Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.pfinden ihn so lebhaft als ihr; aber wir wissen, daß constitutionelle Garan¬ pfinden ihn so lebhaft als ihr; aber wir wissen, daß constitutionelle Garan¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117184"/> <p xml:id="ID_479" prev="#ID_478" next="#ID_480"> pfinden ihn so lebhaft als ihr; aber wir wissen, daß constitutionelle Garan¬<lb/> tien nicht so ohne weiteres von einem Tag zum andern durch die Mehrheit<lb/> einiger Stimmen einer siegreichen Negierung abzuringen sind, daß mit bloßen<lb/> papiernen Grundrechten, einem Verfassungseid und einer I^<zx imM-kvetg. über<lb/> Ministerverantwortlichkeit wenig geschehen ist. Handelt es sich dagegen um<lb/> Budgetrecht, soll-Mvernmont, Unabhängigkeit der Gerichte, Förderung der<lb/> materiellen Interessen, so hat die nationalliberale Partei die Frage, von<lb/> welcher Seite am meisten dafür geschehen sei, wahrlich nicht zu scheuen. Es<lb/> liegt kein besonderer Ruhm darin, gegen eine Militärorganisation zu stimmen,<lb/> die nach einem ersten glorreichen Kriege in einer Zeit neuer kriegerischer Gefähr¬<lb/> dung und allgemeiner Rüstungen, wo ganz Europa sie uachzucchmen trachtet,<lb/> doch unantastbar ist; noch ist es besonders verdienstlich, sein Nein gegen eine<lb/> Bundesverfassung auszusprechen, ohne sich auch nur ein Bild davon zu entwer¬<lb/> fen, was daraus werden sollte, wenn — was man allerdings selber nicht hoffte,<lb/> auch wohl nicht wünschte — dieses Nein die Majorität für sich gewonnen hätte.<lb/> Freilich hatte es in dem Antrage von Waldeck, Virchow und Hoverbeck (im<lb/> preußischen Abgeordnetenhause, Sitzung vom 8. Mai 1867) wörtlich geheißen:<lb/> „daß alle diese Opfer an Volksrechten die Einigung Deutschlands eher hindern<lb/> als fördern, daß die einheitliche militärische Macht Deutschlands nach außen<lb/> hin durch die geschlossenen Militärconventionen und Bündnisse für die nächste<lb/> Zukunft gesichert ist; daß kein Hinderniß entgegensteht, um den<lb/> jetzt mißlungenen Versuch der Gründung eines Bundesstaats<lb/> von neuem aufzunehmen." Indessen erklärte die Fortschrittspartei, als<lb/> einmal die Bundesverfassung angenommen war, sich auf den Boden derselben<lb/> zu stellen. Das war ganz verständig, denn es verstand sich ganz von selbst.<lb/> Allein zu gleicher Zeit veröffentlichte sie in ihrem neuen Programm, neben<lb/> dem ausgesprochenen Vorsatz, die Bundesverfassung im Sinne freiheitlicher<lb/> Entwicklung ausbilden zu wollen, den ganzen eben citirten Antrag von<lb/> Waldeck. Virchow und Hoverbeck, in welchem doch ausdrücklich gesagt wird,<lb/> daß die „Bundesverfassung für eine weitere Ausbildung im Sinne freiheit¬<lb/> licher Entwicklung keine Aussicht gewährt/' — Wie weit die Gedanken¬<lb/> losigkeit solcher auf die Masse berechneter Veröffentlichungen gehen kann,<lb/> bewies in jener Zeit ein von einem berühmten Gelehrten im Namen der<lb/> Fortschrittspartei verfaßtes Wahlrundschreiben, welches dem preußischen Volke<lb/> erklärt, daß ihm durch die Bundesverfassung mehr Rechte genommen seien,<lb/> als es jemals besessen, noch aber seien ihm Rechte genug geblieben, um da¬<lb/> mit die Verlornen zurückzuerobern! — Wenigstens wurde Virchows merk¬<lb/> würdige Kritik des Militärbudgets, wonach die 225 Thaler per Soldat noch<lb/> außer allen indirekten Bundeseinnahmen durch Steuern aufge¬<lb/> bracht werden müßten (vergl. die stenographischen Berichte des preußischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
pfinden ihn so lebhaft als ihr; aber wir wissen, daß constitutionelle Garan¬
tien nicht so ohne weiteres von einem Tag zum andern durch die Mehrheit
einiger Stimmen einer siegreichen Negierung abzuringen sind, daß mit bloßen
papiernen Grundrechten, einem Verfassungseid und einer I^<zx imM-kvetg. über
Ministerverantwortlichkeit wenig geschehen ist. Handelt es sich dagegen um
Budgetrecht, soll-Mvernmont, Unabhängigkeit der Gerichte, Förderung der
materiellen Interessen, so hat die nationalliberale Partei die Frage, von
welcher Seite am meisten dafür geschehen sei, wahrlich nicht zu scheuen. Es
liegt kein besonderer Ruhm darin, gegen eine Militärorganisation zu stimmen,
die nach einem ersten glorreichen Kriege in einer Zeit neuer kriegerischer Gefähr¬
dung und allgemeiner Rüstungen, wo ganz Europa sie uachzucchmen trachtet,
doch unantastbar ist; noch ist es besonders verdienstlich, sein Nein gegen eine
Bundesverfassung auszusprechen, ohne sich auch nur ein Bild davon zu entwer¬
fen, was daraus werden sollte, wenn — was man allerdings selber nicht hoffte,
auch wohl nicht wünschte — dieses Nein die Majorität für sich gewonnen hätte.
Freilich hatte es in dem Antrage von Waldeck, Virchow und Hoverbeck (im
preußischen Abgeordnetenhause, Sitzung vom 8. Mai 1867) wörtlich geheißen:
„daß alle diese Opfer an Volksrechten die Einigung Deutschlands eher hindern
als fördern, daß die einheitliche militärische Macht Deutschlands nach außen
hin durch die geschlossenen Militärconventionen und Bündnisse für die nächste
Zukunft gesichert ist; daß kein Hinderniß entgegensteht, um den
jetzt mißlungenen Versuch der Gründung eines Bundesstaats
von neuem aufzunehmen." Indessen erklärte die Fortschrittspartei, als
einmal die Bundesverfassung angenommen war, sich auf den Boden derselben
zu stellen. Das war ganz verständig, denn es verstand sich ganz von selbst.
Allein zu gleicher Zeit veröffentlichte sie in ihrem neuen Programm, neben
dem ausgesprochenen Vorsatz, die Bundesverfassung im Sinne freiheitlicher
Entwicklung ausbilden zu wollen, den ganzen eben citirten Antrag von
Waldeck. Virchow und Hoverbeck, in welchem doch ausdrücklich gesagt wird,
daß die „Bundesverfassung für eine weitere Ausbildung im Sinne freiheit¬
licher Entwicklung keine Aussicht gewährt/' — Wie weit die Gedanken¬
losigkeit solcher auf die Masse berechneter Veröffentlichungen gehen kann,
bewies in jener Zeit ein von einem berühmten Gelehrten im Namen der
Fortschrittspartei verfaßtes Wahlrundschreiben, welches dem preußischen Volke
erklärt, daß ihm durch die Bundesverfassung mehr Rechte genommen seien,
als es jemals besessen, noch aber seien ihm Rechte genug geblieben, um da¬
mit die Verlornen zurückzuerobern! — Wenigstens wurde Virchows merk¬
würdige Kritik des Militärbudgets, wonach die 225 Thaler per Soldat noch
außer allen indirekten Bundeseinnahmen durch Steuern aufge¬
bracht werden müßten (vergl. die stenographischen Berichte des preußischen
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