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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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theose Homers dem unsterblichen Dichter, die elementaren Gottheiten des
Meeres und der Erde -- auch hier mit einem Füllhorn und zwei Kindern
-- sind neben ihr. Vor dem Beherrscher des Erdkreises steht der junge Ger-
manicus, Tiberius steigt von dem von der Siegesgöttin geleiteten
Triumphwagen ab. Beide kehren als Sieger über die Pannonier zurück;
unten errichten die Soldaten ein Tropäum neben den gefangenen Barbaren,
Auf dem pariser Cameo, dem größten von allen, thront zuoberst der
vergötterte Cäsar mit der Strahlenkrone. Vom Pegasus, welchen Amor
mit den Zügen des C. Cäsar, Sohnes des Germanicus, am Zügel
führt, wird Augustus zu ihm emporgetragen; Aeneas in phrygischer Tracht
empfängt ihn als Stammvater des Geschlechts mit der Weltkugel, hinter
diesem Drusus, lorbeerbekränzt. In der Mitte thront Tiberius mit
Lituus und Scepter und der Aegis, der Waffe des Jupiter, neben ihm
seine Mutter Livia in der Tracht und mit den Attributen der Ceres; die
ganze kaiserliche Familie umgibt ihn. Unten ist eine Gruppe gefangener
Barbaren.

Auf dem niederländischen Cameo fährt auf einem von trophäen¬
tragenden Kentauren gezogenen Wagen, wie er dem Bacchus zukam, über
besiegte Feinde Kaiser Clauius den Blitz schwingend hinweg; neben ihm
Messalina mit Octavia und Britanniens.

Auf einem kleineren pariser Cameo tragen Germanicus und Agrip-
Pina auf einem von Schlangen gezogenen Wagen als Triptolemus und
Ceres das Getreide über den Erdkreis. Auch auf dem schönen mit getrie¬
bener Arbeit verzierten vergoldeten Silberschild von Aquileja in Wien
ist Germanicus als Triptolemus vorgestellt, wie er, umgeben von
huldreichen Göttern, opfert, bevor er den Schlangenwagen besteigt.

Ueberall tritt uns dieselbe Auffassung entgegen: die Mitglieder des Herr¬
scherhauses werden den Göttern beigesellt, mit Attributen göttlicher Macht
ausgestattet und dadurch den Kreisen der Sterblichen entrückt. Dieselben
Vorstellungen und die ihnen entsprechende poetische Ausdrucksweise finden
wir bei den Dichtern. Als nach der Schlacht bei Antium der Sieger län¬
gere Zeit von Rom entfernt blieb und man dort in ängstlicher Spannung
abwarten mußte, wie er den Sieg und die neu befestigte Macht gebrau¬
chen, ob er mit weiser Mäßigung den Fluch der Bürgerkriege sühnen, Ver¬
söhnung, Vertrauen, Ordnung wiederherstellen würde, fragt Horaz:


Wem ertheilt Vollmacht zu des Frevels Sühnung
Jupiter? Komm endlich herab, wir flehen,
Mit Gewölk die leuchtenden Schultern deckend,
Seher Apollo!

theose Homers dem unsterblichen Dichter, die elementaren Gottheiten des
Meeres und der Erde — auch hier mit einem Füllhorn und zwei Kindern
— sind neben ihr. Vor dem Beherrscher des Erdkreises steht der junge Ger-
manicus, Tiberius steigt von dem von der Siegesgöttin geleiteten
Triumphwagen ab. Beide kehren als Sieger über die Pannonier zurück;
unten errichten die Soldaten ein Tropäum neben den gefangenen Barbaren,
Auf dem pariser Cameo, dem größten von allen, thront zuoberst der
vergötterte Cäsar mit der Strahlenkrone. Vom Pegasus, welchen Amor
mit den Zügen des C. Cäsar, Sohnes des Germanicus, am Zügel
führt, wird Augustus zu ihm emporgetragen; Aeneas in phrygischer Tracht
empfängt ihn als Stammvater des Geschlechts mit der Weltkugel, hinter
diesem Drusus, lorbeerbekränzt. In der Mitte thront Tiberius mit
Lituus und Scepter und der Aegis, der Waffe des Jupiter, neben ihm
seine Mutter Livia in der Tracht und mit den Attributen der Ceres; die
ganze kaiserliche Familie umgibt ihn. Unten ist eine Gruppe gefangener
Barbaren.

Auf dem niederländischen Cameo fährt auf einem von trophäen¬
tragenden Kentauren gezogenen Wagen, wie er dem Bacchus zukam, über
besiegte Feinde Kaiser Clauius den Blitz schwingend hinweg; neben ihm
Messalina mit Octavia und Britanniens.

Auf einem kleineren pariser Cameo tragen Germanicus und Agrip-
Pina auf einem von Schlangen gezogenen Wagen als Triptolemus und
Ceres das Getreide über den Erdkreis. Auch auf dem schönen mit getrie¬
bener Arbeit verzierten vergoldeten Silberschild von Aquileja in Wien
ist Germanicus als Triptolemus vorgestellt, wie er, umgeben von
huldreichen Göttern, opfert, bevor er den Schlangenwagen besteigt.

Ueberall tritt uns dieselbe Auffassung entgegen: die Mitglieder des Herr¬
scherhauses werden den Göttern beigesellt, mit Attributen göttlicher Macht
ausgestattet und dadurch den Kreisen der Sterblichen entrückt. Dieselben
Vorstellungen und die ihnen entsprechende poetische Ausdrucksweise finden
wir bei den Dichtern. Als nach der Schlacht bei Antium der Sieger län¬
gere Zeit von Rom entfernt blieb und man dort in ängstlicher Spannung
abwarten mußte, wie er den Sieg und die neu befestigte Macht gebrau¬
chen, ob er mit weiser Mäßigung den Fluch der Bürgerkriege sühnen, Ver¬
söhnung, Vertrauen, Ordnung wiederherstellen würde, fragt Horaz:


Wem ertheilt Vollmacht zu des Frevels Sühnung
Jupiter? Komm endlich herab, wir flehen,
Mit Gewölk die leuchtenden Schultern deckend,
Seher Apollo!

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[0103] theose Homers dem unsterblichen Dichter, die elementaren Gottheiten des Meeres und der Erde — auch hier mit einem Füllhorn und zwei Kindern — sind neben ihr. Vor dem Beherrscher des Erdkreises steht der junge Ger- manicus, Tiberius steigt von dem von der Siegesgöttin geleiteten Triumphwagen ab. Beide kehren als Sieger über die Pannonier zurück; unten errichten die Soldaten ein Tropäum neben den gefangenen Barbaren, Auf dem pariser Cameo, dem größten von allen, thront zuoberst der vergötterte Cäsar mit der Strahlenkrone. Vom Pegasus, welchen Amor mit den Zügen des C. Cäsar, Sohnes des Germanicus, am Zügel führt, wird Augustus zu ihm emporgetragen; Aeneas in phrygischer Tracht empfängt ihn als Stammvater des Geschlechts mit der Weltkugel, hinter diesem Drusus, lorbeerbekränzt. In der Mitte thront Tiberius mit Lituus und Scepter und der Aegis, der Waffe des Jupiter, neben ihm seine Mutter Livia in der Tracht und mit den Attributen der Ceres; die ganze kaiserliche Familie umgibt ihn. Unten ist eine Gruppe gefangener Barbaren. Auf dem niederländischen Cameo fährt auf einem von trophäen¬ tragenden Kentauren gezogenen Wagen, wie er dem Bacchus zukam, über besiegte Feinde Kaiser Clauius den Blitz schwingend hinweg; neben ihm Messalina mit Octavia und Britanniens. Auf einem kleineren pariser Cameo tragen Germanicus und Agrip- Pina auf einem von Schlangen gezogenen Wagen als Triptolemus und Ceres das Getreide über den Erdkreis. Auch auf dem schönen mit getrie¬ bener Arbeit verzierten vergoldeten Silberschild von Aquileja in Wien ist Germanicus als Triptolemus vorgestellt, wie er, umgeben von huldreichen Göttern, opfert, bevor er den Schlangenwagen besteigt. Ueberall tritt uns dieselbe Auffassung entgegen: die Mitglieder des Herr¬ scherhauses werden den Göttern beigesellt, mit Attributen göttlicher Macht ausgestattet und dadurch den Kreisen der Sterblichen entrückt. Dieselben Vorstellungen und die ihnen entsprechende poetische Ausdrucksweise finden wir bei den Dichtern. Als nach der Schlacht bei Antium der Sieger län¬ gere Zeit von Rom entfernt blieb und man dort in ängstlicher Spannung abwarten mußte, wie er den Sieg und die neu befestigte Macht gebrau¬ chen, ob er mit weiser Mäßigung den Fluch der Bürgerkriege sühnen, Ver¬ söhnung, Vertrauen, Ordnung wiederherstellen würde, fragt Horaz: Wem ertheilt Vollmacht zu des Frevels Sühnung Jupiter? Komm endlich herab, wir flehen, Mit Gewölk die leuchtenden Schultern deckend, Seher Apollo!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/103>, abgerufen am 24.08.2024.