Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auch nur eines großherzoglichen Rescripts, um die Landschaft ins Schwanken
zu bringen, und eines zweiten, um sie vollständig herüberzuziehen. Auch die
Landschaft erklärte jetzt die reine, bedingungslose Zustimmung zu der gro߬
herzoglichen Proposition, und so waren denn Regierung und Stände in dem
Entschlüsse geeinigt, an dem alten Staat durch die neue Bundesverfassung
nichts ändern zu lassen. Hätte aber auch die Landschaft wirklich ihre Be¬
dingung durchgesetzt, so war damit auch noch nichts Wesentliches erreicht.
Denn Verhandlungen über eine Steuerreform, welche nicht auf der Grund¬
lage der Staatseinheit und eines einheitlichen Staatshaushalts, sondern auf
der bisherigen Vermischung der Großherzoglichen und der Staatskasse be¬
ruhen und von der Voraussetzung einer Beibehaltung der in Domanium
Ritterschaft und Städten sich darstellenden Svnderinteressen ausgehen, können
nicht zu einem gedeihlichen Ausgange führen.' Ueberdies war durch Ein¬
leitung von Verhandlungen über eine Reform der Steuern die schließliche
Einigung über letztere keineswegs verbürgt. Die Sonderinteressen würden
bei den Verhandlungen ihren vollen Spielraum behalten, und die dringlich¬
sten und heilsamsten Reformen zum Scheitern bringen.

Bei dieser Auffassung und Behandlung der Angelegenheit mußte be¬
greiflich die wichtige Frage, ob nicht das Beispiel der von fast allen Bun¬
desstaaten mit Preußen abgeschlossenen Militärconventionen auch von Meck¬
lenburg nachgeahmt werden könne und aus welchem Grunde die Regierung
es unterlassen habe, ihre Bemühungen auf eine solche Vereinbarung zu rich¬
ten, gänzlich unerörtert bleiben. Der Regierung wird es nicht entgangen
sein, daß auf diesem Wege große Ersparungen sich hätten erzielen lassen.
Legt man auch nur den am wenigsten günstigen Maßstab der durch eine
solche Militärconvention dem Großherzogthum Oldenburg zu Theil geworde¬
nen Erleichterung zu Grunde, so kommt man auf eine Ersparung, die im ersten
Jahre für jeden Mann des Contingents 60 Thlr. und für jedes der folgenden
vier Jahre 12 Thlr. weniger, im Ganzen also für Mecklenburg-Schwerin, bei
einer Contingentsstärke von 6600 Mann, im ersten Jahre 336000 Thlr.
und in dem fünfjährigen Uebergangszeitraum die Summe von 1,008,000 Thlr.
betragen haben würde. Aber der kleine Schein von Selbständigkeit, welcher
für diesen hohen Preis erkauft wurde, war für die herrschenden Kreise zu-
verlockend, als daß sie sich nicht gern zu dem Verzicht auf eine solche Er¬
sparung verstanden hätten und von den Ständen wurde, wie ihr Schweigen
und ihre bedingungslose Bewilligung der geforderten Beihilfe beweist, diese
Anschauung getheilt und gutgeheißen.

Ueber die Finanzsorge des ersten Jahres nach der Begründung der nord¬
deutschen Bundesverfassung haben Regierung und Stände sich zwar glück¬
lich geholfen; aber auf einer schweren Täuschung beruhet es doch, wenn


auch nur eines großherzoglichen Rescripts, um die Landschaft ins Schwanken
zu bringen, und eines zweiten, um sie vollständig herüberzuziehen. Auch die
Landschaft erklärte jetzt die reine, bedingungslose Zustimmung zu der gro߬
herzoglichen Proposition, und so waren denn Regierung und Stände in dem
Entschlüsse geeinigt, an dem alten Staat durch die neue Bundesverfassung
nichts ändern zu lassen. Hätte aber auch die Landschaft wirklich ihre Be¬
dingung durchgesetzt, so war damit auch noch nichts Wesentliches erreicht.
Denn Verhandlungen über eine Steuerreform, welche nicht auf der Grund¬
lage der Staatseinheit und eines einheitlichen Staatshaushalts, sondern auf
der bisherigen Vermischung der Großherzoglichen und der Staatskasse be¬
ruhen und von der Voraussetzung einer Beibehaltung der in Domanium
Ritterschaft und Städten sich darstellenden Svnderinteressen ausgehen, können
nicht zu einem gedeihlichen Ausgange führen.' Ueberdies war durch Ein¬
leitung von Verhandlungen über eine Reform der Steuern die schließliche
Einigung über letztere keineswegs verbürgt. Die Sonderinteressen würden
bei den Verhandlungen ihren vollen Spielraum behalten, und die dringlich¬
sten und heilsamsten Reformen zum Scheitern bringen.

Bei dieser Auffassung und Behandlung der Angelegenheit mußte be¬
greiflich die wichtige Frage, ob nicht das Beispiel der von fast allen Bun¬
desstaaten mit Preußen abgeschlossenen Militärconventionen auch von Meck¬
lenburg nachgeahmt werden könne und aus welchem Grunde die Regierung
es unterlassen habe, ihre Bemühungen auf eine solche Vereinbarung zu rich¬
ten, gänzlich unerörtert bleiben. Der Regierung wird es nicht entgangen
sein, daß auf diesem Wege große Ersparungen sich hätten erzielen lassen.
Legt man auch nur den am wenigsten günstigen Maßstab der durch eine
solche Militärconvention dem Großherzogthum Oldenburg zu Theil geworde¬
nen Erleichterung zu Grunde, so kommt man auf eine Ersparung, die im ersten
Jahre für jeden Mann des Contingents 60 Thlr. und für jedes der folgenden
vier Jahre 12 Thlr. weniger, im Ganzen also für Mecklenburg-Schwerin, bei
einer Contingentsstärke von 6600 Mann, im ersten Jahre 336000 Thlr.
und in dem fünfjährigen Uebergangszeitraum die Summe von 1,008,000 Thlr.
betragen haben würde. Aber der kleine Schein von Selbständigkeit, welcher
für diesen hohen Preis erkauft wurde, war für die herrschenden Kreise zu-
verlockend, als daß sie sich nicht gern zu dem Verzicht auf eine solche Er¬
sparung verstanden hätten und von den Ständen wurde, wie ihr Schweigen
und ihre bedingungslose Bewilligung der geforderten Beihilfe beweist, diese
Anschauung getheilt und gutgeheißen.

Ueber die Finanzsorge des ersten Jahres nach der Begründung der nord¬
deutschen Bundesverfassung haben Regierung und Stände sich zwar glück¬
lich geholfen; aber auf einer schweren Täuschung beruhet es doch, wenn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117197"/>
          <p xml:id="ID_513" prev="#ID_512"> auch nur eines großherzoglichen Rescripts, um die Landschaft ins Schwanken<lb/>
zu bringen, und eines zweiten, um sie vollständig herüberzuziehen. Auch die<lb/>
Landschaft erklärte jetzt die reine, bedingungslose Zustimmung zu der gro߬<lb/>
herzoglichen Proposition, und so waren denn Regierung und Stände in dem<lb/>
Entschlüsse geeinigt, an dem alten Staat durch die neue Bundesverfassung<lb/>
nichts ändern zu lassen. Hätte aber auch die Landschaft wirklich ihre Be¬<lb/>
dingung durchgesetzt, so war damit auch noch nichts Wesentliches erreicht.<lb/>
Denn Verhandlungen über eine Steuerreform, welche nicht auf der Grund¬<lb/>
lage der Staatseinheit und eines einheitlichen Staatshaushalts, sondern auf<lb/>
der bisherigen Vermischung der Großherzoglichen und der Staatskasse be¬<lb/>
ruhen und von der Voraussetzung einer Beibehaltung der in Domanium<lb/>
Ritterschaft und Städten sich darstellenden Svnderinteressen ausgehen, können<lb/>
nicht zu einem gedeihlichen Ausgange führen.' Ueberdies war durch Ein¬<lb/>
leitung von Verhandlungen über eine Reform der Steuern die schließliche<lb/>
Einigung über letztere keineswegs verbürgt. Die Sonderinteressen würden<lb/>
bei den Verhandlungen ihren vollen Spielraum behalten, und die dringlich¬<lb/>
sten und heilsamsten Reformen zum Scheitern bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_514"> Bei dieser Auffassung und Behandlung der Angelegenheit mußte be¬<lb/>
greiflich die wichtige Frage, ob nicht das Beispiel der von fast allen Bun¬<lb/>
desstaaten mit Preußen abgeschlossenen Militärconventionen auch von Meck¬<lb/>
lenburg nachgeahmt werden könne und aus welchem Grunde die Regierung<lb/>
es unterlassen habe, ihre Bemühungen auf eine solche Vereinbarung zu rich¬<lb/>
ten, gänzlich unerörtert bleiben. Der Regierung wird es nicht entgangen<lb/>
sein, daß auf diesem Wege große Ersparungen sich hätten erzielen lassen.<lb/>
Legt man auch nur den am wenigsten günstigen Maßstab der durch eine<lb/>
solche Militärconvention dem Großherzogthum Oldenburg zu Theil geworde¬<lb/>
nen Erleichterung zu Grunde, so kommt man auf eine Ersparung, die im ersten<lb/>
Jahre für jeden Mann des Contingents 60 Thlr. und für jedes der folgenden<lb/>
vier Jahre 12 Thlr. weniger, im Ganzen also für Mecklenburg-Schwerin, bei<lb/>
einer Contingentsstärke von 6600 Mann, im ersten Jahre 336000 Thlr.<lb/>
und in dem fünfjährigen Uebergangszeitraum die Summe von 1,008,000 Thlr.<lb/>
betragen haben würde. Aber der kleine Schein von Selbständigkeit, welcher<lb/>
für diesen hohen Preis erkauft wurde, war für die herrschenden Kreise zu-<lb/>
verlockend, als daß sie sich nicht gern zu dem Verzicht auf eine solche Er¬<lb/>
sparung verstanden hätten und von den Ständen wurde, wie ihr Schweigen<lb/>
und ihre bedingungslose Bewilligung der geforderten Beihilfe beweist, diese<lb/>
Anschauung getheilt und gutgeheißen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_515" next="#ID_516"> Ueber die Finanzsorge des ersten Jahres nach der Begründung der nord¬<lb/>
deutschen Bundesverfassung haben Regierung und Stände sich zwar glück¬<lb/>
lich geholfen; aber auf einer schweren Täuschung beruhet es doch, wenn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] auch nur eines großherzoglichen Rescripts, um die Landschaft ins Schwanken zu bringen, und eines zweiten, um sie vollständig herüberzuziehen. Auch die Landschaft erklärte jetzt die reine, bedingungslose Zustimmung zu der gro߬ herzoglichen Proposition, und so waren denn Regierung und Stände in dem Entschlüsse geeinigt, an dem alten Staat durch die neue Bundesverfassung nichts ändern zu lassen. Hätte aber auch die Landschaft wirklich ihre Be¬ dingung durchgesetzt, so war damit auch noch nichts Wesentliches erreicht. Denn Verhandlungen über eine Steuerreform, welche nicht auf der Grund¬ lage der Staatseinheit und eines einheitlichen Staatshaushalts, sondern auf der bisherigen Vermischung der Großherzoglichen und der Staatskasse be¬ ruhen und von der Voraussetzung einer Beibehaltung der in Domanium Ritterschaft und Städten sich darstellenden Svnderinteressen ausgehen, können nicht zu einem gedeihlichen Ausgange führen.' Ueberdies war durch Ein¬ leitung von Verhandlungen über eine Reform der Steuern die schließliche Einigung über letztere keineswegs verbürgt. Die Sonderinteressen würden bei den Verhandlungen ihren vollen Spielraum behalten, und die dringlich¬ sten und heilsamsten Reformen zum Scheitern bringen. Bei dieser Auffassung und Behandlung der Angelegenheit mußte be¬ greiflich die wichtige Frage, ob nicht das Beispiel der von fast allen Bun¬ desstaaten mit Preußen abgeschlossenen Militärconventionen auch von Meck¬ lenburg nachgeahmt werden könne und aus welchem Grunde die Regierung es unterlassen habe, ihre Bemühungen auf eine solche Vereinbarung zu rich¬ ten, gänzlich unerörtert bleiben. Der Regierung wird es nicht entgangen sein, daß auf diesem Wege große Ersparungen sich hätten erzielen lassen. Legt man auch nur den am wenigsten günstigen Maßstab der durch eine solche Militärconvention dem Großherzogthum Oldenburg zu Theil geworde¬ nen Erleichterung zu Grunde, so kommt man auf eine Ersparung, die im ersten Jahre für jeden Mann des Contingents 60 Thlr. und für jedes der folgenden vier Jahre 12 Thlr. weniger, im Ganzen also für Mecklenburg-Schwerin, bei einer Contingentsstärke von 6600 Mann, im ersten Jahre 336000 Thlr. und in dem fünfjährigen Uebergangszeitraum die Summe von 1,008,000 Thlr. betragen haben würde. Aber der kleine Schein von Selbständigkeit, welcher für diesen hohen Preis erkauft wurde, war für die herrschenden Kreise zu- verlockend, als daß sie sich nicht gern zu dem Verzicht auf eine solche Er¬ sparung verstanden hätten und von den Ständen wurde, wie ihr Schweigen und ihre bedingungslose Bewilligung der geforderten Beihilfe beweist, diese Anschauung getheilt und gutgeheißen. Ueber die Finanzsorge des ersten Jahres nach der Begründung der nord¬ deutschen Bundesverfassung haben Regierung und Stände sich zwar glück¬ lich geholfen; aber auf einer schweren Täuschung beruhet es doch, wenn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/191
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/191>, abgerufen am 23.07.2024.