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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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er vermittelt sein soll, und ohnehin ist der so ohne alle Motivirung und Ori-
entirung erfolgende Erlaß einer Ordre an den Avantgardensührer, der den
Fühler der Armee abgeben soll, geradezu unglaublich, besonders wenn das
Hauptquartier seine eigenen Pläne völlig verändert hat. Auch von einer Ant-
wort des Prinzen ist nicht die Rede. Er hätte doch wohl noch einmal seine
Ansicht vertheidigen oder seine Zustimmung zu erkennen geben müssen. Statt
dessen schrieb er von Saatfeld aus am Morgen des 10. an den Fürsten im
Sinne seiner letzten Benachrichtigung, daß das Gefecht begonnen habe, und
beglaubigt ist, daß er, als er dann die Nothwendigkeit des Rückzuges einsah,
gegen den Hauptmann von Valentini äußerte: "Ich verlasse Saalfeld ungern.
Wenn wir uns nur so lange behaupten könnten, bis ich noch eine Nachricht
vom Fürsten erhalten hätte, oder bis die Avantgarde der Hauptarmee heran
wäre, um diesen Posten zu übernehmen, und ich über die Saale gehen könnte,
um mich mit Tauentzien zu vereinigen." Und ferner, wie der Befehl da ver¬
zeichnet steht, kann er. seinem Inhalte nach, nicht gegeben sein: ein Blick auf
die Karte genügt, dies zu erkennen. Denn gesetzt, der Fürst hätte die Wichtig¬
keit Saalfelds ignorirt und er wäre der Meinung gewesen, für die Sicherung
seiner eigenen Stellung (die er aber am 10. erst noch suchte) nur Orlamünde
halten zu müssen: so mußte er doch sehen, daß Rudolstadt preisgeben die Haupt¬
armee preisgeben hieß, welche am 10. in die Stellung von Hochdorf, vor der
Linie Blankenhayn-Stadt-Ilm, einrücken wollte. Jedenfalls aber, wenn irgend
ein ähnlich gefaßter Befehl in der Nacht an den Prinzen abging, so konnte er.
der Zeit nach, nicht die Antwort auf des Prinzen Schreiben von 9 Uhr Abends
sein, und der Prinz durfte, wenn er irgend im allgemeinen Sinne seiner Sen¬
dung handeln wollte, den Posten von Saalfeld nicht eher verlassen, als bis er
durch eine stärkere Macht abgelöst wurde, oder bis er erfahren hatte, daß der
Fürst wisse, um was es sich bei diesem Posten handle.

Denn nun überlege man, was eingetreten sein würde, wenn der Prinz
bei Rudolstadt stehen geblieben wäre. Diese Erörterung ist noch nirgends aus¬
drücklich angestellt worden; man hat sich damit begnügt, das Unglück von Saal¬
feld als die Hauptursache der nun folgenden Katastrophe zu bezeichnen, statt
zu untersuchen, ob sie nicht vielmehr die erste Folge der Unthätigkeit des Haupt¬
quartiers, der allgemeinen Verwirrung und der unter den Oberfeldherren be¬
stehenden Spannung war; ob dasselbe, wenn es nicht in Saalfeld eintrat, an
irgend einem andern Punkte und in weit größeren Umfange, eintreten mußte.
Die Armeen, welche hinter dem Prinzen standen, waren im Marsche begriffen,
die zunächst hinter ihm stehende Flügelarmee durch die erhaltenen Contreordres
sogar in ziemlicher Confusion und durch die Saale in zwei Theile getrennt.
Blieb der Prinz bei Rudolstadt stehen, so war für den Marschall Laur.es der
Weg auf Pösneck und Neustadt frei, und er hätte von da aus nicht nur die


er vermittelt sein soll, und ohnehin ist der so ohne alle Motivirung und Ori-
entirung erfolgende Erlaß einer Ordre an den Avantgardensührer, der den
Fühler der Armee abgeben soll, geradezu unglaublich, besonders wenn das
Hauptquartier seine eigenen Pläne völlig verändert hat. Auch von einer Ant-
wort des Prinzen ist nicht die Rede. Er hätte doch wohl noch einmal seine
Ansicht vertheidigen oder seine Zustimmung zu erkennen geben müssen. Statt
dessen schrieb er von Saatfeld aus am Morgen des 10. an den Fürsten im
Sinne seiner letzten Benachrichtigung, daß das Gefecht begonnen habe, und
beglaubigt ist, daß er, als er dann die Nothwendigkeit des Rückzuges einsah,
gegen den Hauptmann von Valentini äußerte: „Ich verlasse Saalfeld ungern.
Wenn wir uns nur so lange behaupten könnten, bis ich noch eine Nachricht
vom Fürsten erhalten hätte, oder bis die Avantgarde der Hauptarmee heran
wäre, um diesen Posten zu übernehmen, und ich über die Saale gehen könnte,
um mich mit Tauentzien zu vereinigen." Und ferner, wie der Befehl da ver¬
zeichnet steht, kann er. seinem Inhalte nach, nicht gegeben sein: ein Blick auf
die Karte genügt, dies zu erkennen. Denn gesetzt, der Fürst hätte die Wichtig¬
keit Saalfelds ignorirt und er wäre der Meinung gewesen, für die Sicherung
seiner eigenen Stellung (die er aber am 10. erst noch suchte) nur Orlamünde
halten zu müssen: so mußte er doch sehen, daß Rudolstadt preisgeben die Haupt¬
armee preisgeben hieß, welche am 10. in die Stellung von Hochdorf, vor der
Linie Blankenhayn-Stadt-Ilm, einrücken wollte. Jedenfalls aber, wenn irgend
ein ähnlich gefaßter Befehl in der Nacht an den Prinzen abging, so konnte er.
der Zeit nach, nicht die Antwort auf des Prinzen Schreiben von 9 Uhr Abends
sein, und der Prinz durfte, wenn er irgend im allgemeinen Sinne seiner Sen¬
dung handeln wollte, den Posten von Saalfeld nicht eher verlassen, als bis er
durch eine stärkere Macht abgelöst wurde, oder bis er erfahren hatte, daß der
Fürst wisse, um was es sich bei diesem Posten handle.

Denn nun überlege man, was eingetreten sein würde, wenn der Prinz
bei Rudolstadt stehen geblieben wäre. Diese Erörterung ist noch nirgends aus¬
drücklich angestellt worden; man hat sich damit begnügt, das Unglück von Saal¬
feld als die Hauptursache der nun folgenden Katastrophe zu bezeichnen, statt
zu untersuchen, ob sie nicht vielmehr die erste Folge der Unthätigkeit des Haupt¬
quartiers, der allgemeinen Verwirrung und der unter den Oberfeldherren be¬
stehenden Spannung war; ob dasselbe, wenn es nicht in Saalfeld eintrat, an
irgend einem andern Punkte und in weit größeren Umfange, eintreten mußte.
Die Armeen, welche hinter dem Prinzen standen, waren im Marsche begriffen,
die zunächst hinter ihm stehende Flügelarmee durch die erhaltenen Contreordres
sogar in ziemlicher Confusion und durch die Saale in zwei Theile getrennt.
Blieb der Prinz bei Rudolstadt stehen, so war für den Marschall Laur.es der
Weg auf Pösneck und Neustadt frei, und er hätte von da aus nicht nur die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/91>, abgerufen am 20.10.2024.