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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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er denselben zu seinem Schutzgott. Er ließ es gelten, wenn man ihn für
einen Sohn des Apollo ausgab und zeigte sich in dessen Costüm, und durch
Gründung des palatinischen Heiligthums und glänzende Stiftungen hob er
seinen Cultus vor allen übrigen. Diana, eine altitalische Göttin, war
bereits dem Apollo, die griechische Artemis vertretend, zugesellt worden,
sie nahm jetzt auch an seiner bevorzugten Ehre Antheil. Das Siegel drückte
Augustus diesen Cultuseinrichtungen auf, als er im Jahr 17 v. Chr. das
Jubiläum der Gründung Roms feierte und seine Götter Apollo und
Diana neben und über den Gottheiten, welchen nach alter Ueberlieferung
dies Fest gefeiert wurde, zum Gegenstand der Verehrung machte. Horaz,
der, von Augustus beauftragt ein Chorlied zu dichten, dadurch gewissermaßen
als Staatslyriker anerkannt wurde, richtet daher sein officielles Säculargedicht
an diese Gottheiten


Gnadenreich und gütig verbirg den Bogen
Und erhör' uns flehende Knaben, Phöbus!
Sternenglanz, zweihörnige Göttin, höre,
Luna, die Mädchen!

Daß uns Jupiter zuwinkt und alle Götter,.
Kehren wir nach Hause der frohen Hoffnung,
Kundig nun Dianas und Phöbus Ehre
singend ein Loblied.


Hält man diese historischen Momente und die einzelnen Züge des Reliefs
zusammen, so wird man nicht bezweifeln können, daß es unter dem unmittel¬
baren Einfluß dieser Ereignisse und Stimmungen concipirt ist und sie wieder¬
zugeben bestimmt war, wodurch sich dann die Entstehungszeit um das Jahr
17 v. Chr. mit Sicherheit ergibt.

Noch ist ein eigenthümlicher Zug zu beachten, der die Auffassung des
Künstlers charakterisirt. Wer ist der römische Krieger, der den Legionsadler
aus der Hand des Parthers empfängt? Daß an einer Statue des Augu¬
stus nicht Tiberius oder dessen Legat, welchem die Feldzeichen im Orient
eingehändigt sein sollen, dargestellt werden konnte, liegt auf der Hand. Also
Augustus selbst, unter dessen Auspicien jene befehligten. Aber zu einem
römischen Feldherrn paßt der Wolf nicht, dies Thier kann nur symbolisch
verstanden werden. Nun ist der Wolf das Thier des Mars, des römischen
Kriegsgottes, und Augustus erbaute nach der Rückgabe der Feldzeichen einen
Tempel des Rächers Mars, in welchem dieselben aufgestellt wurden. Also
könnte man an den Kriegsgott selbst denken, dem die Feldzeichen überreicht
würden. Allein die Gestalt gleicht keinem Gott, sondern einem römischen
Feldherrn und die ganze Darstellung ist, wie wir sahen, darauf berechnet,


er denselben zu seinem Schutzgott. Er ließ es gelten, wenn man ihn für
einen Sohn des Apollo ausgab und zeigte sich in dessen Costüm, und durch
Gründung des palatinischen Heiligthums und glänzende Stiftungen hob er
seinen Cultus vor allen übrigen. Diana, eine altitalische Göttin, war
bereits dem Apollo, die griechische Artemis vertretend, zugesellt worden,
sie nahm jetzt auch an seiner bevorzugten Ehre Antheil. Das Siegel drückte
Augustus diesen Cultuseinrichtungen auf, als er im Jahr 17 v. Chr. das
Jubiläum der Gründung Roms feierte und seine Götter Apollo und
Diana neben und über den Gottheiten, welchen nach alter Ueberlieferung
dies Fest gefeiert wurde, zum Gegenstand der Verehrung machte. Horaz,
der, von Augustus beauftragt ein Chorlied zu dichten, dadurch gewissermaßen
als Staatslyriker anerkannt wurde, richtet daher sein officielles Säculargedicht
an diese Gottheiten


Gnadenreich und gütig verbirg den Bogen
Und erhör' uns flehende Knaben, Phöbus!
Sternenglanz, zweihörnige Göttin, höre,
Luna, die Mädchen!

Daß uns Jupiter zuwinkt und alle Götter,.
Kehren wir nach Hause der frohen Hoffnung,
Kundig nun Dianas und Phöbus Ehre
singend ein Loblied.


Hält man diese historischen Momente und die einzelnen Züge des Reliefs
zusammen, so wird man nicht bezweifeln können, daß es unter dem unmittel¬
baren Einfluß dieser Ereignisse und Stimmungen concipirt ist und sie wieder¬
zugeben bestimmt war, wodurch sich dann die Entstehungszeit um das Jahr
17 v. Chr. mit Sicherheit ergibt.

Noch ist ein eigenthümlicher Zug zu beachten, der die Auffassung des
Künstlers charakterisirt. Wer ist der römische Krieger, der den Legionsadler
aus der Hand des Parthers empfängt? Daß an einer Statue des Augu¬
stus nicht Tiberius oder dessen Legat, welchem die Feldzeichen im Orient
eingehändigt sein sollen, dargestellt werden konnte, liegt auf der Hand. Also
Augustus selbst, unter dessen Auspicien jene befehligten. Aber zu einem
römischen Feldherrn paßt der Wolf nicht, dies Thier kann nur symbolisch
verstanden werden. Nun ist der Wolf das Thier des Mars, des römischen
Kriegsgottes, und Augustus erbaute nach der Rückgabe der Feldzeichen einen
Tempel des Rächers Mars, in welchem dieselben aufgestellt wurden. Also
könnte man an den Kriegsgott selbst denken, dem die Feldzeichen überreicht
würden. Allein die Gestalt gleicht keinem Gott, sondern einem römischen
Feldherrn und die ganze Darstellung ist, wie wir sahen, darauf berechnet,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/101>, abgerufen am 02.10.2024.