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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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nur beiläufig und mit der kühlen Bemerkung, daß er eine Geneigtheit auf
die Einführung des Budgetsystems und der Consequenz desselben, einer kon¬
stitutionellen Verfassung, einzugehen, bei Ritter- und Landschaft nicht vor¬
aussetze.

Während die Landschaft (die Bürgermeister der Städte) die Erörterung
der Frage zu vermeiden suchte, wurde dieselbe dennoch von einer andern
Seite direct vor die Versammlung gebracht. Herr Dr. Bade auf Griebow,
ein schon früher als Anhänger des Constitutionalismus hervorgetretenes
Mitglied der Ritterschaft, hatte bereits unter dem 11. October einen Antrag
auf Herbeiführung einer constitutionellen Landesverfassung bei dem ständischen
engeren Ausschusse mit dem Gesuche eingereicht, denselben auf dem Landtage
zur Verhandlung zu bringen, hierauf aber ein Schreiben erhalten, welches
seinen Antrag als ungeeignet zurückwies. Herr Bade war indessen
der Ansicht, daß es weder dem engern Ausschusse, noch dem Antecomitial-
convente zustehe, einen Antrag wegen seines mißliebigen Inhalts zurückzu¬
weisen und bewies dies aus früheren Landtagsacten. Auch fand er sich am
1V. December persönlich in der Landtagsversammlung ein und stellte an
diese die Forderung, daß sie die geschehene Verweigerung der Inklination für
null und nichtig erkläre und den Antrag als giltig intimirt zur Verhandlung
bringe. Nun begann eine jener lebhaften Scenen, welche in den der mildern¬
den Einwirkung einer Geschäftsordnung entbehrenden Versammlungen der
mecklenburgischen Feudalstäude sich jedesmal zu ereignen pflegen, wenn sie
daran erinnert werden, daß die alte mecklenburgische Verfassung nicht auf
eine ewige Dauer Anspruch hat. Der Protokolldirigent, Kammerherr von
Oertzen auf Kotelow -- derselbe, welcher durch eine falsche Addition der
strelitzischen Staatsministerialcanzlei sieben Wochen lang die Ehre genossen
hatte, Mitglied des Reichstags zu sein -- trat dem Badeschen Antrage mit
dem Vorschlage entgegen, daß man denselben "aus sich beruhen lassen" möge,
was der feudale Ausdruck für den Uebergang zur Tagesordnung ist. Herr
Bade bekämpfte diesen Vorschlag nach Kräften und warf in der Hitze des
sich jetzt entspinnenden allgemeinen Gefechts dem engeren Ausschusse bei seinem
Verfahren den Mangel der borg, Scio8 vor. Während des sich bei diesen
Worten erhebenden Tumults wußte Herr Bade sich noch eine Zeit lang beim
Worte zu behaupten und benutzte dies, um noch folgende Ansprache an die
Versammlung zu halten: "Warum sträuben Sie sich denn so sehr gegen eine
konstitutionelle Verfassung? Es kann doch höchstens nur noch ein paar Jahre
dauern, bis wir eine solche haben. (Stürmische Unterbrechung.) Wenn Sie
nicht einmal dulden wollen, daß über diesen Gegenstand hier gesprochen wird,
so constatiren Sie damit nur eine frappante Ähnlichkeit mit dem Papstthum.
(Neuer Lärm und Gelächter.) Beide liegen in den letzten Zügen und wehren


Grenzboten I. 1668. 23

nur beiläufig und mit der kühlen Bemerkung, daß er eine Geneigtheit auf
die Einführung des Budgetsystems und der Consequenz desselben, einer kon¬
stitutionellen Verfassung, einzugehen, bei Ritter- und Landschaft nicht vor¬
aussetze.

Während die Landschaft (die Bürgermeister der Städte) die Erörterung
der Frage zu vermeiden suchte, wurde dieselbe dennoch von einer andern
Seite direct vor die Versammlung gebracht. Herr Dr. Bade auf Griebow,
ein schon früher als Anhänger des Constitutionalismus hervorgetretenes
Mitglied der Ritterschaft, hatte bereits unter dem 11. October einen Antrag
auf Herbeiführung einer constitutionellen Landesverfassung bei dem ständischen
engeren Ausschusse mit dem Gesuche eingereicht, denselben auf dem Landtage
zur Verhandlung zu bringen, hierauf aber ein Schreiben erhalten, welches
seinen Antrag als ungeeignet zurückwies. Herr Bade war indessen
der Ansicht, daß es weder dem engern Ausschusse, noch dem Antecomitial-
convente zustehe, einen Antrag wegen seines mißliebigen Inhalts zurückzu¬
weisen und bewies dies aus früheren Landtagsacten. Auch fand er sich am
1V. December persönlich in der Landtagsversammlung ein und stellte an
diese die Forderung, daß sie die geschehene Verweigerung der Inklination für
null und nichtig erkläre und den Antrag als giltig intimirt zur Verhandlung
bringe. Nun begann eine jener lebhaften Scenen, welche in den der mildern¬
den Einwirkung einer Geschäftsordnung entbehrenden Versammlungen der
mecklenburgischen Feudalstäude sich jedesmal zu ereignen pflegen, wenn sie
daran erinnert werden, daß die alte mecklenburgische Verfassung nicht auf
eine ewige Dauer Anspruch hat. Der Protokolldirigent, Kammerherr von
Oertzen auf Kotelow — derselbe, welcher durch eine falsche Addition der
strelitzischen Staatsministerialcanzlei sieben Wochen lang die Ehre genossen
hatte, Mitglied des Reichstags zu sein — trat dem Badeschen Antrage mit
dem Vorschlage entgegen, daß man denselben „aus sich beruhen lassen" möge,
was der feudale Ausdruck für den Uebergang zur Tagesordnung ist. Herr
Bade bekämpfte diesen Vorschlag nach Kräften und warf in der Hitze des
sich jetzt entspinnenden allgemeinen Gefechts dem engeren Ausschusse bei seinem
Verfahren den Mangel der borg, Scio8 vor. Während des sich bei diesen
Worten erhebenden Tumults wußte Herr Bade sich noch eine Zeit lang beim
Worte zu behaupten und benutzte dies, um noch folgende Ansprache an die
Versammlung zu halten: „Warum sträuben Sie sich denn so sehr gegen eine
konstitutionelle Verfassung? Es kann doch höchstens nur noch ein paar Jahre
dauern, bis wir eine solche haben. (Stürmische Unterbrechung.) Wenn Sie
nicht einmal dulden wollen, daß über diesen Gegenstand hier gesprochen wird,
so constatiren Sie damit nur eine frappante Ähnlichkeit mit dem Papstthum.
(Neuer Lärm und Gelächter.) Beide liegen in den letzten Zügen und wehren


Grenzboten I. 1668. 23
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[0185] nur beiläufig und mit der kühlen Bemerkung, daß er eine Geneigtheit auf die Einführung des Budgetsystems und der Consequenz desselben, einer kon¬ stitutionellen Verfassung, einzugehen, bei Ritter- und Landschaft nicht vor¬ aussetze. Während die Landschaft (die Bürgermeister der Städte) die Erörterung der Frage zu vermeiden suchte, wurde dieselbe dennoch von einer andern Seite direct vor die Versammlung gebracht. Herr Dr. Bade auf Griebow, ein schon früher als Anhänger des Constitutionalismus hervorgetretenes Mitglied der Ritterschaft, hatte bereits unter dem 11. October einen Antrag auf Herbeiführung einer constitutionellen Landesverfassung bei dem ständischen engeren Ausschusse mit dem Gesuche eingereicht, denselben auf dem Landtage zur Verhandlung zu bringen, hierauf aber ein Schreiben erhalten, welches seinen Antrag als ungeeignet zurückwies. Herr Bade war indessen der Ansicht, daß es weder dem engern Ausschusse, noch dem Antecomitial- convente zustehe, einen Antrag wegen seines mißliebigen Inhalts zurückzu¬ weisen und bewies dies aus früheren Landtagsacten. Auch fand er sich am 1V. December persönlich in der Landtagsversammlung ein und stellte an diese die Forderung, daß sie die geschehene Verweigerung der Inklination für null und nichtig erkläre und den Antrag als giltig intimirt zur Verhandlung bringe. Nun begann eine jener lebhaften Scenen, welche in den der mildern¬ den Einwirkung einer Geschäftsordnung entbehrenden Versammlungen der mecklenburgischen Feudalstäude sich jedesmal zu ereignen pflegen, wenn sie daran erinnert werden, daß die alte mecklenburgische Verfassung nicht auf eine ewige Dauer Anspruch hat. Der Protokolldirigent, Kammerherr von Oertzen auf Kotelow — derselbe, welcher durch eine falsche Addition der strelitzischen Staatsministerialcanzlei sieben Wochen lang die Ehre genossen hatte, Mitglied des Reichstags zu sein — trat dem Badeschen Antrage mit dem Vorschlage entgegen, daß man denselben „aus sich beruhen lassen" möge, was der feudale Ausdruck für den Uebergang zur Tagesordnung ist. Herr Bade bekämpfte diesen Vorschlag nach Kräften und warf in der Hitze des sich jetzt entspinnenden allgemeinen Gefechts dem engeren Ausschusse bei seinem Verfahren den Mangel der borg, Scio8 vor. Während des sich bei diesen Worten erhebenden Tumults wußte Herr Bade sich noch eine Zeit lang beim Worte zu behaupten und benutzte dies, um noch folgende Ansprache an die Versammlung zu halten: „Warum sträuben Sie sich denn so sehr gegen eine konstitutionelle Verfassung? Es kann doch höchstens nur noch ein paar Jahre dauern, bis wir eine solche haben. (Stürmische Unterbrechung.) Wenn Sie nicht einmal dulden wollen, daß über diesen Gegenstand hier gesprochen wird, so constatiren Sie damit nur eine frappante Ähnlichkeit mit dem Papstthum. (Neuer Lärm und Gelächter.) Beide liegen in den letzten Zügen und wehren Grenzboten I. 1668. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/185>, abgerufen am 01.07.2024.