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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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organe preisgegeben worden. Außerhalb Mecklenburgs erschienene Druck¬
schriften können von dem Minister des Innern bei Strafe verboten werden;
inländische periodische Druckschriften kann, nach vorausgegangener wieder¬
holter Verwarnung, das Staatsministerium verbieten. Das Buchdrucker¬
gewerbe ist concessionspflichtig. Die Entziehung der Concession kann durch
den Minister des Innern verfügt werden, wenn nach wiederholter schriftlicher
Verwarnung oder nach erfolgter gerichtlicher Bestrafung der Buchdrucker
seine Beschäftigung beharrlich zur Verbreitung von Druckschriften benutzt,
welche nach Ansicht des Ministers des Innern strafbar sind. Die Abhaltung
von öffentlichen Versammlungen zu politischen Zwecken und die Bildung von
Politischen Vereinen ist von der Genehmigung des Ministers des Innern
abhängig, und in der Praxis wird diese Vorschrift, was die politischen Ver¬
eine betrifft, nicht blos auf die "Bildung" solcher Vereine angewandt, son¬
dern auch auf den Beitritt zu politischen Vereinen, welche in andern deutschen
Staaten in Uebereinstimmung mit den dortigen Gesetzen bestehen. Diese
Bestimmungen, der norddeutschen Bundesverfassung gegenübergestellt, welche
die Gesammtheit der Staatsbürger zur thätigen Theilnahme an den öffent¬
lichen Angelegenheiten beruft, enthalten eine so schreiende Zurücksetzung und
Demüthigung der mecklenburgischen Bevölkerung, daß die alten Stände, wenn
sie wirklich noch den Anspruch machten, eine Vertretung dieser Bevölkerung
zu sein, einmüthig die Gelegenheit hätten ergreifen müssen, um über dieselben
ihr Verwerfungsurtheil auszusprechen. Aber keine Stimme in der ganzen
Versammlung erhob sich in diesem Sinne. Ein oder zwei Bürgermeister
versteckten sich hinter ihre Unbekanntschaft mit der preußischen Gesetzgebung
und setzten es durch, daß unter diesem Vorwande der Antrag abgelehnt
wurde. Der wahre Grund aber, weshalb die Stände die Unterdrückung der
Presse und des Vereinslebens nicht entbehren wollen, ist, daß sie eine Exi¬
stenzfrage darin erblicken. Sie sind sich bewußt, daß die alte Landesverfassung
den Tag der Freigebung der Presse und des Versammlungs- und Vereins¬
rechts nicht um drei Monate überleben würde, und daß nur noch unter dem
herrschenden Zwange dieselbe sich aufrecht erhalten läßt. Diese Verfassung
aber wollen sie nicht aufgeben, so lange noch eine Möglichkeit für deren
Erhaltung sich darzubieten scheint, -- theilweise gewiß, weil sie mit ihrer
Politischen Ueberzeugung auf dem Boden des Feudalismus stehen, theilweise
aber auch nur aus persönlichen Interessen, da mit der Aufhebung der stän¬
dischen Verfassung der Einfluß der Ritter und der Bürgermeister, im Staate
wie in der Gemeinde, erlöschen oder wenigstens sich sehr vermindern und
Manche ergiebige Einnahmequelle für beide versiegen würde. Daher wissen
sie es der Regierung Dank, daß sie weder selbst die Initiative ergreift, um
dem Dasein der ständischen Verfassung ein Ende zu machen, noch der Bevöl-


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organe preisgegeben worden. Außerhalb Mecklenburgs erschienene Druck¬
schriften können von dem Minister des Innern bei Strafe verboten werden;
inländische periodische Druckschriften kann, nach vorausgegangener wieder¬
holter Verwarnung, das Staatsministerium verbieten. Das Buchdrucker¬
gewerbe ist concessionspflichtig. Die Entziehung der Concession kann durch
den Minister des Innern verfügt werden, wenn nach wiederholter schriftlicher
Verwarnung oder nach erfolgter gerichtlicher Bestrafung der Buchdrucker
seine Beschäftigung beharrlich zur Verbreitung von Druckschriften benutzt,
welche nach Ansicht des Ministers des Innern strafbar sind. Die Abhaltung
von öffentlichen Versammlungen zu politischen Zwecken und die Bildung von
Politischen Vereinen ist von der Genehmigung des Ministers des Innern
abhängig, und in der Praxis wird diese Vorschrift, was die politischen Ver¬
eine betrifft, nicht blos auf die „Bildung" solcher Vereine angewandt, son¬
dern auch auf den Beitritt zu politischen Vereinen, welche in andern deutschen
Staaten in Uebereinstimmung mit den dortigen Gesetzen bestehen. Diese
Bestimmungen, der norddeutschen Bundesverfassung gegenübergestellt, welche
die Gesammtheit der Staatsbürger zur thätigen Theilnahme an den öffent¬
lichen Angelegenheiten beruft, enthalten eine so schreiende Zurücksetzung und
Demüthigung der mecklenburgischen Bevölkerung, daß die alten Stände, wenn
sie wirklich noch den Anspruch machten, eine Vertretung dieser Bevölkerung
zu sein, einmüthig die Gelegenheit hätten ergreifen müssen, um über dieselben
ihr Verwerfungsurtheil auszusprechen. Aber keine Stimme in der ganzen
Versammlung erhob sich in diesem Sinne. Ein oder zwei Bürgermeister
versteckten sich hinter ihre Unbekanntschaft mit der preußischen Gesetzgebung
und setzten es durch, daß unter diesem Vorwande der Antrag abgelehnt
wurde. Der wahre Grund aber, weshalb die Stände die Unterdrückung der
Presse und des Vereinslebens nicht entbehren wollen, ist, daß sie eine Exi¬
stenzfrage darin erblicken. Sie sind sich bewußt, daß die alte Landesverfassung
den Tag der Freigebung der Presse und des Versammlungs- und Vereins¬
rechts nicht um drei Monate überleben würde, und daß nur noch unter dem
herrschenden Zwange dieselbe sich aufrecht erhalten läßt. Diese Verfassung
aber wollen sie nicht aufgeben, so lange noch eine Möglichkeit für deren
Erhaltung sich darzubieten scheint, — theilweise gewiß, weil sie mit ihrer
Politischen Ueberzeugung auf dem Boden des Feudalismus stehen, theilweise
aber auch nur aus persönlichen Interessen, da mit der Aufhebung der stän¬
dischen Verfassung der Einfluß der Ritter und der Bürgermeister, im Staate
wie in der Gemeinde, erlöschen oder wenigstens sich sehr vermindern und
Manche ergiebige Einnahmequelle für beide versiegen würde. Daher wissen
sie es der Regierung Dank, daß sie weder selbst die Initiative ergreift, um
dem Dasein der ständischen Verfassung ein Ende zu machen, noch der Bevöl-


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[0187] organe preisgegeben worden. Außerhalb Mecklenburgs erschienene Druck¬ schriften können von dem Minister des Innern bei Strafe verboten werden; inländische periodische Druckschriften kann, nach vorausgegangener wieder¬ holter Verwarnung, das Staatsministerium verbieten. Das Buchdrucker¬ gewerbe ist concessionspflichtig. Die Entziehung der Concession kann durch den Minister des Innern verfügt werden, wenn nach wiederholter schriftlicher Verwarnung oder nach erfolgter gerichtlicher Bestrafung der Buchdrucker seine Beschäftigung beharrlich zur Verbreitung von Druckschriften benutzt, welche nach Ansicht des Ministers des Innern strafbar sind. Die Abhaltung von öffentlichen Versammlungen zu politischen Zwecken und die Bildung von Politischen Vereinen ist von der Genehmigung des Ministers des Innern abhängig, und in der Praxis wird diese Vorschrift, was die politischen Ver¬ eine betrifft, nicht blos auf die „Bildung" solcher Vereine angewandt, son¬ dern auch auf den Beitritt zu politischen Vereinen, welche in andern deutschen Staaten in Uebereinstimmung mit den dortigen Gesetzen bestehen. Diese Bestimmungen, der norddeutschen Bundesverfassung gegenübergestellt, welche die Gesammtheit der Staatsbürger zur thätigen Theilnahme an den öffent¬ lichen Angelegenheiten beruft, enthalten eine so schreiende Zurücksetzung und Demüthigung der mecklenburgischen Bevölkerung, daß die alten Stände, wenn sie wirklich noch den Anspruch machten, eine Vertretung dieser Bevölkerung zu sein, einmüthig die Gelegenheit hätten ergreifen müssen, um über dieselben ihr Verwerfungsurtheil auszusprechen. Aber keine Stimme in der ganzen Versammlung erhob sich in diesem Sinne. Ein oder zwei Bürgermeister versteckten sich hinter ihre Unbekanntschaft mit der preußischen Gesetzgebung und setzten es durch, daß unter diesem Vorwande der Antrag abgelehnt wurde. Der wahre Grund aber, weshalb die Stände die Unterdrückung der Presse und des Vereinslebens nicht entbehren wollen, ist, daß sie eine Exi¬ stenzfrage darin erblicken. Sie sind sich bewußt, daß die alte Landesverfassung den Tag der Freigebung der Presse und des Versammlungs- und Vereins¬ rechts nicht um drei Monate überleben würde, und daß nur noch unter dem herrschenden Zwange dieselbe sich aufrecht erhalten läßt. Diese Verfassung aber wollen sie nicht aufgeben, so lange noch eine Möglichkeit für deren Erhaltung sich darzubieten scheint, — theilweise gewiß, weil sie mit ihrer Politischen Ueberzeugung auf dem Boden des Feudalismus stehen, theilweise aber auch nur aus persönlichen Interessen, da mit der Aufhebung der stän¬ dischen Verfassung der Einfluß der Ritter und der Bürgermeister, im Staate wie in der Gemeinde, erlöschen oder wenigstens sich sehr vermindern und Manche ergiebige Einnahmequelle für beide versiegen würde. Daher wissen sie es der Regierung Dank, daß sie weder selbst die Initiative ergreift, um dem Dasein der ständischen Verfassung ein Ende zu machen, noch der Bevöl- 23'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/187>, abgerufen am 03.07.2024.