblich über die jetzige Höhe hinauswachsen und daneben in Mecklenburg
sämmtliche bisherigen Steuern fortdauern würden. Eine solche Voraussetzung
aber ist in ihren beiden Theilen unhaltbar. Die Bedürfnisse der Bundes¬
kasse werden voraussichtlich schon in nächster Zukunft über das jetzige Maß
hinausgehen, und eine Beibehaltung der sämmtlichen bestehenden mecklen¬
burgischen Landessteuern neben den neu hinzutretender, in die Bundescasse
fließenden Zöllen und Steuern ist unmöglich, theils weil dadurch eine Ueber-
lastung für einzelne Theile der Bevölkerung entstehen würde, welche nicht
getragen werden könnte, theils weil die Veränderung anderweitiger Verhält¬
nisse zu ihrer Aufhebung zwingen wird. Letzteres gilt namentlich von der
Handelsklassensteuer und der an die Stelle der indirecten Mahl- und Schlacht¬
steuer getretenen directen Steuer. Beide haben die Beschränkung der betref¬
fenden Gewerbbetriebe zur Voraussetzung, welche voraussichtlich bald beseitigt
werden wird, und die Handelselassensteuer ward zu dem gleichzeitig mit ihr
im Jahre 18K3 eingeführten mecklenburgischen Grenzzoll dadurch in Beziehung
gesetzt, daß sie ein Drittheil, der Grenzzoll aber zwei Drittheile des Ertrages
der damals aufgehobenen indirecten Handelssteuer decken sollte. Wird nun,
durch die Einführung des Zollvereinstarifs, der Ertrag des Grenzzolls um
weit mehr als das Doppelte erhöht, so wird dadurch der Handelselassensteuer
als Supplement des Grenzzolls die Basis der Existenz entzogen. Die Noth¬
wendigkeit einer Reform des mecklenburgischen Steuer- und Finanzwesens ist
also durch die getroffene Vereinbarung nicht beseitigt, sondern nur für ein
Jahr in den Hintergrund gedrängt, und diese Reform wird selbst dann ihre
Erledigung fordern, wenn, wider alle Wahrscheinlichkeit, die Bedürfnisse der
Bundescasse über das Maß des ersten Jahres in Zukunft nicht wesentlich


erstere sich mit der Aussicht trägt, daß nach dem Eintritt Mecklenburgs in
den Zollverein die landesherrliche Kasse allein im Stande sein werde, die
Bundeskosten zu decken. Die Regierung geht dabei von der Auffassung aus,
daß die Mecklenburg zu Gute kommende Quote der Zollvereins- und Ver¬
brauchssteuer-Einnahmen so hoch sein wird, daß das fehlende und demnach
durch Matricularumlage aufzubringende von der landesherrlichen Kasse ohne
größere Anspannung ihrer Kraft als der bisherigen werde getragen werden
können. Allerdings: wenn die jetzige Verpflichtung dieser Kasse, wonach die¬
selbe in erster Linie die Militärkosten zu decken hat und das Land dazu nur
eine Beihilfe leistet, sich dahin umkehren sollte, daß die Bevölkerung, indem
sie den Grenzzoll nach dem Tarif des Zollvereins und die Verbrauchssteuern
aufbringt, die Hauptlast übernimmt und die landesherrliche Kasse nur aus¬
hilflich herangezogen wird, so wäre der Verzicht des Großherzogs auf eine
Beihilfe des Landes gewiß nicht nur ausführbar, sondern sogar noch ein
lucratives Geschäft, vorausgesetzt, daß die Bedürfnisse der Bundeskasse nicht
erheblich über die jetzige Höhe hinauswachsen und daneben in Mecklenburg
sämmtliche bisherigen Steuern fortdauern würden. Eine solche Voraussetzung
aber ist in ihren beiden Theilen unhaltbar. Die Bedürfnisse der Bundes¬
kasse werden voraussichtlich schon in nächster Zukunft über das jetzige Maß
hinausgehen, und eine Beibehaltung der sämmtlichen bestehenden mecklen¬
burgischen Landessteuern neben den neu hinzutretender, in die Bundescasse
fließenden Zöllen und Steuern ist unmöglich, theils weil dadurch eine Ueber-
lastung für einzelne Theile der Bevölkerung entstehen würde, welche nicht
getragen werden könnte, theils weil die Veränderung anderweitiger Verhält¬
nisse zu ihrer Aufhebung zwingen wird. Letzteres gilt namentlich von der
Handelsklassensteuer und der an die Stelle der indirecten Mahl- und Schlacht¬
steuer getretenen directen Steuer. Beide haben die Beschränkung der betref¬
fenden Gewerbbetriebe zur Voraussetzung, welche voraussichtlich bald beseitigt
werden wird, und die Handelselassensteuer ward zu dem gleichzeitig mit ihr
im Jahre 18K3 eingeführten mecklenburgischen Grenzzoll dadurch in Beziehung
gesetzt, daß sie ein Drittheil, der Grenzzoll aber zwei Drittheile des Ertrages
der damals aufgehobenen indirecten Handelssteuer decken sollte. Wird nun,
durch die Einführung des Zollvereinstarifs, der Ertrag des Grenzzolls um
weit mehr als das Doppelte erhöht, so wird dadurch der Handelselassensteuer
als Supplement des Grenzzolls die Basis der Existenz entzogen. Die Noth¬
wendigkeit einer Reform des mecklenburgischen Steuer- und Finanzwesens ist
also durch die getroffene Vereinbarung nicht beseitigt, sondern nur für ein
Jahr in den Hintergrund gedrängt, und diese Reform wird selbst dann ihre
Erledigung fordern, wenn, wider alle Wahrscheinlichkeit, die Bedürfnisse der
Bundescasse über das Maß des ersten Jahres in Zukunft nicht wesentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/192>, abgerufen am 23.07.2024.