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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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daß Augustus den Mittelpunkt bilde. Augustus ist auch gemeint und
der Wolf ist ihm beigegeben, um ihn dem Gott zu nähern, dem er ange¬
hört. Mars wurde nicht allein als Kriegsgott verehrt, als Vater des
Romulus war er der Ahnherr des römischen Volkes, und der neue Herr¬
scher führte sein Geschlecht zurück auf den Stamm, aus welchem Rhea Sil-
via, die Mutter des Romulus, entsprossen war. Dieselbe Vorstellung
drückt Amor auf dem Delphin neben der Statue aus. Er gehört der
Venus an, der Mutter des Aeneas und dadurch der Ahnfrau des Ju-
lischen Geschlechts, welchem Cäsar und Augustus entstammen.
Mars und Venus waren im römischen Cultus nahe verbunden als Ahnen
des römischen Volks; indem ihre Attribute hier auf Augustus übertragen
werden, tritt er nicht nur als der von ihnen begünstigte, als der aus ihrem
Geschlecht entsprossene hervor, ein Theil ihrer göttlichen Macht, ihres gött¬
lichen Wesens ist bereits auf ihn übertragen. Darauf weist auch eine un¬
bedeutende Modification des Costüms hin: die Barfüßigkeit. Sie paßt nicht
zu der realistischen Nachbildung der Jmperatorentracht, sie gehört zur Heroen¬
bildung und deutet an, daß kein gewöhnlicher Imperator dargestellt sei. '

Den Kunstgriff, den Herrscher in die unmittelbare Nähe der Götter zu
bringen und ihm göttliche Attribute beizulegen, finden wir durchgehends auf
den Kunstwerken angewendet, welche die kaiserliche Familie darstellen.
Auf einem Relief in Ravenna, welches Julius Cäsar, mit dem Venus¬
stern über der Stirn, und Augustus mit andern Gliedern des jütischen
Geschlechts vorstellt, erscheint unter ihnen Venus in der Gestalt, in welcher
sie als Stammmutter der Julier verehrt wurde. Auf einem Altar wird
Augustus von geflügelten Pferden in die Höhe getragen, welche der
Himmelsgott und der Sonnengott wie auf unserm Relief bezeichnen.

Die glänzendsten Repräsentanten der höfischen Kunst sind die pracht¬
vollen Onyxcameen von staunenswerther Größe, die ein Stolz der Museen
sind. Die Steine gehören, wie die Kunst sie zu schneiden, ursprünglich dem
Orient an; sie bildeten ein wesentliches Element des Luxus, mit welchem
die Herrscher sich schmückten. Von den Diadochen gingen sie auf Rom
über; Augustus und seine nächsten Nachfolger Müssen besondern Werth
auf diesen Kunstzweig gelegt haben; wir besitzen noch eine ganze Reihe sol¬
cher Prachtstücke, welche sämmtlich Mitglieder der kaiserlichen Familie ver¬
herrlichen. Sieht man von der Schwierigkeit ab, die einzelnen Portraits
mit Sicherheit zu bestimmen, so sind die Darstellungen im wesentlichen
deutlich.

Auf dem wiener Cameo thront Augustus mit Scepter und Lituus,
den Adler des Jupiter zur Seite, neben der Göttin Roma, die Göttin
der bewohnten Erde setzt ihm einen Kranz aufs Haupt, wie auf der Apo-


daß Augustus den Mittelpunkt bilde. Augustus ist auch gemeint und
der Wolf ist ihm beigegeben, um ihn dem Gott zu nähern, dem er ange¬
hört. Mars wurde nicht allein als Kriegsgott verehrt, als Vater des
Romulus war er der Ahnherr des römischen Volkes, und der neue Herr¬
scher führte sein Geschlecht zurück auf den Stamm, aus welchem Rhea Sil-
via, die Mutter des Romulus, entsprossen war. Dieselbe Vorstellung
drückt Amor auf dem Delphin neben der Statue aus. Er gehört der
Venus an, der Mutter des Aeneas und dadurch der Ahnfrau des Ju-
lischen Geschlechts, welchem Cäsar und Augustus entstammen.
Mars und Venus waren im römischen Cultus nahe verbunden als Ahnen
des römischen Volks; indem ihre Attribute hier auf Augustus übertragen
werden, tritt er nicht nur als der von ihnen begünstigte, als der aus ihrem
Geschlecht entsprossene hervor, ein Theil ihrer göttlichen Macht, ihres gött¬
lichen Wesens ist bereits auf ihn übertragen. Darauf weist auch eine un¬
bedeutende Modification des Costüms hin: die Barfüßigkeit. Sie paßt nicht
zu der realistischen Nachbildung der Jmperatorentracht, sie gehört zur Heroen¬
bildung und deutet an, daß kein gewöhnlicher Imperator dargestellt sei. '

Den Kunstgriff, den Herrscher in die unmittelbare Nähe der Götter zu
bringen und ihm göttliche Attribute beizulegen, finden wir durchgehends auf
den Kunstwerken angewendet, welche die kaiserliche Familie darstellen.
Auf einem Relief in Ravenna, welches Julius Cäsar, mit dem Venus¬
stern über der Stirn, und Augustus mit andern Gliedern des jütischen
Geschlechts vorstellt, erscheint unter ihnen Venus in der Gestalt, in welcher
sie als Stammmutter der Julier verehrt wurde. Auf einem Altar wird
Augustus von geflügelten Pferden in die Höhe getragen, welche der
Himmelsgott und der Sonnengott wie auf unserm Relief bezeichnen.

Die glänzendsten Repräsentanten der höfischen Kunst sind die pracht¬
vollen Onyxcameen von staunenswerther Größe, die ein Stolz der Museen
sind. Die Steine gehören, wie die Kunst sie zu schneiden, ursprünglich dem
Orient an; sie bildeten ein wesentliches Element des Luxus, mit welchem
die Herrscher sich schmückten. Von den Diadochen gingen sie auf Rom
über; Augustus und seine nächsten Nachfolger Müssen besondern Werth
auf diesen Kunstzweig gelegt haben; wir besitzen noch eine ganze Reihe sol¬
cher Prachtstücke, welche sämmtlich Mitglieder der kaiserlichen Familie ver¬
herrlichen. Sieht man von der Schwierigkeit ab, die einzelnen Portraits
mit Sicherheit zu bestimmen, so sind die Darstellungen im wesentlichen
deutlich.

Auf dem wiener Cameo thront Augustus mit Scepter und Lituus,
den Adler des Jupiter zur Seite, neben der Göttin Roma, die Göttin
der bewohnten Erde setzt ihm einen Kranz aufs Haupt, wie auf der Apo-


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[0102] daß Augustus den Mittelpunkt bilde. Augustus ist auch gemeint und der Wolf ist ihm beigegeben, um ihn dem Gott zu nähern, dem er ange¬ hört. Mars wurde nicht allein als Kriegsgott verehrt, als Vater des Romulus war er der Ahnherr des römischen Volkes, und der neue Herr¬ scher führte sein Geschlecht zurück auf den Stamm, aus welchem Rhea Sil- via, die Mutter des Romulus, entsprossen war. Dieselbe Vorstellung drückt Amor auf dem Delphin neben der Statue aus. Er gehört der Venus an, der Mutter des Aeneas und dadurch der Ahnfrau des Ju- lischen Geschlechts, welchem Cäsar und Augustus entstammen. Mars und Venus waren im römischen Cultus nahe verbunden als Ahnen des römischen Volks; indem ihre Attribute hier auf Augustus übertragen werden, tritt er nicht nur als der von ihnen begünstigte, als der aus ihrem Geschlecht entsprossene hervor, ein Theil ihrer göttlichen Macht, ihres gött¬ lichen Wesens ist bereits auf ihn übertragen. Darauf weist auch eine un¬ bedeutende Modification des Costüms hin: die Barfüßigkeit. Sie paßt nicht zu der realistischen Nachbildung der Jmperatorentracht, sie gehört zur Heroen¬ bildung und deutet an, daß kein gewöhnlicher Imperator dargestellt sei. ' Den Kunstgriff, den Herrscher in die unmittelbare Nähe der Götter zu bringen und ihm göttliche Attribute beizulegen, finden wir durchgehends auf den Kunstwerken angewendet, welche die kaiserliche Familie darstellen. Auf einem Relief in Ravenna, welches Julius Cäsar, mit dem Venus¬ stern über der Stirn, und Augustus mit andern Gliedern des jütischen Geschlechts vorstellt, erscheint unter ihnen Venus in der Gestalt, in welcher sie als Stammmutter der Julier verehrt wurde. Auf einem Altar wird Augustus von geflügelten Pferden in die Höhe getragen, welche der Himmelsgott und der Sonnengott wie auf unserm Relief bezeichnen. Die glänzendsten Repräsentanten der höfischen Kunst sind die pracht¬ vollen Onyxcameen von staunenswerther Größe, die ein Stolz der Museen sind. Die Steine gehören, wie die Kunst sie zu schneiden, ursprünglich dem Orient an; sie bildeten ein wesentliches Element des Luxus, mit welchem die Herrscher sich schmückten. Von den Diadochen gingen sie auf Rom über; Augustus und seine nächsten Nachfolger Müssen besondern Werth auf diesen Kunstzweig gelegt haben; wir besitzen noch eine ganze Reihe sol¬ cher Prachtstücke, welche sämmtlich Mitglieder der kaiserlichen Familie ver¬ herrlichen. Sieht man von der Schwierigkeit ab, die einzelnen Portraits mit Sicherheit zu bestimmen, so sind die Darstellungen im wesentlichen deutlich. Auf dem wiener Cameo thront Augustus mit Scepter und Lituus, den Adler des Jupiter zur Seite, neben der Göttin Roma, die Göttin der bewohnten Erde setzt ihm einen Kranz aufs Haupt, wie auf der Apo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/102>, abgerufen am 02.10.2024.