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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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sich trotzdem mit verzweifelter Hartnäckigkeit und einem Starrsinn, der einer
bessern Sache werth wäre (große anhaltende Aufregung) gegen jegliches Zu-
geständniß an die geschichtlichen Thatsachen. Der einzige Unterschied ist, daß
das Papstthum auf alle solche Anforderungen mit einem non possumug, der
Feudalismus aber mit einem non volumus antwortet. (Heftige Unterbrechung
und lautes Gelächter.) Lachen Sie nur, meine Herren, so lange Sie es noch
können. Sie kennen aber wohl das Sprichwort: wer zuletzt lacht, lacht am
besten." Nach dem Schlüsse dieses Vortrages riefen viele Stimmen, die
gebrauchten Ausdrücke seien ungehörig, sie müßten zurückgenommen werden.
Der Vorsitzende Landrath, Herr von Rieden: "solche politische Vorträge,
wie den eben vernommenen, wünscht man hier nicht zu hören. Herr Dr. Bade
hat die Geduld der Versammlung jetzt genügend auf die Probe gestellt."
Herr von Oertzen-Brunn: "die Kritik des Herrn Dr. Bade über den enge¬
ren Ausschuß ist unter aller Kritik, und bedarf daher einer weiteren Kritik
nicht." Herr Landrath v. Rieden: "wodurch will der Herr Dr. Bade seine
Behauptung in Betreff der malg. Lach rechtfertigen?" Herr Landrath Graf
v. Bassewitz (Mitglied des Reichstags und Vorsitzender des engeren Aus¬
schusses der mecklenburgischen Ritter- und Landschaft): "ich halte es für un¬
nöthig, den engeren Ausschuß gegen den Vorwurf der mal", tiäes zu verthei¬
digen. Herr v. Oertzen-Kotelow: "der Mangel der bona tiäes bedeutet
soviel wie Betrug, und das ist eine Beleidigung, die von der Versammlung
zurückgewiesen werden muß." Herr Landrath Graf v. Bernstorff (in höch¬
ster Aufregung): "mit mala. nach handeln bedeutet soviel wie wider besseres
Wissen und guten Glauben handeln, und (gegen Herrn Dr. Bade ge¬
wandt) Sie sind nicht berechtigt, einen solchen Vorwurf gegen den engeren
Ausschuß zu erheben. Das ist eine Ungehörigkeit! Ich trage darauf an,
daß Herrn Dr. Bade das Wort entzogen werde." Herr Dr. Bade: "Ich
glaube den Beweis für meine Behauptung geführt zu haben, können Sie
mich widerlegen, so bin ich gern bereit, meinen Vorwurf zurückzunehmen."
Viele Stimmen: "wir wollen nichts mehr hören; wir wollen nichts zurück¬
genommen haben!" Von neuem wird jetzt beantragt, die ganze Sache auf
sich beruhen zu lassen. Endlich wird die wirre und stürmische Scene dadurch
beendigt, daß ohne Abstimmung beschlossen wird, der Antrag des Herrn
1)r. Bade solle auf sich beruhen bleiben.

Ein Antrag des Gutsbesitzers Manecke-Duggenkoppel, auf provisorische
Einführung der preußischen Paß- und Vereinsgesetzgebung gerichtet, verfolgte
indirect mit dem Badeschen dasselbe Ziel und stieß daher in der Versamm¬
lung auf die gleiche Abneigung. Durch die mecklenburgische Gesetzgebung
seit der Restauration des Feudalismus im Jahre 18S0 ist die Presse und
das Versammlungs- und Vereinsrecht dem willkürlichsten Schalten der Polizei-


sich trotzdem mit verzweifelter Hartnäckigkeit und einem Starrsinn, der einer
bessern Sache werth wäre (große anhaltende Aufregung) gegen jegliches Zu-
geständniß an die geschichtlichen Thatsachen. Der einzige Unterschied ist, daß
das Papstthum auf alle solche Anforderungen mit einem non possumug, der
Feudalismus aber mit einem non volumus antwortet. (Heftige Unterbrechung
und lautes Gelächter.) Lachen Sie nur, meine Herren, so lange Sie es noch
können. Sie kennen aber wohl das Sprichwort: wer zuletzt lacht, lacht am
besten." Nach dem Schlüsse dieses Vortrages riefen viele Stimmen, die
gebrauchten Ausdrücke seien ungehörig, sie müßten zurückgenommen werden.
Der Vorsitzende Landrath, Herr von Rieden: „solche politische Vorträge,
wie den eben vernommenen, wünscht man hier nicht zu hören. Herr Dr. Bade
hat die Geduld der Versammlung jetzt genügend auf die Probe gestellt."
Herr von Oertzen-Brunn: „die Kritik des Herrn Dr. Bade über den enge¬
ren Ausschuß ist unter aller Kritik, und bedarf daher einer weiteren Kritik
nicht." Herr Landrath v. Rieden: „wodurch will der Herr Dr. Bade seine
Behauptung in Betreff der malg. Lach rechtfertigen?" Herr Landrath Graf
v. Bassewitz (Mitglied des Reichstags und Vorsitzender des engeren Aus¬
schusses der mecklenburgischen Ritter- und Landschaft): „ich halte es für un¬
nöthig, den engeren Ausschuß gegen den Vorwurf der mal», tiäes zu verthei¬
digen. Herr v. Oertzen-Kotelow: „der Mangel der bona tiäes bedeutet
soviel wie Betrug, und das ist eine Beleidigung, die von der Versammlung
zurückgewiesen werden muß." Herr Landrath Graf v. Bernstorff (in höch¬
ster Aufregung): „mit mala. nach handeln bedeutet soviel wie wider besseres
Wissen und guten Glauben handeln, und (gegen Herrn Dr. Bade ge¬
wandt) Sie sind nicht berechtigt, einen solchen Vorwurf gegen den engeren
Ausschuß zu erheben. Das ist eine Ungehörigkeit! Ich trage darauf an,
daß Herrn Dr. Bade das Wort entzogen werde." Herr Dr. Bade: „Ich
glaube den Beweis für meine Behauptung geführt zu haben, können Sie
mich widerlegen, so bin ich gern bereit, meinen Vorwurf zurückzunehmen."
Viele Stimmen: „wir wollen nichts mehr hören; wir wollen nichts zurück¬
genommen haben!" Von neuem wird jetzt beantragt, die ganze Sache auf
sich beruhen zu lassen. Endlich wird die wirre und stürmische Scene dadurch
beendigt, daß ohne Abstimmung beschlossen wird, der Antrag des Herrn
1)r. Bade solle auf sich beruhen bleiben.

Ein Antrag des Gutsbesitzers Manecke-Duggenkoppel, auf provisorische
Einführung der preußischen Paß- und Vereinsgesetzgebung gerichtet, verfolgte
indirect mit dem Badeschen dasselbe Ziel und stieß daher in der Versamm¬
lung auf die gleiche Abneigung. Durch die mecklenburgische Gesetzgebung
seit der Restauration des Feudalismus im Jahre 18S0 ist die Presse und
das Versammlungs- und Vereinsrecht dem willkürlichsten Schalten der Polizei-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/186>, abgerufen am 03.07.2024.